Das Wörterbuch zum Merkel-Gedächtnistag

Das Fass scheint übergelaufen zu sein. Die Rückmeldungen, die die Parlamentarier der CDU-CSU auf die neuerlichen Beschlüsse vom Volke erhalten haben, müssen verheerend gewesen sein.

Die „Entschuldigung", die Angela-Merkel heute dem staunenden Volk präsentierte, erfolgt nicht aus freien Stücken. Es geht wohl eher darum, das Heft des Handelns in der Hand zu behalten. Bemerkenswert waren bei ihren Einlassungen mehrere Aspekte.

Zunächst einmal legte sie Wert darauf, alleine verantwortlich für die merkwürdige „Ruhetags-Vereinbarung" zu sein. Ist sie aber nicht. Angela Merkel hat in Sachen Corona-Maßnahmen überhaupt nichts zu entscheiden, sondern es ist alleine Sache der Ministerpräsidenten. Und es ist auch nicht ihre, sondern alleinige Sache der Ministerpräsidenten, eine Maßnahme zurückzunehmen. Dieses ganze Corona-Gipfel-Komitee ist in der Verfassung schlichtweg nicht vorgesehen, genau wie andere sogenannte Gipfel-Aufführungen und „Chefsache"-Simulationen, mit denen der Bürger hinter die Fichte geführt wird.

Außerdem fragt sich der bislang brave Untertan angesichts der heutigen Ereignisse: Wie begründet, sinnvoll und dringend können eigentlich Maßnahmen sein, die gestern beschlossen und heute wieder zurückgenommen werden? Das sieht nicht gerade nach einer Entscheidung aus, bei der es um Leben und Tod geht, sondern nach Gesichtswahrung, Formelkompromissen und politischem Geschacher. Das Virus kann offensichtlich warten, bis Frau Merkel sich politisch wieder berappelt hat. Die Kanzlerin steht plötzlich nackt da, mit all ihrer Panikmache, der Dramatisierung und den tödlichen Mutanten. Alternativlos scheinen ihre Maßnahmen jedenfalls nicht zu sein, das ist doch mal was.

Die Entwicklung nimmt damit eine Richtung an, die man am besten mit ein paar Metaphern umschreiben kann. Hier ein kleines Wörterbuch (mit Hilfe eines raschen Blickes auf Wikipedia), das hilft, die entstehende Dynamik zu verstehen.

Tipping Point

Der aus dem Englischen stammende Begriff tipping-point, (dt. Umkipp-Punkt oder Umschlagspunkt) bezeichnet einen Punkt oder Moment, an dem eine vorher geradlinige und eindeutige Entwicklung durch bestimmte Rückkopplungen abrupt abbricht, die Richtung wechselt oder stark beschleunigt wird. Im Deutschen findet der Begriff Kipppunkt oder Kippelement Verwendung. 

Ein allgemeines Beispiel ist das Zubereiten von Popcorn: Man gibt Öl in einen Topf, einige Millimeter hoch. Danach gibt man eine Handvoll Maiskörner dazu und stellt den Topf auf den Herd und erhitzt den Topf. Der Topf wird wärmer, aber es wird zuerst nichts passieren. Erst nach einigen Minuten, wenn das Öl die Temperatur von 163 Grad Celsius erreicht hat, wird das erste Maiskorn aufpoppen. Das liegt daran, dass ein Maiskorn außen eine harte und stabile Hülle hat, innen mit weicher und wasserhaltiger Stärke gefüllt ist.

Das Wasser im Inneren beginnt zu kochen und zu verdampfen und es wird Druck aufgebaut, bis die Hülle dem Druck nicht mehr standhalten kann und platzt: Nach und nach werden die Maiskörner explodieren. Erst wenige, dann immer mehr und immer schneller, bis die Temperatur von 169 Grad Celsius erreicht ist. Das hängt damit zusammen, dass nicht alle Maiskörner gleich groß sind, die Hüllen der Maiskörner nicht alle gleich dick sind usw. Aber in dem schmalen Bereich von 163 bis 169 Grad Celsius werden fast alle platzen, und der Prozess ist nicht mehr umkehrbar.

