Vera Lengsfeld / 02.09.2024 / 16:00 / Foto: Imago / 23 / Seite ausdrucken

Artikeltyp:Meinung

Das wird man in Nordhausen wohl noch sagen dürfen

An einem bemerkenswerten Abend im Nordhäuser Theater waren Gespräche möglich, wie sie heutzutage im öffentlichen Raum selten geworden sind. Daran ändern auch kleine Misstöne nichts.

Die Idee zu dieser Gesprächsreihe vom PEN Berlin war einfach großartig. Nach mehreren Veranstaltungen in sächsischen und thüringischen Städten kann man schon sagen, dass sie auch funktioniert. Dafür war der Abend im Nordhäuser Theater am 27. August ein weiterer Beweis. Nicht weil, wie die FAZ behauptete, „intellektuelle oder politische Prominenz welcher Art auch immer in die Provinz einfällt, um dort den Hauch der großen weiten Welt zu versprühen“. In Frankfurt/Main hat man immer noch nicht den Hochmut gegenüber dem Osten abgelegt. Nein, funktioniert hat es, weil jeder im Publikum zu Wort kam und angehört wurde, egal, ob es der Mehrheit passte oder nicht. Das wurde erreicht, indem der Moderator Aaron vom PEN zu Beginn die Atmosphäre lockerte, indem er Fragen stellte, die mit Handheben (Ja) oder Hand unten lassen beantwortet werden mussten. „Wer sagt heute noch Kaufhalle?“ oder „Wer vermisst Angela Merkel?“

Tatsächlich gab es in den hinteren Reihen ein paar erhobene Hände. Ob jemand schon mal „Compact“ gekauft hätte? Den meisten wird dieses Magazin erst nach Nancy Faesers gescheitertem Verbot bekannt geworden sein. Mir ist Jürgen Elsässer vor vielen Jahren aufgefallen, als er mit ein paar Gesinnungsgenossen bei den iranischen Mullahs zu Gast war. In meinen Augen hat er sich damit disqualifiziert, egal ob er damals noch zu den Linksextremisten oder schon zu den Rechtsextremisten zählte. Nach dem heiteren Start begann die Podiumsdiskussion. Leider war entgegen der Ankündigung im Theaterprogramm anstelle von Anna Schneider Nikolaus Blome erschienen. Das führte später auch zur einzigen Friktion in der Veranstaltung. Neben Blome saß Stephan Anpalagan, von dem die Welt am 5. August 2023 schrieb, dass er mit „extremer Schärfe… gegen Unionsparteien, bürgerliche Medien und Polizei“ polemisiert, „obwohl er selbst an der Polizeihochschule arbeitet“. Anpalagan hat sich auf dem Podium dann nicht mit „extremer Schärfe“ geäußert, sondern interessante Geschichten über seine Aktionen in Bezug auf Heimat, und wie man sie besser machen könnte, erzählt. Blome sprach ziemlich ausführlich über das verunglückte Heizungsgesetz.

Als die Diskussion für das Publikum geöffnet wurde, stellte sich heraus, dass für fast alle Diskutanten die Corona-Politik ein Problem war. Auch die Autorin sprach davon, dass durch die Corona-Politik ihr Vertrauen in Demokratie und Rechtsstaat abhandengekommen sei. Wiederholt wurde eine Aufarbeitung der Corona-Politik gefordert. Danach meldeten sich Stimmen, die diese Politik ohne Wenn und Aber verteidigten und bekamen Beifall von der Mehrheit. Im aktuellen Wahlkampf würde das an den Ständen der SPD keine Rolle spielen, da gäbe es vor allem Fragen nach dem öffentlichen Nahverkehr und den gestiegenen Energiepreisen.

Reizthema Corona-Aufarbeitung

Blome auf dem Podium erteilte dem Wunsch nach Aufarbeitung der Corona-Politik eine Absage. Die, die das forderten, sollten sagen, welches Ziel sie damit verfolgten. Die Mehrheit hätte die Corona-Maßnahmen unterstützt. Mit diesem Argument könnte man jede Aufarbeitung verhindern, denn z.B. hat sich die Mehrheit der DDR-Bevölkerung nicht gegen den SED-Staat aufgelehnt, trotzdem gab es eine Enquete-Kommission zur Aufarbeitung des SED-Unrechts. Anpalagan ergänzte, im Erzgebirge hätten sich die Leichen gestapelt. Dem wurde aus dem Publikum widersprochen. Das sei passiert, weil die Grenze zu Tschechien zeitweise geschlossen war und die Bestatter nicht wie üblich in die tschechischen Krematorien fahren konnten. Tatsächlich gab es laut Statistischem Bundesamt im Jahr 2020 keine Übersterblichkeit.

Die setzte erst 2021 nach Beginn der Impfungen ein. Als Anpalagan dann sagte, mit den heutigen Erkenntnissen würden einige Entscheidungen anders getroffen, wurde erwidert, dass sich aus den RKI-Protokollen keine wirklich neuen Erkenntnisse ergeben hätten. Alle Zweifel und Einwände seien bereits im späten Frühjahr / frühen Sommer von Leuten wie Wolfgang Wodarg (man könnte jetzt ein Dutzend Namen anfügen) geäußert worden. Diese Kritiker seien aber mundtot gemacht worden.

