Henryk M. Broder / 06.01.2019 / 16:15 / Foto: Jody Lee Smith / 48 / Seite ausdrucken

Das ZDF und die faktenbasierte Berichterstattung

Bei aller Kritik am ZDF muss man dem Mainzer Metropolen-Sender zugutehalten, dass er mit seinen Ressourcen optimal umgeht – wie ein Gaststättenbesitzer, der mittags Kalbsragout anbietet, das am Abend als Geschnetzeltes nach Zürcher Art recycelt wird, um am nächsten Tag als kreolisches Kalbfleisch mit Ananas, Zwiebeln, Ingwer und Knoblauch wiederbelebt zu werden. 

Am Freitag war der von einem Unbekannten verursachte "Datenklau" das Thema des Tages, dem "Politiker, Prominente und Journalisten", also ganz normale Menschen, zum Opfer gefallen waren. Hier, hier und auch hier. Und jedes Mal kam eine – wie soll ich es höflich sagen – wenig vorteilhaft ins Bild gesetzte Frau zu Wort, die mal als "Sprecherin Chaos Computer Club", mal als "Autorin netzpolitik.org" vorgestellt wurde. Allerdings gab sie immer dieselben Sätze von sich.

"Zum einen fällt sehr auf, welche Politiker fehlen, das sind die der AfD, aber man sieht auch bei den Prominenten, dass die Art der Daten und auch die Vielfalt der Daten sehr unterschiedlich sind, aber alle Prominente haben sich sehr deutlich gegen Rechts ausgesprochen..."

Die "Computerexpertin" sei "vertraut mit den unterschiedlichen Milieus der Hacker-Szene", sagt eine Stimme aus dem Off, dann ist die Expertin für Computer und Vielfalt der Daten wieder dran.

"Man merkt auch in den teilweise kommentierten, so strukturierten Daten, dass dort Begriffe verwendet werden, die ganz klar zum rechten Milieu gehören, niemand sozusagen würde sonst 'links-grün versifft' schreiben..."

Die eiskalten Händchen nicht schmutzig machen

Das ist eine Beweisführung, die sozusagen auf Anhieb überzeugt. Die "Computerexpertin" hat in Windeseile alle 1.000 geknackten Accounts durchgesehen und dabei festgestellt, dass alle Prominente sich sehr deutlich gegen Rechts ausgesprochen haben. Alle. Und dass "dort" Begriffe verwendet werden, die nur von Rechten verwendet werden, wie zum Beispiel "links-grün versifft". Womit rein theoretisch auch das ZDF gemeint sein könnte.

Was in der zivilisierten Welt als "Verdachtsberichterstattung" gilt, ist beim ZDF Standard. Wobei "das Haus" sich nur insofern die eiskalten Händchen schmutzig macht, als es "Experten" beziehungsweise "Expertinnen" das sagen lässt, was dem Zuschauer vermittelt werden soll. Freilich: Wenn Michael Lüders, der über das "ägyptische Kino" promoviert hat und sich auf seiner Homepage "Medien, Regierungen und Verbänden" als Nahostberater andient, bei Lanz als unabhängiger "Politik- und Islamwissenschaftler" vorgestellt wird, dann kann auch eine "Sprecherin" des Chaos Computer Clubs beziehungsweise "Autorin" bei netzpolitik.org, der das Shampoo ausgegangen ist, darüber dozieren, zu wessen Wortschatz der Begriff "links-grün versifft" gehört. 

Das ist faktenbasierte Berichterstattung, die nur in einem Umfeld gedeihen kann, in dem "Handkäs mit Musik" als Delikatesse gilt. Irgendwie, sozusagen.

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Leserpost

netiquette:

Sophia Kopp / 06.01.2019

Herr Broder beschreibt was ich ebenso dachte. Wenn unsere öffentlich rechtlichen wenig beherrschen, eines aber beherrschen sie, Framing. Wer nicht weiß was das ist, kann es sich in Dr. D. Ganzer Schweiz erklären lassen.

Dr. med. Christian Rapp / 06.01.2019

Die Frage, ob von der Linken gehackt wurde unter Nutzung sog. typisch rechtspopulistischen Sprachgebrauchs kommt niemandem in den Sinn. Vielleicht sind die Computerexperten ja Ursache und nicht Analysten ?

S.Niemeyer / 06.01.2019

Cicero Magazin Januar lässt M. Lüders sein krudes Feindbild USA + Israel verbreiten, als Titelstory. Zu Relotius-Beiträgen bisher nur ein sparsamer Satz. Oi oi oi!

E. Thielsch / 06.01.2019

In der Tat: Auch ich, als Chemiker, verbitte mir, ‘Experte’ genannt zu werden. Dieser Begriff mutierte durch seine freigiebige Verwendung im Propaganda-Milieu bei echten Fachleuten zu einem herabsetzenden Schimpfwort: “Du Experte!”

Frank Volkmar / 06.01.2019

Würde Inspector Clouseau noch leben, hätte man ihn vermutlich auch in seinen diversen Verkleidungen als Experten für “Diverses” präsentiert. Das hätte wenigstens noch Unterhaltungswert. Ich kann mit diesen Sendern nichts mehr anfangen.

Dolores Melber / 06.01.2019

Lieber Herr Broder, Bin, wie meistens, völlig Ihrer Meinung. Allerdings: Handkäs mit Musik ist eine Delikatesse, auch wenn sie gelegentlich von Schwachmaten goutiert wird, bitte schön!

Andreas Spata / 06.01.2019

Danke Herr Broder, dass Sie den mutmaßlichen Islamwissenschaftler Michael Lüders mal als schlechtes Beispiel für sachkundige Aussagen zum Islam gewählt haben. Ich kann mich nicht erinnern in den letzten drei Jahren einen promovierten oder gar habilitierten Islamwissenschaftler in einer Sendung von ARD oder ZDF gesehen zu haben. Woran liegt das bloss, scheut man den Faktencheck oder traut sich niemand, der nichts mehr als das Leben zu verlieren hat?

Gabriele Kremmel / 06.01.2019

Wie weit hergeholt und unseriös das auch immer sein mag, der Impuls ist erst einmal gesetzt und der Verdacht bei den Zusehern geweckt. Es wurde ja nicht behauptet, dass die AfD oder Rechte damit etwas zu tun haben, sondern nur darauf aufmerksam gemacht, was auffällt. Den Rest soll sich der Zuschauer selber denken, und die meisten tun das auch. Den Zuschauer selbst drauf kommen lassen - das wirkt noch nachhaltiger als eine falsche Behauptung. Wieder ein Punkt im Kampf gegen die AfD und wieder ein weiterer Propagandaerfolg.

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