Rainer Grell / 10.09.2016 / 06:05 / Foto: Kim Pardi / 6 / Seite ausdrucken

Das Wieselwort „sozial“ oder: Die Kunst, Begriffe zu entleeren

Das hätte ich mir auch nicht träumen lassen, als ich im Sommersemester 1963 bei Prof. Dr. Friedrich August von Hayek (1899-1992) mit einer Hausarbeit über „Die Wirkungen von staatlichen Preisfestsetzungen“ den „Volkswirtschaftlichen Übungsschein für Juristen“ erwarb, dass ich von diesem Professor aus (nein nicht Heidelberg, sondern) Freiburg mehr als 30 Jahre später lernen würde, was ein „Wieselwort“ (weasel word) ist. In seinem Buch „Die verhängnisvolle Anmaßung. Die Irrtümer des Sozialismus“ (Englisch, London 1988, zitiert nach der deutschen Ausgabe, Tübingen 1996) schreibt Hayek:

„... so ist das Wort ‚sozial‘ das krasseste Beispiel für das, was manche Amerikaner als ‚Wieselwort‘ bezeichnen – frei nach Shakespeare: ‚Ich kann Melancholie aus einem Liede saugen, wie ein Wiesel Eier saugt‘ (Wie es euch gefällt, II, 5) (“I can suck melancholy out of a song, as a weasel sucks eggs“). So wie ein Wiesel angeblich imstande ist, ein Ei auszusaugen, ohne ein Spur daran zu hinterlassen, können Wieselwörter jedem Wort, dem sie vorangestellt werden, seinen Inhalt nehmen, während sie es scheinbar unverändert lassen. Ein Wieselwort verwendet man, um einem Begriff ‚die Zähne zu ziehen‘, wenn man ihn zwar gebrauchen muß, ihm aber alle Nebenbedeutungen nehmen will, die die eigenen ideologischen Prämissen in Frage stellen.“ Oder: „Weasel Words: The Art of Saying What You Don’t Mean” (Titel eines Buches von Mario Pei, 1978, das Hayek zitiert).

Das Wort „sozial” ist laut Hayek „wahrscheinlich das verwirrendste Wort in unserem gesamten moralischen und politischen Wortschatz“. „Eine Zeitlang machte ich mir die Mühe“, schreibt er, „alle englischen Wortverbindungen mit ‚social‘ zu notieren, und hatte nach einiger Zeit eine Liste von mehr als 160 Hauptwörtern aufgestellt.“ Seine Übersetzerin Monika Streissler bemerkt dazu: „Im folgenden ist eine ähnliche deutsche Liste von 150 Zusammensetzungen mit ‚Sozial-‚ bzw. ‚sozial‘, jeweils ohne den ersten Wortteil, angeführt.“ Sie reicht von „Abgaben“ bis „Zeitalter“.

Der Begriff „soziale Gerechtigkeit“ als semantischer Betrug

Und was soll das Ganze? Nun ja, „Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat“, heißt es in Artikel 20 Absatz 1 unseres Grundgesetzes. Und in Artikel 28 Absatz 1 Satz 1 ist von „den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates“ die Rede. Außer in diesen beiden Verfassungsbestimmungen kommt das Wort „sozial“ in verschiedenen Verbindungen noch zwölfmal im Grundgesetz vor (Artikel 23 Absatz 1 Satz 1; 74 Absatz 1 Nr. 12; 87 Absatz 2 (zweimal); 95 Absatz 1 (zweimal); 120 Absatz 1 Satz 4; 125c Absatz 2 Satz 1; 132 Absatz 2 (zweimal); 139; 143c Absatz 1 Satz 1). Diese Wortverbindungen reichen von Sozialversicherung über Sozialgerichtsbarkeit und soziale Wohnraumförderung bis Nationalsozialismus (kursive Hervorhebungen jeweils von mir). Zum letzteren hat auch Erika Steinbach ihren Senf  dazu gegeben: „@Telegehirn @titusluca Irrtum. Die NAZIS waren eine linke Partei. Vergessen? NationalSOZIALISTISCHE deutsche ARBEITERPARTEI.....“ twitterte sie . Eine gezielte Provokation, wie sie später erläuterte.

Im Herbst nächsten Jahres sind wir zur Wahl der Abgeordneten des 19. Deutschen Bundestages aufgerufen. Ob Merkel wieder dabei sein wird, will sie uns noch nicht sagen. Aber ein Wahlkampf-Thema steht heute schon fest: die soziale Gerechtigkeit.

