Gastautor / 09.04.2025 / 12:00 / Foto: Montage achgut.com / 14 / Seite ausdrucken

Das Zollbeben: Wie Trump die Weltwirtschaft neu ordnen will

Von Thomas Kolbe.

Ein Beben durchzieht die Welt der Zahlen, ein Vorbote der neuen Zeit: Die merkantilistische Volte der Vereinigten Staaten durchschüttelt die eingespielte Choreografie der globalen Märkte – eine Neuordnung des Handels zeichnet sich ab.

Machtpolitik ist Defensivpolitik. Dominante politische Körper flüchten sich in ihre Arme, wenn es für sie eng wird. Die USA sind der Hegemon unserer Zeit, und sie weichen nicht länger vor ihren Problemen in den rhetorischen Nebel der Moralerzählungen aus, jetzt packen sie an! Mit dem Zollvorstoß adressiert Präsident Donald Trump das Problem, das die Nation seit den Tagen des Endes des Goldstandards im Jahr 1971 vor sich herschob: der aufreißende Hiatus aus Fiskaldebakel und Handelsdefizit. Seit der Bretton Woods Konferenz 1944 zeichneten die USA verantwortlich für die Weltreservewährung – mit allen positiven, aber auch negativen Konsequenzen. Im Maschinenraum der Globalökonomie ist der Dollar seither das Schmiermittel – und die USA versorgen Banken und Schuldner, indem sie ein chronisch wachsendes Handelsbilanzdefizit zuließen, bis zum 2. April 2025, dem zum „Liberation Day“ ausgerufenen Tag der großen Wende.

Die Trump-Regierung hat sich den Kampf gegen dieses Doppeldefizit nicht erst vor wenigen Tagen auf ihre Fahne geschrieben. Wer der Trump-Kampagne seit 2023 folgte, konnte antizipieren, was nun ansteht: eine neue Handelsordnung, mit den USA als Ordner der internationalen Lieferketten. Und dies geschieht mit maximaler Radikalität. Aggressive Zölle, ein schwächerer Dollar, sinkende Zinsen, Steuersenkungen und Deregulierung sind die Vektoren der US-Regierung in ihrem Kampf gegen einen Feind, der die Gesellschaft wie eine schleichende Vergiftung durchdrungen hat: die Verschuldung. Sie ist Ausdruck einer hohen Zeitpräferenz, des Wunsches, über Dinge ohne größere Anstrengung zu verfügen. Wer die Weltreservewährung innehat, verbilligt seinen importierten Konsum, da die Nachfrage nach dieser Devise grenzenlos scheint. 

Und diese Vergiftung hält Politik und große Teile des privaten Sektors gleichermaßen im Würgegriff. Hinter dem Vorhang aus Zollhammer und aggressiver Rhetorik schimmert eine tiefere Sehnsucht hervor: eine wieder aufblühende heimische Industrie, die Rückkehr nationaler Schöpfungskraft, ein Wandel vom Konsumrausch zum Unternehmergeist. Es geht um nichts geringeres als die Wiederbelebung des amerikanischen Spirits des „Do it Yourself“. Der wurde seit Nixons versteckter Staatspleite von 1971, dem besagten Ende der Gold-Konvertibilität des Dollar zum gesetzten Kurs, outgesourct. Zurück blieben Industrieruinen und soziale Krisen. Der „Rust Belt“, die Region, die am meisten unter diesem Politikregime litt, ist der formgewordene Albtraum, der einfach nicht zum Ende kommen will. 

Doch wie gut hat die US-Regierung die Reaktionsmuster ihrer Handelspartner antizipiert, wie präzise hat sie Zweitrundeneffekte einkalkuliert? Der Zollschritt, der exakt auf die jeweiligen nationalen Handelsdefizite der US-Wirtschaft abgestimmt ist, wird einen gewaltigen Impakt an den Märkten haben. Die Börse verkaufte zunächst ab, könnte sich aber schon bald wieder fangen, nachdem nun das Damoklesschwert „Zoll“ herabgesaust ist. Wie reagieren US-Dollar und Anleihenmärkte auf diese massive Verwerfung des Status quo? 

