Man müsse sauber differenzieren, verbreitete Dunja Hayali auf Twitter, der Ruf „Tod den Juden“, sei Volksverhetzung, so etwas schließe „direkt an den Holocaust an“. Bei „Tod Israel“ sei es nicht so. Ein Fall von koscherem Antisemitismus?
Alles, was es über Dunja Hayali, die charismatische Moderatorin der Mainzer Anstalt, zu sagen gibt, ist bereits gesagt worden. Vor fast fünf Jahren berichtete ZAPP, das Medienmagazin des NDR, über Hayalis zahlreiche Nebentätigkeiten als Event-Moderatorin für die Deutsche Automatenwirtschaft, den Pharma-Konzern Novartis, BMW, die Kreissparkasse Esslingen-Nürtingen, den Deutschen Beamtenbund, die Deutsche Stahlindustrie und die Amazon Academy. Solche „Engagements“, erklärte sie damals, seien aus ihrer Sicht „unproblematisch“. „Ich schaue mir diese Unternehmen ganz genau an. Ich rede immer über die Dinge, die in den Branchen nicht besonders gut laufen.“ Egal wer sie bezahle, das ZDF oder jemand anders, es würde an ihrer Arbeit als „kritische Journalistin“ nichts ändern.
Unvergessen auch ihr medial kommuniziertes Aufbrausen gegen einen DHL-Paketboten, der es gewagt hatte, einen Benachrichtigungsschein in ihren Briefkasten zu werfen, statt das Paket vor ihre Tür zu legen.
Und erst kürzlich, nachdem ein islamisch-antisemitischer Mob in den „befreiten Gebieten“ von Groß-Berlin demonstriert und dabei „Tod den Juden“ und „Tod Israel“ gerufen hatte, bewies Dunja Hayali, dass sie auch von Antisemitismus etwas versteht. Man müsse sauber differenzieren, verbreitete sie auf Twitter, der Ruf „Tod den Juden“, sei Volksverhetzung, so etwas schließe „direkt an den Holocaust an“. Bei „Tod Israel“ sei es nicht so. „Äußerungen gegen einen Staat ohne direkten Aufruf zur Gewalt sind nicht strafbar.“ Wer es genauer wissen möchte, sollte „einen Juristen“ fragen, „der kann… das besser erklären, als ich“. Ein Fall von koscherem Antisemitismus?
Nicht einmal die überqualifizierte Dunja Hayali kann alles erklären, aber sie versucht es immer wieder, um ihrer Rolle als „kritische Journalistin“ gerecht zu werden. So kritisch, dass sie sich sogar eine Umsetzung der Parole „Tod Israel“ vorstellen kann „ohne direkten Aufruf zur Gewalt“, vielleicht als eine Art sanitäre Maßnahme zur Wiederherstellung der Volksgesundheit im Nahen Osten. Auch die iranischen Mullahs meinen, der Staat Israel sei „ein Krebsgeschwür“, das entfernt werden müsse, natürlich absolut gewaltfrei.
Eine ZDF-Zuschauerin fand das alles ziemlich hanebüchen und wandte sich, statt an einen Juristen, gleich an die Führungsebene des ZDF mit der Bitte, Dunja Hayali wieder einzufangen.
Die Antwort kam umgehend. Ich gebe sie im Wortlaut wieder.
Sehr geehrte Frau XYZ,
vielen Dank für Ihre Mail vom 12. April 2023, in der Sie einen Post auf dem privaten Twitter-Account von Dunja Hayali ansprechen. Gerne möchte ich Ihnen hiermit antworten.
Sie kritisieren einen Beitrag von Frau Hayali zu einer Pro-Palästina-Demo in Berlin vom Ostersonntag. Sie schreiben, mit dem Post sei „jede rote Linie überschritten“ und fordern eine „Zurücknahme dieser Ungeheuerlichkeit“. Ihre Organisation behalte sich entsprechende Schritte wegen der „als Volksverhetzung zu betrachtende(n) Stellungnahme“ vor.