Hierzu schreibt Hayek: „Seine bei weitem schlimmste Verwendung findet das Wort ‚sozial‘, das ohnehin jedem Wort, dem es vorangestellt wird, ganz und gar seinen Sinn nimmt, in der fast weltweit gebrauchten ‚sozialen Gerechtigkeit‘.“ „Die Wendung ‚soziale Gerechtigkeit‘ ist, wie ein hochangesehener Mann mit mehr Mut als ich (es spricht immer noch Hayek) schon vor langer Zeit rundheraus sagte, nichts weiter als ‚semantischer Betrug aus demselben Stall wie die Volksdemokratie“. Gemeint ist der bei uns unbekannte britische Politiker Charles Curran (1903-1972), der diese Äußerung 1958 in der Wochenzeitschrift „The Spectator“ gemacht hat („Social Justice is a semantic fraud from the same stable as People’s Democracy”).

Soziale Gerechtigkeit ist erreicht, wenn jeder das hat, was der andere nicht hat

In diesem semantischen Betrug liegt gerade der Reiz solcher Wieselwörter, wie ein Dr. Dr. Wolfgang Erbe durch seine Definition von sozialer Gerechtigkeit gezeigt hat: „Soziale Gerechtigkeit ist erst dann erreicht, wenn jeder das hat, was der andere nicht hat“ (DER SPIEGEL 39/1999 Seite 8). Nonsens pur könnte man sagen oder, um im Shakespeare-Jahr nochmals den großen Engländer aus Stratford-upon-Avon zu bemühen: „Though this be madness, yet there is method in’t“ (in der Übersetzung von August Wilhelm Schlegel: „Ist dies schon Tollheit, hat es doch Methode“).

Bei Wikipedia lesen wir in auffallend maßvoller Diktion: „Der Begriff der sozialen Gerechtigkeit bezieht sich auf gesellschaftliche Zustände, die hinsichtlich ihrer relativen Verteilung von Rechten, Möglichkeiten und Ressourcen als fair oder gerecht bezeichnet werden können. Was genau Inhalt und Maßstab dieser Form von Gerechtigkeit sei, ist aber seit jeher umstritten und vielschichtig.

Als eigenständiger Ausdruck entstand ‚soziale Gerechtigkeit‘ in der Mitte des 19. Jahrhunderts im Zusammenhang mit der Sozialen Frage. Der Terminus („giustizia sociale“) geht auf das Werk Saggio teoretico di diritto naturale appoggiato sul fatto (Versuch eines auf Erfahrung begründeten Naturrechts) (1840–43) von Luigi Taparelli d’Azeglio (ein Theologe) zurück. 1931 wurde er mit der Veröffentlichung der Enzyklika Quadragesimo anno von Papst Pius XI. erstmals formell und offiziell in den Lehrmeinungen des Papstes verwendet (auf Vatikanisch „iustitia socialis“). Soziale Gerechtigkeit wurde als regulatives Prinzip zur Lösung der Sozialen Frage herangezogen. Innerhalb der Enzyklika wurde der Begriff noch nicht mit völliger wissenschaftlicher Schärfe verwendet, so dass noch Raum für unterschiedliche Akzentsetzungen blieb.

The Art of Saying What You Don’t Mean

Seit den 1970er Jahren hat die Diskussion über soziale Gerechtigkeit, insbesondere unter Bezugnahme auf den von John Rawls in „A Theory of Justice“ vertretenen egalitären Liberalismus eine neue Bedeutung gewonnen. Als weiterer Vertreter dieser Richtung gilt Amartya Sen. An Rawls schloss unter anderem die Kritik durch Kommunitaristen wie Michael Walzer an. Auch im deutschsprachigen Raum wird soziale Gerechtigkeit seit den späten 1960er Jahren wieder zunehmend in der gesellschaftlichen Diskussion thematisiert.“

Seit der Enzyklika Quadragesimo anno („Vierzig Jahre sind verflossen, ...“ so beginnt die Einleitung, von der sich der Name ableitet: „Quadragesimo anno expleto, ...“) sind mittlerweile mehr als doppelt so viele Jahre verflossen, ohne dass der Begriff der sozialen Gerechtigkeit gegenwärtig „mit völliger wissenschaftlicher Schärfe verwendet“ werden könnte. Und daran wird sich voraussichtlich auch bis zum Jüngsten Tag nichts ändern, hervorragend geeignet also für „The Art of Saying What You Don’t Mean“.

