Henryk M. Broder / 04.04.2016 / 17:15 / Foto: Jan Hagelskamp / 3 / Seite ausdrucken

Das ZDF ist eine satirische Anstalt

Hurra, wir haben einen neuen Helden! Er heißt Jan Böhmermann, ist 35 Jahre alt und arbeitet als „Satiriker“ für das ZDF. Was man eigentlich nicht betonen müsste, denn das ganze ZDF ist, mit Ausnahme der „heute-show“, eine satirische Veranstaltung. Von der Kultursendung „aspekte“ bis hin zum heute-journal, wo es dem Moderator schon mal passiert, dass er vor lauter Rührung über sich selbst in Tränen ausbricht.

Böhmermann ist nun ins Gerede gekommen, weil er in einem Programm, das von so vielen Menschen gesehen wird, wie in das Stadion des 1. FC Gummersbach reinpassen, ein „Schmähgedicht“ auf den türkischen Präsidenten Erdogan vorgetragen hat. Das wäre, für sich genommen, schon mal ein Grund „Bravo, Böhmermann!“ zu rufen, denn der türkische Präsident ist eine Witzfigur, die geradezu danach schreit, durch einen extra dicken Kakao gezogen zu werden.

Jeder seiner Auftritte ist eine Lachnummer, über die man sich schlapp lachen könnte, wenn ihn ein Komiker wie Eddie Murphy oder Jim Carrey spielen würde. Leider aber ist Erdogan nicht nur ein Komiker wider Willen, sondern auch ein Despot aus Überzeugung. Er regiert sein Land mit eiserner Faust, lässt Oppositionelle einsperren und Demonstranten zusammenschlagen. So einen kann man nicht toppen, indem man ihm ein Gedicht aus der Abtei-lung „Frau Wirtin hatte einen...“ auf den Leib schreibt, in dem sich „voll und ganz“ auf „kleiner Schwanz“ reimt. Mario Barth kann es besser.

Aber auch das würde sich rasch und unbemerkt versenden, wenn das ZDF den Erdogan-Spot nicht zuerst gesendet und keine 24 Stunden später aus der Mediathek entfernt hätte – noch bevor sich der türkische Präsident beschweren konnte. Mit einer irre witzigen Begründung. Die Parodie entspreche „nicht den Ansprüchen, die das ZDF an die Qualität von Satire-sendungen stellt“. Auch Böhmermann habe der Löschung zugestimmt.

Damit hat das ZDF alle Ansprüche, die an eine Satire gestellt werden können, weit übertroffen. Das hatte schon DDR-Format, es fehlte nur, dass Böhmermann „Selbstkritik“ übt und um seine Versetzung an ein Nudisten-Lager in der Sächsischen Schweiz bittet.

Nun wird beim ZDF überlegt, wie man solche Pannen demnächst verhindern könnte.

Wie wäre es damit: Man legt alles, was mit Erdogan zu tun hat, dem türkischen Botschafter in Berlin vor. Und zwar vor der Sendung.

Zuerst erschienen in der BILD-Zeitung vom 4.4.2016

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Leserpost

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Wolfgang Richter / 06.04.2016

Und wir sollten bei der Gelegenheit einmal unserer Regierung dankenm wozu es vor allem in letzter Zeit eher selten Grund gibt. Unsere Kanzlerin hat das Versenken der als Satire aufgemachten Schmähung des Herrn Erdogan begrüßt, um Schaden vom Herrn Böhmermann abzuwenden, denn dieser hat sich der Gefahr ausgesetzt, wegen der Beleidigung eines ausländischen Staatschefs hier strafrechtlich belangt zu werden, was ihm gerichtlich verordnet den zwangsweisen Genuß staatlichen Bed-&-Breakfast-Services hätte einbringen können. Also gerade noch mal gut gegangen, hoffentlich, und nicht zu verwechseln mit einer staatlichen Zensurmaßnahme. So ist das halt mit den Grenzen der Meinungsfreiheit und dem was mancher für Satire hält und ein anderer halt nicht. Seien wir gespannt, welche Werke aus Kunst oder Medien demnächst aus dem Verkehr gezogen werden, weil Hochrangige sich “geschmäht” fühlen, Kandidaten gibt es ja reichlich auf den Herrschersesseln dieses Planeten, aktuelle wie wollende.

Uwe Dippel / 05.04.2016

Sehr geehrter Herr Broder, nicht ganz einverstanden mit Ihnen: Die Heute-Show war mal ganz großartig, ist letztlich allerdings ziemlich staatstragend-treu verkommen. Also nicht einmal mehr die Heute-Show rechtfertigt ein in eine Öffentlich-Rechtliche *Anstalt* gesetztes Vertrauen. Also, ich habe diese sogenannte Satire gesehen, It is as funny as a cry for help - so heißt es bei W.C. Fields. Dennoch: Nun ist es nicht mal mehr das, sondern unter die Zensur gefallen. Auch in der Mediathek verschwunden. Also doch Zensur, denn wie feige ist es, dass das ZDF nicht einmal zu seinem eigenen, wenn auch beknackten, Beitrag stehen kann?

Vanine Yeghiazaryan / 05.04.2016

Sehr geehrter Herr Broder, Ich bin eben auf diesen Artikel gestoßen. Er ist meiner Ansicht nach der beste deutschsprachige Beitrag zu den Hintergründen des aktuellen Krieges im armenischen Berg-Karabach. Ich möchte Sie bitten ihn auf achgut.com mit Ihren Lesern zu teilen. http://www.n-tv.de/politik/politik_person_der_woche/Erdogans-kriegsluesterner-Doppelgaenger-article17391531.html Ich möchte die Gelegenheit nutzen und Ihnen mitteilen, dass ich ein großer Fan von Ihnen bin :) Mit freundlichen Grüßen Vanine Yeghiazaryan.

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