Peter Grimm / 22.02.2019 / 16:00 / 5 / Seite ausdrucken

Daten-Sicherheitsposse im Justizministerium

WhatsApp erleichtert vielen Menschen die Kommunikation so ungemein, dass es – trotz allgemein bekannter Datenschutzbedenken – nur wenige Deutsche unter 80 gibt, die sich dem Dienst verweigern. Dass man dem Betreiber den Zugriff auf alle im Mobiltelefon gespeicherten Kontaktdaten gestatten muss, das halten etliche Nutzer schon länger für problematisch, doch letztlich verdrängen sie das Problem, denn auf die Möglichkeiten von WhatsApp möchten sie höchst ungern verzichten.

Für Privatpersonen ist das auch vollkommen in Ordnung. Etliche Unternehmen und auch Behörden haben hingegen ihren Mitarbeitern die WhatsApp-Nutzung auf Diensthandys u.a. aus genanntem Grund untersagt. Wer sensible Kontakte pflegt oder pflegen muss, sollte also die Finger von dem Dienst lassen. Eigentlich ist das ganz leicht nachzuvollziehen und wäre keine Zeile wert, wenn es nicht eine amüsante Provinzposse gäbe, von der man derzeit hören und lesen kann.

Ausgerechnet Niedersachsens Justizministerin Barbara Havliza (CDU) und vier Staatssekretäre aus verschiedenen Ministerien haben WhatsApp auf ihren Diensthandys Zugang zu den Adressbüchern gewährt. „Offenbar unbewusst“, wie der NDR in einem Bericht über diesen Fall formulierte. Eine Justizministerin wusste bei der Nutzung von WhatsApp nicht, welche Zugriffe sie erlaubt? Und ihre vier Staatssekretäre auch nicht? Lesen die die Geschäftsbedingungen nicht, denen sie zustimmen? Können manche Verantwortungsträger nicht verantwortlich mit Daten umgehen?

Erhöhter realsatirischer Unterhaltungswert

Um den realsatirischen Unterhaltungswert noch etwas zu steigern, soll unter den vertrauensseligen Staatssekretären auch der im Innenministerium für Polizei und Verfassungsschutz zuständige Spitzenbeamte sein. Das jedenfalls geht nach einem Bericht von NDR 1 aus der Antwort der Landesregierung auf eine entsprechende Anfrage der FDP-Landtagsfraktion hervor.

Solch einen Mangel an Problembewusstsein dürfen sich die Politiker und Spitzenbeamten nun also konsequenzlos leisten? Sind Justiz und Verfassungsschutz bei Menschen, die sich so leichtgläubig durch die Welt bewegen, wirklich in den besten Händen? Bei der niedersächsischen Polizei ist WhatsApp auf den Diensthandys längst verboten, nur beim Staatssekretär halt nicht.

Gleichzeitig hat das niedersächsische Kultusministerium den Lehrern im Lande die WhatsApp-Nutzung aus Datenschutzgründen verboten. Vielleicht hätten die Spitzen dieses Hauses den Kollegen am Kabinettstisch mal eine kleine Beratung über vermeidbare Fehltritte in der digitalen Welt anbieten sollen.

Können Sie sich eigentlich noch erinnern, wie sich dieses Land einst empört hatte, weil die NSA die Kommunikationsdaten deutscher Politiker ausgeforscht hatte? Muss das lange her sein.

Der Beitrag erschien auch hier auf sichtplatz.de

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Leserpost

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Oskar Kaufmann / 22.02.2019

Da Sie es ansprechen Herr Grimm; Ich bin wohl einer der wenigen, die “WasAffe” nicht nutzen. Geht wohl auch ohne “Wischkästla” (Schmarrnfon) nicht. Zur Sache: Das Problem liegt wohl zwischen den Ohren der Anwender. Jeder Nachgeordnete, der dieses Gedöns dienstlich nutzt, kriegt ernstliche Probleme. Aber die “Häuptlinge” natürlich nicht. Daher auch die Neigung von Behördenmitarbeitern, den politischen “Herren und Meistern” (oh, sorry, nicht gegendert), nicht alles zu offenbaren.

Detlef Dechant / 22.02.2019

Seit eine Bundeskanzlerin noch 2013 in einer Rede das Internet als “Neuland” bezeichnete, hat man in der Cdu scheinbar nichts dazugelernt. Man ist da wahrscheinlich immer noch auf Irrfahrt in fremden Gewässern unterwegs und hofft auf neue Entdeckungen!

Gerhard Maus / 22.02.2019

Ein klarer Fall für den Landesdatenschutzbeauftragten. Ach nee - da gibt es ja die automatische Beißhemmung ...

Karla Kuhn / 22.02.2019

“Eine Justizministerin wusste bei der Nutzung von WhatsApp nicht, welche Zugriffe sie erlaubt? Und ihre vier Staatssekretäre auch nicht? Lesen die die Geschäftsbedingungen nicht, denen sie zustimmen? Können manche Verantwortungsträger nicht verantwortlich mit Daten umgehen?”  Na dann Prost Mahlzeit für die künftige Digitalisierung, falls sie überhaupt kommt.  “Können Sie sich eigentlich noch erinnern, wie sich dieses Land einst empört hatte, weil die NSA die Kommunikationsdaten deutscher Politiker ausgeforscht hatte? Muss das lange her sein.”  Eine herrliche “Posse.”  Ich jedenfalls werde auf meiner neuen Gesundheitskarte KEINEN Datenverkehr zwichen den Ärzten und Apothekern zulassen, ich habe das RECHT zu widersprechen und werde es selbstverständlich ausüben !!  Wenn ein zwanzigjähriger junger Mann KEINE Mühe hat die Daten von vielen Politikern zu knacken und auch noch zu veröffentlichen, kann ich mi lebhaft vorstellen, WAS mit den persönlichen GESUNDHEITSDATEN der Krankenversicherten passieren kann.

Fritz Klein / 22.02.2019

Nachvollziehbar. Was war nochmal gleich die persönliche Mindestqualifikation für eine Tätigkeit als Minister oder Staatssekretär? Um in Deutschland jemand Anderem auch nur die Haare schneiden zu dürfen, sind drei Jahre Ausbildung und eine Prüfung erforderlich…

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