Apropos Steinbach und twittern: Einen weiteren Höhepunkt des semantischen Betruges liefert der Begriff der sozialen Netzwerke. „Social Networks oder Soziale Netzwerke sind virtuelle Gemeinschaften. Hier können sich Menschen aus aller Welt treffen und sich über Hobbys, gemeinsame Interessen und Vieles mehr austauschen. Das fasziniert Erwachsene, Jugendliche und Kinder gleichermaßen. Laut dem Medienpädagogischen Forschungsverbund Südwest, der in regelmäßigen Abständen Kinder und Jugendliche zu ihrem Medienverhalten befragt, nimmt die Nutzung von Online-Communities sowohl bei den 6-13-Jährigen als auch bei den 12-19-Jährigen einen hohen Stellenwert ein: 2014 nutzten 73 Prozent der befragten 12-19-Jährigen Online-Communities. Von den 6-13-Jährigen gaben 2014 51 Prozent der Mädchen und 45 Prozent der Jungen Communities wie Facebook.“ Die Liste der sozialen Netzwerke umfasst 80 Namen und reicht von Facebook über Twitter, Instagram und Tumblr bis my Life, meet up und hubbub, aber da kennen sich die meisten Achse-Leser vermutlich besser aus als ich.

„Mit fast 85 Prozent setzt eine große Mehrheit der deutschen Unternehmen auf Social Media, so berichtet der Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW). Laut dessen Studie geben sechs von zehn der befragten Unternehmen an, dass sich ihre bisherigen Social-Media-Aktivitäten gelohnt haben. Die Steigerung der Bekanntheit, die Imageverbesserung und ein besserer Zugang zu Zielgruppen und potenziellen Kunden gelten für die Unternehmen als oberste Ziele ihrer Aktivitäten in Social Media.“ Es folgt eine Übersicht über die zehn wichtigsten Sozialen Netzwerke, die man als Unternehmensgründer kennen sollte:“ .

Jetzt darf jeder rätseln, was ein Mann wie der Nobelpreisträger (1974 zusammen mit Gunnar Myrdal, genau genommen handelt es sich um den Alfred-Nobel-Gedächtnispreis für Wirtschaftswissenschaften der Schwedischen Reichsbank) Friedrich August von Hayek wohl zu diesem Gebrauch des Wortes „sozial“ gesagt hätte.

Jesus hatte auch follower, zwölf oder elf, kommt auf den Zeitpunkt der Zählung an

Beim Marktführer Facebook hat man übrigens „Freunde“, bei Twitter „Follower“, die auch „auf Deutsch“ Follower heißen. Jesus hatte übrigens auch follower, zwölf oder elf, kommt ganz auf den Zeitpunkt der Zählung an. Der Twitter-Account von Papst Franziskus zählt dagegen mehr als 26 Millionen Follower, wie domradio.de nicht ohne Stolz verkündet: Damit liegt Jorge Mario Bergoglio zwar weit hinter Barack Hussein Obama mit 76.948.172, Lady Gaga mit 62.829.675 und Cristiano Ronaldo mit 45.803.618, aber vor Neymar Jr. mit 24.389.149 und Leonardo DiCaprio mit 15.917.607.   

Doch damit ist der Wahnsinn noch keineswegs am Ende. Gibt es doch schon Schlagzeilen wie diese: „Ronaldo Beats Messi at Social Media With Over 200 Million Followers on Facebook, Instagram and Twitter“. Messi ist bekanntlich ein Landsmann von Franziskus. Ja, so sind sie eben, die Promis, und die, die über sie schreiben. Stimmt. Aber sie sind nicht allein auf Schwachsinn abonniert. In sozialen Netzwerken tobt der „digitale Magerwahn“: „Auf Facebook und Instagram konkurrieren junge Mädchen um Likes und neue Follower“ (Stuttgarter Nachrichten vom 30. August 2016, Seite 28). Ja und? Sie konkurrieren, wer, nein, nicht von hinten durch die Brust ins Auge trifft , sondern mit einem Arm hinten um den Rücken herum bis vor zum Bauchnabel kommt: „Belly Button Challenge“, wer die begehrte Oberschenkellücke, den „Thigh Gap“ hat, wer über die knochigsten Schlüsselbeine verfügt und in den Kuhlen die meisten Münzen nebeneinander legen kann: „Collarbone Challenge“ und wer schließlich die „Bikini Bridge“ vorweisen kann, bei der die Hüftknochen so hervorstehen, dass zwischen Bauch und Bikinihöschen eine Lücke entsteht. OMG!