Ein weiteres Beispiel: Der Übergang vom Röhrenmonitor zum Flachbildschirm wird als tipping point bezeichnet. Innerhalb von drei Jahren ist der Marktanteil der Flachbildschirme von fünf Prozent auf 90 Prozent gestiegen. Kurz danach ist der Marktanteil von Röhrenmonitoren gegen Null gegangen. Dies könnte dem Schicksal der CDU-CSU vergleichbar sein.

Haarriss 

Harrisse sind sehr feine Risse in den Oberflächen von Festkörpern. Eine besondere Beachtung haben Haarrisse in der Technik bei der Werkstoffprüfung von Werkstücken. In der Medizin ist der Haarriss die leichteste Form des Knochenbruches.

Haarrisse sind klassische Materialfehler, die teilweise schon beim Urformen entstehen. In der Umformung und Bearbeitung entstehen sie häufig als Spannungsriss. Weiter entstehen sie aber auch als Materialermüdung oder als umgebungsbedingte Spannungsrissbildung. 

Haarrisse sind als potenziell wachsende statische Materialschwäche bei hoch belasteten Baugruppen und -teilen (z.B. Tragfläche eines Passagierflugzeuges) häufig. Besonders gefährlich sind Haarrisse, weil sie nur mit technischen Spezialprüfungen erkennbar sind, aber als plötzliche Kettenreaktion, bei normaler Belastung, unerwartet zu vollständigen Materialbrüchen führen können, die in der Folge schwere und tödliche Unfälle ergeben. 

Dominoeffekt

Als Dominoeffekt bezeichnet man eine Abfolge von – meist ähnlichen – Ereignissen, von denen jedes einzelne zugleich Ursache des folgenden ist und die alle auf ein einzelnes Anfangsereignis zurückgehen. Eine Kettenreaktion kann als Spezialfall des Dominoeffekts angesehen werden. 

Der Begriff Dominoeffekt wird seiner Anschaulichkeit wegen auch beispielsweise für soziale oder politische Prozesse verwendet, die aus einer Folge sich bedingender Ereignisse bestehen. Im Rückblick können Dominoeffekte durchaus festgestellt werden. Problematisch ist aber bei Planungen und Prognosen die nicht genau zu quantifizierende „Energiebilanz“ solcher gesellschaftlicher Prozesse und die dabei grundsätzlich unvollständige Kenntnis aller „Dominosteine“, ihrer „Position“ zueinander und damit auch die weitgehende Unvorhersagbarkeit der Vielfalt ihrer möglichen Wechselwirkungen. 

Störfall

In der deutschen Störfallverordnung  ist Dominoeffekt zugleich ein Rechtsbegriff, der eine Situation beschreibt, in welcher eines Störfalles wegen ein Eintritt weiterer Störfälle in dafür anfälligen Betrieben in der Umgebung möglich ist.

Foto: W.C. Mendenhall /U.S. Geological Survey Photographic Library via Wikimedia Commons

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T. Schneegaß / 24.03.2021

Ihre Artikel heute, Herr Maxeiner, eine einzige Sahne! Was den Störfall betrifft, habe ich gerade überlegt, ob es in der Geschichte schon mal einen Störfall gab, der fast 16 Jahre andauerte, ehe er behoben werden konnte?

U.Eckardt / 24.03.2021

Hallo Leute, hat schon mal jemand in den Kalender gesehen, Gründonnerstag ist 01.April ;klingelts? Frau BK und die MP belieben zu scherzen. Die gute Nachricht behandeln wir die Maßnahmen auch alle in diesem Sinne. Auch wenn ich mir des Galgenhumors bewußt bin.

Andreas Hartwig / 24.03.2021

Als ob diese böse Frau es interessieren würde, was im Grundgesetz vorgesehen ist. Eben kam die Meldung, dass die Regierung prüft, Auslandsreisen zu verbieten. Kenne ich noch. Wir durften aber immerhin nach Polen, Ungarn, in die ĆSSR und andere sozialistische Staaten….