An dieser Stelle griff Blome ein und warf der Autorin vor, von Diktatur geredet zu haben. Hatte sie aber nicht. Sie hat die erste Hälfte ihres Lebens in einer Diktatur verbracht und würde diesen Vergleich nicht benutzen, hält ihn sogar für kontraproduktiv. Aber Blome hat mit diesem Anwurf vorgeführt, was in der gegenwärtigen Diskussion usus ist. Andersdenkende werden mit falschen Attributen belegt, gegen die sie sich dann zur Wehr setzen müssen. Dass dies vom Podium kam, war der einzige Missklang einer ansonsten sehr gelungenen Veranstaltung. Ich würde es begrüßen, wenn das Theater Nordhausen dem Beispiel vom Theater Görlitz folgt und eine ähnliche Diskussionsreihe auflegt.

 

Vera Lengsfeld, geboren 1952 in Thüringen, ist eine Politikerin und Publizistin. Sie war Bürgerrechtlerin und Mitglied der ersten frei gewählten Volkskammer der DDR. Von 1990 bis 2005 war sie Mitglied des Deutschen Bundestages zunächst bis 1996 für Bündnis 90/Die Grünen, ab 1996 für die CDU. Seitdem betätigt sie sich als freischaffende Autorin. 2008 wurde sie mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande geehrt. Dieser Beitrag erschien zuerst auf ihrem Blog Vera-Lengsfeld.de

Foto: Imago

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Leserpost

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S.Buch / 02.09.2024

Wie kann eine Veranstaltung als gelungen bezeichnet werden, in der ein Hasser und Hetzer der übelsten Sorte mitreden darf? Der hätte nicht mal anwesend sein dürfen. Frau Lengsfeld scheint mir - was kein Vorwurf, sondern lediglich eine Feststellung ist - altersmilde zu werden.

Jovan Liapsarović / 02.09.2024

” Danach meldeten sich Stimmen, die diese [Corona-]Politik ohne Wenn und Aber verteidigten und bekamen Beifall von der Mehrheit. Im aktuellen Wahlkampf würde das an den Ständen der SPD keine Rolle spielen, da gäbe es vor allem Fragen nach dem öffentlichen Nahverkehr und den gestiegenen Energiepreisen.” Aus dem Beifall kann man jetzt, nach Veröffentlichung der RKI-Files, den Schluss ziehen, dass es für Politiker richtig ist und sich lohnt die “Mehrheit” der Bevölkerung zu belügen, zu manipulieren und sie zu einer möglichst großen, konformistischen Herde zusammenzutreiben! Eine “Mehrheit”, m, w, d, will sich von “ihrer” Regierung offenbar gern zu einer Herde, oder Horde? formieren lassen! Aus der heraus kann sie sich dann überlegen (wir sind mehr) , bessermenschlich (gegen Rächts) und sicher 8mit richtiger Haltung) fühlen und aggressiv gegen Andersdenkende austeilen, um sich im Gefühl der selbst zugelegten Werte zu suhlen! So wird auch verständlich wie man als Wähler zu der Überzeugung kommen kann, dass man bei Fragen zu Energiepreisen, Nahverkehr und anderen drängenden Problemen nicht belogen und manipuliert wird, daher immer wieder dasselbe wählt und in diesem Stadium der Idiotie verharrt!

Martin Stumpp / 02.09.2024

Ich finde es fast schon Amüsant, dass sich Mittäter, und dazu gehören Journalisten die die Corona-Untaten der Regierungen von Bund und Ländern propagandistisch begleitet haben, zur Aufarbeitung ihrer Taten äußern und glauben mitbestimmen zu dürfen. Hätte man das Neue Deutschland oder den Stürmer zur Aufarbeitung des DDR Unrechts bzw. der Verbrechen der Nationalsozialisten gefragt, hätten diese mit Sicherheit auch keine Notwendigkeit gesehen. Man kann nur hoffen, dass sich eines Tages auch Täter und Mittäter dieses Staatsverbrechens vor Gericht verantworten müssen oder dass zumindest die Geschichte die verantwortlichen Politiker einmal als das bezeichnet was sie m.E. sind, ...