Ach so, das hätte ich beinahe vergessen: „Stellen Sie sich vor, Sie würden über Facebook, Twitter oder einen anderen Social-Media-Kanal von dem schweren und vielleicht gar tödlichen Verkehrsunfall eines nahen Verwandten oder Freundes erfahren – inklusive Videomaterial. Es handelt sich nicht mehr nur um einen hypothetischen Fall, sondern ist so und in ähnlicher Form bereits geschehen, weil Gaffer an Unfallstellen nicht mehr nur als schaulustige Hindernisse herumstehen, sondern mit ihren Handys sogar Videos von Rettungsmaßnahmen, Verletzten und gar sterbenden Personen machen.“

Der Unterschied zwischen Friends und Freunden

„Gehen Sie doch mal zur Seite, mein Kind kann ja gar nichts sehen!" Während ein Verletzter nach einem schweren Unfall um sein Leben kämpft, hat ein Familienvater nichts Besseres zu tun, als seine 3-Jährige Tochter hochzuheben, damit sie besser sehen kann. Eine unglaubliche Szene, die sich Ende Mai im rheinhessischen Ingelheim abgespielt hat. Und leider, so schildern uns Polizei und Rettungskräfte, gibt es solche Vorkommnisse immer häufiger.“ „Wehrlose Unfallopfer werden mit Smartphones gefilmt und ihr Überlebenskampf später in sozialen Netzwerken gepostet. Gaffer stellen sich Rettungskräften in den Weg oder pöbeln sie an, nur um ihre gute Sichtposition nicht zu verlieren. Schaulustige gab es schon immer, aber was sich zur Zeit in Rheinland-Pfalz abspielt, hat nach Ansicht von Polizei und Rettungskräften eine neue, bedenkliche Dimension erreicht.“

Sieht es bei Facebook mit den Freunden eigentlich besser aus? Liest Du hier: „Der bekannte Internetblogger Sascha Lobo (das ist der mit dem roten Hahnenkamm) nennt seine ‚Freunde‘ im Netz grundsätzlich Friends. Und er zieht zwischen ihnen und seinen Freunden eine klare Linie: ‚Wer Friends mit Freunden verwechselt, wird vermutlich böse enttäuscht. Friends helfen eher nicht beim Umzug. Friends sind nur selten alarmiert, wenn man zwei Wochen verstummt‘, sagt Lobo. Und weiter: ‚Friends können wesentlich schlechter zwischen den Zeilen lesen als Freunde. Friends sind eher digitale Nachbarn. Das macht weder Friends noch Nachbarn zu schlechteren Menschen, es sind eben nur keine Freunde im klassischen Sinn‘, so der Blogger, dem Facebook jetzt bei über 5000 Freunden den Account abgeriegelt hat.“

Und was machen unsere englischen Freunde? Sie nennen ihre „friends“ einfach „Freunde“, um sie von den friends im klassischen Sinne zu unterscheiden. Hallo Leute! Das Leben kann so einfach sein!

Wie schrieb der große Friedrich aus dem kleinen Marbach (am Neckar) schon 1793: „Nur der Charakter der Bürger erschafft und erhält den Staat und macht politische und bürgerliche Freiheiten möglich.“

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Leserpost

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Helmut Driesel / 11.09.2016

Nahezu alle Lebewesen existieren sozial. Darunter gar nicht so besonders auch der Mensch. Daher gibt es für mich keine grundsätzliche Bedeutungsunschärfe oder Entwertung in dem Adjektiv “sozial” zu entdecken. Es gibt allerdings eine spürbare Bedeutungsverschiebung wie bei vielen anderen Begriffen auch. Die hat ihre Ursache in der großen Karriere des Begriffes “asozial” in den letzten 150 Jahren. Vielleicht schon länger, ich weiß nicht, ob die Aufklärer zwischen Luther und Feuerbach diesen Begriff nutzten. Napoleon oder Goethe dürfte er nicht fremd gewesen sein. Die Bedeutungsverschiebung hin zu “anti-asozial”  = dem Altruismus verpflichtet, kam ja auch dem katholischen Gedankengebäude vornehmlich in den Klöstern, weniger in den Pfarrhäusern, entgegen. Über die Gewalt staatlicher Gesetze zu “Volksschädlingen”, “Schiebern, Hehlern und Wucherern”, nicht zuletzt der “staatsfeindlichen Elemente” wurde das “sozial” in der Ecke eingefroren, in der es heute wie oben kritisiert wird. Und ob das Medium zwischen sozialen Individuen nun vor Millionen von Jahren ein Duftstoff war, oder später der Schall in Luft und Wasser, und heute eben ein Netzwerk der digitalen Kommunikation mit Elektronen oder elektromagnetischen Wellen, das macht nicht wirklich einen Unterschied. Mir scheint manchmal, gerade die Namen bedeutender Denker wie Hajek oder Baader kommen anderen, die immer ein schnelles Argument gebrauchen können, als Wieselworte gerade recht.