Zur Not mit der Brechstange

Nach Turbulenzen und hoher Volatilität dürfte man zur Tagesordnung übergehen und sich der Kreditrisiken andernorts bewusst werden, beispielsweise in der Eurozone. Hier reagierte man zunächst trotzig: Während der französische Präsident Emmanuel Macron europäische Unternehmen auffordert, ihre Investitionen in den USA zunächst auf Eis zu legen, deuten erste Stimmen aus Brüssel an, sich die amerikanischen Tech-Konzerne regulatorisch vor die (schwächliche) Brust zu nehmen. Vor allem auf Elon Musks „X“ hat man es abgesehen. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt und die Zensurbemühungen der Europäer, die an der Plattform bislang wirkungslos abprallten, ins Kalkül nimmt.

Derweil gehen die Amerikaner in die Offensive und kündigen massive Steuersenkungen an. Es geht um eine zügige Re-Industrialisierung des Landes, um Jobaufbau im Privatsektor, der die Entlassungswelle Zehntausender aus der überbordenden Staatsbürokratie (ein Problem, das man in der EU nach wie vor nicht adressiert) auffangen soll. Flankierend wird der Energiesektor dereguliert, was den amerikanischen Betrieben des Fertigungssektors messbare komparative Kostenvorteile gegenüber ihrer europäischen Konkurrenz sichern wird. 

So soll das Handelsdefizit beseitigt werden, das im vergangenen Jahr auf sage und schreibe 794 Milliarden Dollar anschwoll. Dass die Märkte die Zollkeule nicht antizipierten, ist bemerkenswert, machte Donald Trump doch nie ein Hehl aus seinen Plänen, diese zur Not mit der Brechstange aus der Welt zu schaffen. Immer wieder betonte Trump, man ließe sich nicht länger über den Tisch ziehen und auszehren. Und er wies dabei mehr als einmal in Richtung Brüssel. Schlüsselsektoren wie die Automobilindustrie (das wird Deutschland hart treffen), die Halbleiterbranche oder auch KI-Datencenter sollen künftig unter der Flagge „Made in the USA“ ein famoses Comeback erleben. 

Neuordnung der globalen Ökonomie

Diese Politik ist national ausgerichtet, und sie könnte in der Tat wirken. Aber sie bringt Kollateralschäden mit sich. Es ist nicht nur der erschwerte Preiswettbewerb, dem sich künftig ausländische Unternehmen auf dem US-Markt gegenübersehen. Ein schrumpfendes Handelsdefizit der USA wird sich massiv auf den internationalen Kapitalmarkt auswirken. Dort entstand seit dem Ende des 2. Weltkriegs ein Dollar-denominierter Kreditmarkt, der sogenannte „Eurodollarmarkt“. 

Er ist die große Unbekannte bei dem Rennen um günstigen Dollarkredit, der nach wie vor als Weltreservewährung mit einem Anteil von über 50 Prozent den Kreditmechanismus der globalen Wirtschaft dominiert. Selbst die forcierte Abkehr Chinas oder das im Rahmen der Sanktionspolitik erzwungene Ausscheiden Russlands aus dem Zahlungssystem SWIFT konnten diese Dominanz nicht brechen. Wie werden internationale Banken auf das langsame Austrocknen dieses Liquiditätsflusses reagieren? Wie werden sich Staaten refinanzieren, die für ihren Schuldendienst neuen US-Dollar-Kredit beanspruchen? Wir stehen vor einer Zeit extremer Spannungen im Kreditgebälk. 

Klar ist: Sollte es der US-Regierung gelingen, das Handelsdefizit zu reduzieren, wird Dollar-Kredit teurer. Fiskalische Spielräume schrumpfen dann zusammen wie Eis in der Sonne, und die Federal Reserve gewinnt neue Preissetzungsmacht über ihr Produkt: den Dollar-Kredit. Ist dieser Prozess einmal in Gang gesetzt, erleben wir tatsächlich, was Donald Trump mit seinem „Liberation Day“ erreichen wollte: eine Neuordnung der globalen Ökonomie.

 

Thomas Kolbe, Jahrgang 1978 aus Neuss, ist studierter Volkswirt. Seit über 25 Jahren arbeitet er als freiberuflicher Autor sowie als Medienmacher für Kunden aus verschiedenen Branchen und Wirtschaftsverbänden. Als freier Publizist widmet er sich schwerpunktmäßig ökonomischen Prozessen und beobachtet geopolitische Ereignisse aus dem Blickwinkel der Kapitalmärkte. Seine Publikationen folgen den Prinzipien libertären Denkens und einer Philosophie, die das Individuum und seine Selbstbestimmungsrechte in den Mittelpunkt rückt.