Wolfgang Richter / 02.09.2024

“Die Mehrheit hätte die Corona-Maßnahmen unterstützt.” - Sollte Herr Blome diese Mehrheit mal fragen, wie die “Unterstützung” ausgesehen hätte, wäre das Volk von Politik und den medialen Hofschranzen nicht nach Strich und Faden über “Corona” und die vorgegaukelte Wirksamkeit der ausgedachten Maßnahmen belogen worden, angefangen beim Seehoferschen IM-Panikpapier und der Farce mit dem behaupteten Massensterben in Bergamo und der dortigen Leichenentsorgung mit Militär-LKW. Und wer am Freitag beim WDR im “Kölner Treff” miterlebt hat, welches Forum dort dem Herrn Drosten zum Verbreiten seiner “Wahrheiten” geboten wurde, dies immer noch und heute nach RKIfiles und unzähligen anderen Veröffentlichungen, die sein Gerede widerlegen, dem kann eigentlich nur noch schlecht werden. Und das zu finanzieren, zahlen wir auch noch die Zwangsabgabe. Alles nur noch unfaßbar.Und wenn Herrn Blome nicht klar sein sollte, welches Ziel die Aufarbeitung verfolgt, so blöd kann er doch gar nicht sein - ich sage es mit Herrn Peter Hahne ua. “Ich will Handschellen klicken hören” für die massenhaften ungerechtfertigten Entziehungen diverser Grundrechte, das Zerstören des Sozialen Friedens, Körperverletzung zum Nachteil der Kinder durch Maskenzwang und “Spritze”, diverser Psychoterror in Schulen durch hörige sog. Pädagogen, die “Ungeimpfte” bloßstellten, Verabreichen einer modRNA-Gentherapie ohne nachweisbaren und von den Herstellern nie behaupteten, weil durch Studien nicht belegbaren Nutzen, dafür reichlich gesundheitliche Schädigungen bis hin zum Tod. Und wenn Herr Blome auch das nicht versteht, dann hapert es offenbar mit seinem IQ. Diese Liste der Vorwürfe ist nur ein Auszug dessen, war den diversen Initiatoren vorzuwerfen ist, was gesellschaftlich und juristisch aufzuarbeiten wäre. Dazu kämen noch Zustände wie das politisch angeordnete Separieren von Kranken und Alten bis hin zum Sterben in Einsamkeit ohne Angehörige, Freunde oder auch kirchlichen Beistand.

Dr. Klaus Jürgen Bremm / 02.09.2024

Es stieß mir doch auf, dass die Mehrheit im Saal den Coronaunsinn der Regierenden auch jetzt noch beklatschten. Welch ein Wahnsinn! Wenn Lauterbach oder Wieler den Deutschen auf dem Höhepunkt der Coronapanik erzählt hätten, man müsse, um sich vor dem Virus zu schützen, jeden Morgen zwischen 7 und 8 Uhr den blanken Hintern zum Fenster hinaushalten, ich hätte nicht durch die Strassen gehen wollen.

Lutz Liebezeit / 02.09.2024

Elsässer hat dazu beigetragen, das Stigma “rechtsextrem” zu tragen; und er hat mit seiner originären oder gespielten Naivität sehr vielen sehr geschadet. Auch wenn wir uns über die Sache selber uneinig bleiben werden. Aber, welche Position ist an Elsässer besonders rechtsextrem? Ich hätte den “Rechtsextremismus” auch von Ihnen, Frau Lengsfeld, gerne mal unterfüttert? Statt nur mit Worthülsen herum zu schmeissen. Genauso wie den Linksextremismus. Wie hat Karl Marx das eigentlich unterschieden?

ben wetter / 02.09.2024

Das dieser Blome sich noch traut, zu dem Thema überhaupt etwas zu sagen. Er hat mitgemacht und war einer der Scharfmacher gegen Ungeimpfte aus der Medienbranche. Und nicht in der Lage, seine persönlichen Fehler einzugestehen. Komischerweise wussten viele Nicht-Journalisten in den ganzen Jahren mehr über Covid als dieser Systemling. Er hat in der Coronazeit seinen Job nicht gemacht und darf dafür jetzt bei RTL den politischen Regierungsbegleiter mimen. Solche Leute stehen bei mir auf der untersten Stufe der Gesellschaft, moralisch total verkommen.

Alfons Hagenau / 02.09.2024

@Wilfried Düring: Es ist fast alles richtig, was Sie über Jürgen Elsässer schrieben, jedenfalls teile ich Ihre Meinung über diesen Herrn. Zu seinen Konstanten zu ergänzen wäre allerdings noch seine Moskauhörigkeit, früher waren es noch die Sowjetunion und die KPdSU, heute Rußland und Putin. Ob Elsässer “viele Fans unter AfD-Anhängern” hat oder es sich hier nur um ein Vorurteil handelt, weiß ich nicht - ich kenne zu wenige AfD-Anhänger und zuwenige Elsässer-Fans (genaugenommen: keine). Ansonsten halte ich “Compact” für ziemlich unbedeutend in der alternativen Medienlandschaft. Sie verkennen jedoch, daß, wenn Frau Faeser mit ihren “unfeinen Mitteln” in der Causa Compact durchkommt, es auch bald mit dem “pro-jüdischen rechten Blog” vorbei ist - ich habe hier freilich noch nie irgendetwas gelesen, was ich als politisch “rechts” einordnen könnte, es sei denn, man ordnet das Eintreten für Meinungsfreiheit, Rechtsstaatlichkeit und soziale Marktwirtschaft (kurz: die FDGO) als “rechts” ein.

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