Lassen Sie mich klarstellen, dass es sich hier ganz offensichtlich um ein Missverständnis handelt. Frau Hayali hat in einem ersten Post zum Thema die antisemitischen und antiisraelischen Sprechchöre klar verurteilt. So postete sie am 11. April unter anderem:
„Liebe @polizeiberlin, wir sind uns sicher einig, dass das, was da gerufen wurde, nichts mehr mit einer zulässigen Kritik an der israelischen Regierung zu tun hat, wenn man versteht, was die Menschen dort rufen.“ https://twitter.com/dunjahayali/status/1645718325937201154?s=20
Im von Ihnen kritisierten Post bezog sich Frau Hayali auf die juristische Definition, wann der Straftatbestand der Volksverhetzung erfüllt ist. Sie problematisiere, dass Äußerungen gegen einen Staat nicht notwendigerweise strafbar sind. Sie selber äußerte jedoch eindeutig, dass sie die Äußerungen auf der Demo „widerlich“ finde.
In einem weiteren Post stellte Frau Hayali unter anderem klar:
„Für mich sind beide Aussagen („T*d den Juden/ T*d Israel“) antisemitisch und widerlich. Keine Toleranz! Ich habe lediglich auf den Unterschied zw einer formaljuristischen und einer moralischen Bewertung bei Volksverhetzung hingewiesen!“
https://twitter.com/dunjahayali/status/1646142450904252418?s=20
Auch, wenn der angesprochene Fall nicht das Programm des ZDF betrifft, möchte ich unterstreichen: Als öffentlich-rechtlicher Sender sieht das ZDF eine besondere Verantwortung, antisemitische Phänomene und Entwicklungen der Gegenwart vor Augen zu führen und die Erinnerung an die Geschichte wachzuhalten. Das ZDF steht dazu in regem Austausch mit den jüdischen Organisationen in Deutschland.
Ich danke Ihnen… für die kritischen Anmerkungen. In der Hoffnung, Ihre Bedenken mit meinen Ausführungen ausgeräumt zu haben, freue ich mich, wenn Sie dem ZDF-Programm auch weiterhin als interessierte und durchaus kritische Zuschauerin erhalten bleiben.
Mit freundlichen Grüßen
Bettina Schausten, Chefredakteurin
Alles nur ein Missverständnis, das sich aus dem Versuch ergab, auf den Unterschied zw einer formaljuristischen und einer moralischen Bewertung bei Volksverhetzung hinzuweisen?
Nein. Die beiden Tweets, die Frau Schausten zitiert, wurden von Frau Hayali nachgelegt, als die Kacke schon am Dampfen war, eine retroaktive Maßnahme zur vorsorglichen Entlastung.
Offen bleibt die Frage, was Dunja Hayali überhaupt dazu brachte, über formaljuristische und moralische Aspekte bei Volksverhetzung zu fabulieren. Gibt es zu diesem Thema einen Mangel an juristischer Fachliteratur? Hat die Welt darauf gewartet, dass endlich jemand den Unterschied zw einer formaljuristischen und einer moralischen Bewertung bei Volksverhetzung definiert? Am besten eine Person, die einen Paketboten zusammenfaltet, der es eilig hat? Ist es intellektuelle Anmaßung, professionelle Hochstapelei, ein kurzer Ausfall des kognitiven Systems? Was ist an den zwei Worten „Tod Israel“ so unklar, dass man/frau es hinterfragen muss?
Ein wenig ratlos, wandte ich mich an den Antisemitismus-Beauftragten der Bundesregierung, Dr. Felix Klein, und fragte ihn, ob er diese Geschichte mitbekommen und eine Stellungnahme abgegeben hätte. Und ob es beim ZDF einen „Antisemitismus-Beauftragten“ gäbe.
Dr. Klein antwortete: „Lieber Herr Broder, ja, ich habe das mitbekommen, aber nicht öffentlich kommentiert. Beim ZDF gibt es keinen Antisemitismusbeauftragten. Ich war im letzten Jahr dort und habe ein Gespräch mit Mitgliedern der politischen Redaktion über Antisemitismus und die Berichterstattung über Israel geführt. Frau Hayali war nicht dabei, aber Frau Schausten.“
Es gibt in Deutschland mindestens zwei Dutzend Antisemitismus-Beauftragte, bei den Kommunen, in den Ländern und beim Bund. Allein in Berlin sind fünf unterwegs. Nur wenn man mal wirklich einen braucht, ist keiner da.