Jakob Mendel / 24.03.2021

Wer Frau Merkels Politik schon länger beobachtet, wird vielleicht eher an „Nebelvorhang“ denken und Herrn Maxeiner („Es geht wohl eher darum, das Heft des Handelns in der Hand zu behalten.“) zustimmen: Im Schutz des künstlichen Nebels könnte die Abrißbirne (vgl. den heutigen Artikel, ebenfalls von Herrn Maxeiner) weiter wüten: Beschluß der EU-Schuldenunion in Bundestag und Bundesrat, Aufhebung der „Schuldenbremse“ im Grundgesetz, Anpassung des Staatsangehörigkeitsrechts im Sinne des Grünen-Wahlprogramms (ging schon beim Atomausstieg und der Landtagswahl in Baden-Württemberg 2011 schief, klappt aber vielleicht diesmal),  „einmalige“ Verlängerung der Legislaturperiode auf fünf Jahre usw. usf. – Ergo: Bilanz von 15 1/2 Jahren aufstellen, Frau Merkels Psyche berücksichtigen und aus beidem intelligente Schlüsse ziehen – Anbiederungsversuche ins Leere laufen und Haarrisse wachsen lassen, auf daß Kipp-Punkte überschritten werden, Resonanz-Katastrophen eintreten, Domino-Effekte Wirkung zeigen und _das gesamte_ Merkelsche Kartenhaus einstürzen möge.

Manfred Bühring / 24.03.2021

Merkel lässt die Ministerpräsidenten*innen wie dumme Jungs/Mädchen aussehen. Gestern noch abgekanzlert mit deren Öffnungsforderungen für Kurzurlauber zu Ostern, so dass z.B. MP von SH Daniel Günther wie ein begossener Pudel vor die Kameras treten musste. Heute die Kehrtwende, und wieder muss u.a. Daniel Günther wie ein dummer Junge der Presse den Schwank erklären. Und Laschet hat in devotem vorauseilendem Gehorsam die Entscheidung der Vorsitzenden des Zentralkomitees gelobt. Kasperletheater und absurde Vorführung eines 80 Mio-Volkes. Hoffentlich geht das endlich zuende. Aber was kommt dann? Die Grüne Verbots- und Gängelungspartei? Wir als Wähler haben die Wahl zwischen Pest und Cholera.

Ricardo Sanchis / 24.03.2021

Diese Frau hat noch nie einen Fehler zugegeben. Ein paar Beispiele: - über die von ihr verursachte massenhafte illegale Einwanderung ins Sozialsystem “Mir egal wer schuld ist, jetzt sind sie halt hier” - zum Coronachaos hinsichtlich Impfstoffe Masken Test ” im großen und Ganzen ist doch alles gut gelaufen. - dann die zig Milliarden teure unnötige doppelte Rückwärtsrolle in der Engergiepolitik - der Erpressbarkeit der EU dirch den Deal mit dem türkischen Despoten und und und….. Entschuldigung? Fehlanzeige!!! Wenn Merkel sich hier und an dieser Stelle entschuldigt sollte uns das hellhörig machen. Diese Dame wird sich zum Ende ihrer Amtszeit nicht plötzlich um 180 Grad drehen. Da steckt Kalkül hinter….ich befürchte Schlimmes.

Werner Lange / 24.03.2021

Hat unsere Kandesbunzlerin gelernt? Oder war sie ob der Reaktion nur sehr überrascht? Oder?? Nein, gelernt hat sie sicherlich nicht, sie hat nur erkannt dass sie und ihre 16 Nothelfer verkehrt in eine Einbahnstrasse eingebogen sind….. Und jetzt haben wir uns wieder lieb und freuen uns auf die letzten paar Monate mit ihr - oder sollen es doch noch gut 50 Monate werden? Hoffentlich nicht. Noch besser - wie wäre es mit dem einfachen Bekenntnis: “Leute, ich war zu lange im Amt, ich ziehe mich zurück und zähle nur noch die Schäfchen in der Uckermark!”.  Wäre das schön!

G. Böhm / 24.03.2021

Quizfrage: Wann wird der Tipping-Point erreicht werden?

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