Andreas Rochow / 11.09.2016

Eigentümlich: So kluge und differenzierende Gedanken über das Wieselwort “sozial” sind erhellend und mildern die Frustration über den frechen hypermoralischen Missbrauch des Begriffs, obwohl sich dadurch nichts ändert. Kein Wunder, dass Hayeks Bedeutung von Linksgrünen heruntergespielt und seine Anhänger - oder soll man sagen “follower”? - diskreditiert werden. Der primitiv-utopischen Idee des (sozialen) Egalitarismus steht er schließlich mit seiner dezidierten Kritik im Wege.

Jens Frisch / 11.09.2016

“Das Wort „sozial“ ist laut Hayek „wahrscheinlich das verwirrendste Wort in unserem gesamten moralischen und politischen Wortschatz“” Mir scheint eher, dass der werte Herr Hayek in diesem Fall von Gustave LeBon abgeschrieben hat, der bereits in seinem Hauptwerk “Psychologie der Massen” just dieses Wieselwort “Sozialismus” verwendete, um dessen unterschiedliche Verwendung in den verschiedenen europäischen Sprachen und Kulturen aufzuzeigen. Das daraufhin eine komplette Sinnentleerung stattfand, ist da nur eine logische Konsequenz.

Jürgen Schulze / 10.09.2016

Ich habe für all das, was heute ge-socialized wird ein Wort, das bestimmt niemals zum Wieselwort wird: banal. Ich benutze es in letzter Zeit recht häufig, und es ist wirklich sehr befreiend, wenn man den Mantel der Alternativlosigkeit (auch im Privaten) lüftet und darunter nur abgestandene Luft vorfindet. Da mache ich mir lieber ein Bier auf und gucke meinen Katzen beim Nichtstun zu.

Hans-Heinrich Sommer / 10.09.2016

Der klassische Journalismus an sich ist nichts anderes als ein wieselflinkes Medium, das mit immer neuen Schubladen und Synonymtexten dafür sorgt, dass Worte und Inhalte ihre Bedeutung verlieren. Soziale Netzwerke sind eine hoch verdiente Quittung dafür, sozusagen die journalistische Erziehungs-Masse völlig entsorgter und sorgloser Leser, deren kommunikative Tiefststände immer neue Rekorde nach unten erzielen. Gut, dass achgut.com eine Insel in diesem Strom des Beliebigen darstellt, eine Nachdenk-Oase. “In einem Hühnerstall, aus dem man ihn zum Schlachten herausholen wird, kräht der Hahn Hymnen auf die Freiheit, weil man ihm darin zwei Sitzstangen eingebaut hat.” (F. Pessoa) Welche nun sind die beiden Sitzstangen von Sascha Lobo?

Frank Holdergrün / 10.09.2016

Bedeutungen aussaugen und bis zur Unkenntlichkeit verschwurbeln. Diese toten Vögel thronen seit Jahrzehnten auf ihrem herrlich duftenden Mist und schenkten der Welt vor kurzem einen weiteren gedankenhemmenden Dünger: alternativlos. Selbstverständlich ist soziale Gerechtigkeit heute total korrekt und die sozialdemokratische Partei hält alternativlos und weltweit daran fest. Dass sie sukzessive ihre Bedeutung beim Wähler verliert wie Hajek es mit den wieselentleerten Wörtern vorausgesagt hat – wen kümmert’s? Auch das scheint alternativlos! Soziale Alternativlosigkeit in ihrem Lauf halten weder Ochs noch Esel auf – denken ist dabei nicht mehr vonnöten. Was entsteht, ist Gleichgültigkeit und endlose Langeweile, heute gut einsehbar in den sozialen Netzwerken.

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