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dr. gerhard giesemann / 09.04.2025

Eine transatlantische Freihandelszone wäre besser, also Europa und die Amerikas – beide. In Trump we trust, the others pay tariffs. DE ist vor allen durch seine Mittellage verwundbar, das war immer schon so und die wechselhafte Geschichte des Landes zeigt das: Alle sind hier gewesen und haben rumgesaut, zur Zeit sind das die Söhne Allahs. Dass diese Mittellage auch Vorteile hat, das zeigt die wirtschaftliche Entwicklung von DE nach 1945. Verteidigbar ist DE nicht, das wäre illusionär. Wenn uns die direkten Nachbarn nicht die Zumutung des Islam vom Leibe halten, dann geht nichts mehr. Was hilft wäre, kein Geld für den Zuzug, konsequent. Wir müssen es ja nicht auf die Spitze treiben, oder? Solange sich die Slawerey mit der Russerey prügelt, haben wir wenigstens vor denen Ruhe, im Westen eh nichts Neues. Eigentlich recht gemütlich, wenn wir es nicht wieder selbst verhunzen. Die Neue Seidenstraße endet im Duisburger Binnenhafen, ideal. Da geht was. Usw.

Sam Lowry / 09.04.2025

Und wie von Geisterhand erholt sich die Börse wieder… heute jagt ja ein Witz den anderen… lol

Arthur Sonnenschein / 09.04.2025

Trump will bessere Handelsbedingungen für die USA erzwingen. Einige US-Schlüsselindustrien werden deshalb sukzessive Kapazitäten in die USA zurückverlagern, aber nicht annähernd genug um das Defizit zu verringern und auf Kosten der Konsumenten, die massiv steigende Preise für viele Produkte sehen und das an der Wahlurne im nächsten Jahr quittieren werden. Nur die Abschaffung der Einkommenssteuer würde den Effekt erzeugen, den er sich vorstellt, weil die USA damit auf einen Schlag jeden Amerikaner besser stellen können als die Bürger anderer Staaten und zum attraktivsten Wirtschaftsstandort weltweit würden.

B. Michalski / 09.04.2025

Wow, viele erlesene Vokabeln und ein Hauch von akademischer Weihe. Leider nicht wirklich überzeugend. Der Niedergang der US-Industrie und der Verlust von Millionen Arbeitsplätzen beruht nicht auf Nixon und Währungspolitik, sondern auf der Globalisierung seit der “Jahrtausendwende”, um auch mal eine aufregende Vokabel zu benutzen, und dem Hofieren Chinas. Wie eigentlich nicht sonderlich schwer zu erkennen ist und wie man am deutschen Beispiel ebenfalls nachvollziehen kann, ohne dass der Euro als Reservewährung insoweit eine Rolle spielen würde. +++ Auch die Vorstellung, es sei die Pflicht Amerikas, die Welt irgendwie mit Dollar zu überschütten, damit die Welt in Dollar handeln kann, ist himmelschreiend, nachdem Unmengen von Reserve-Währungs-Dollars rund um die Welt in irgendwelchen Konten vor sich hin lagern. Die “Geldmenge”, die insoweit verfügbar ist, dürfte wohl kaum plötzliche Engpässe für unternehmerisches Agieren zulassen. Abgesehen davon, kann Geld für Investitionen jederzeit aus dem Nichts geschaffen werden, sozusagen. Das machen Kreditgeber jeden Tag. Aber was weiß ich schon, ich habe ja keine Volkswirtschaft studiert. LOL

Franz Klar / 09.04.2025

Wer dem Zollhauptmeister durchdachtes Handeln unterstellt , kann nicht zutreffend analysieren.

Holger Chavez / 09.04.2025

betr.: Eurodollarmarkt: “Wie werden internationale Banken auf das langsame Austrocknen dieses Liquiditätsflusses reagieren? Wie werden sich Staaten refinanzieren, die für ihren Schuldendienst neuen US-Dollar-Kredit beanspruchen?” Versteh ich nicht. Die USA werden weniger Kredit nachfragen. Wie wirkt sich das auf den Eurodollarmarkt aus?

dr. gerhard giesemann / 09.04.2025

Das Spiel ist nicht ganz neu: Ich erinnere an 2008, als die CDS (“Massenvernichtungswaffen” nach Warren Buffet) plötzlich wertlos wurden und alles zusammen brach. Nur weil Clinton jedem Bulettenwender bei McDo ein Häuschen beschaffen wollte - auf Kredit natürlich, den der niemals zurück zahlen konnte. Die übrige Welt sollte das denen bezahlen - ein gigantischer Raubzug. Etwas Ähnliches läuft derzeit.

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