Das Wesen des Volkserziehers steigt aus der Büchse

Wir sind soweit. Wir sind an dem Punkt, an dem manche deutsche Intellektuelle Sätze schreiben wie: „Ungleichheit, die sich etwa in unterschiedlichen Zutritts- oder Reiseregelungen für Geimpfte und Ungeimpfte ausdrückt, ist angemessen, wenn der Grundsatz gilt, dass nur Gleiches gleich behandelt werden kann.“ Dieser Satz stand nicht in einer linksorientierten, sondern in einer liberalen Zeitung. In einer aufgeklärten, freiheitlichen Gesellschaft: ein Satz zum Kopfschütteln und Ignorieren. In unserer Gesellschaft: ein Anlass, sich zu Wort zu melden. Und über das verquere Selbstverständnis von Intellektuellen, als Volkspädagogen zu sprechen, für die sie sich zu halten scheinen. 

Die Behauptung, dass nur Gleiches mit Gleichem verglichen werden kann, ist blanker Unsinn. Sie erinnert bestenfalls an „alle Tiere sind gleich, aber einige Tiere sind gleicher als andere“ aus Orwells Farm der Tiere und ist das in den Brunnen gefallene Kind einer sozialistischen Wunschvorstellung. Schlimmstenfalls fragt man sich, ob die satzgebende Person hier das Prinzip eines Vergleiches aus den Augen verloren hat. Es ergibt überhaupt keinen Sinn, zwei gleiche Dinge zu vergleichen, da sie eben gleich sind. Nur Verschiedenes lohnt sich zu vergleichen. Womöglich schwebten bei diesem Gedanken Äpfel und Birnen im Kopf herum. Geimpfte und Ungeimpfte sind aber nicht Äpfel und Birnen, sondern Früchte vom selben Baum. 

Die Konsequenz aus diesem „nur Gleiches gleich behandeln“-Gedanken, schafft am Ende eine Kreativität in der Frage, wer gleich und gleicher ist, die nur autoritäre Regime wirklich zu schätzen wissen. In einem liberalen Weltbild, das auf Selbstbestimmung und der gegenseitigen Unterstellung der Mündigkeit beruht, kann das keinen Platz haben. 

Für einen BMW einen anderen Führerschein

Wer glaubt, es sei aus humanistisch-liberaler Sicht vertretbar, anhand einer Impfung über Zutritt und Reisefreiheit zu bestimmen, also Rechte zu vergeben, muss sich Widerspruch gefallen lassen: Diese Art Rechte sind situative Gnadengaben. Wenn die vulnerablen Gruppen geimpft und gegen einen schweren Verlauf geschützt sind, fällt Corona unter das allgemeine Lebensrisiko. Spätestens dann darf die grundgesetzlich garantierte Freiheit nicht mehr angegriffen werden. Nicht der Staat gibt Rechte, sondern die Verfassung. 

Wer meint, Grundrechte seien je nach Umstand neu verhandelbar, glaubt auch, dass man für einen BMW einen anderen Führerschein braucht als für einen Audi. Aus diesem Gedanken entstammen Stilblüten wie diese Beispielargumentation: Die Ungeimpften verursachen Kosten in Krankenhäusern, wenn sie schwer erkranken. Wenn sie sich nicht impfen lassen, sollen sie die Kosten selbst tragen. OK, aber was ist mit den Rauchern? Sie rauchen aktiv. Wer sich nicht impft und keiner vulnerablen Gruppe angehört, handelt passiv und nimmt eine Steigerung seines allgemeinen Lebensrisikos in Kauf. Wenn der Ungeimpfte jetzt seine Krankenhauskosten bei einem schweren Verlauf tragen soll, wie gehen wir mit dem Raucher um? Und mit Adipösen? Wo ziehen wir die Grenze? 

Macht man Grundrechte abhängig von Lebensführung, bedeutet das, dass jede Handlung, ob in ihren Folgen absehbar oder nicht, ob aktiv oder passiv, zur vor- oder nachträglichen Entrechtung führt. Damit wären Grundrechte nicht mehr unveräußerlich. Damit werden sie gesundheitsökonomisch nach Nutzen und Schaden abgewogen. Wohin solche Argumente auch immer führen, man kommt am Ende nicht bei einem Rechtssystem heraus, das Launen standhält. Diese Launen sind heute unter anderem die moralisierenden, argumentativ hilfsbedürftigen Appelle, mit denen uns manche Kommentatoren die richtige Haltung vermitteln wollen. 

Wohlmeinende Kommentare haben aber grundsätzlich nicht das Potenzial, die Grundlage von gesellschaftlichem Zusammenleben zu bilden. Wenn die Meinung von Blattmachern, von außerparlamentarischen Gremien und die Expertenmeinungen von Interessenträgern das Grundgesetz zum willkürlichen Gnadenrecht herabwürdigen, dann ist das eine wohlklingendere Variante des Rechts des Stärkeren. Das Gegenteil von Zivilisation. Denn wer morgen der Stärkere ist und Recht setzt, weiß keiner. Wenn die Chinesen sprichwörtlich sagen: „Ich wünsche dir ein interessantes Leben“, dann war die Unstetigkeit der täglich neu verhandelten Sicherheiten eine der Grundlagen für diese historisch gewordene, als guten Wunsch verkleidete Missgunst-Äußerung. Und dieses „täglich neu verhandeln“, das gehört von Intellektuellen auf die Ebene gehoben, auf die es gehört: zur Tagespolitik. Nicht zum Grundgesetz.

Nicht die Tinte der Edelfedern

Das derzeitige Problem mit manchen Intellektuellen ist, dass sie gleich zwei Dinge tun, die schädlich sind: Sie versteigen sich mit ihren Empfehlungen zum Pandemieverhalten zu Volkspädagogen und geben sich keine Mühe mehr mit ihren Argumenten, weil sie sich eines Erziehungsauftrages erdreisten, der in der Annahme der Unmündigkeit ihres Gegenübers wurzelt. Und das führt in der Folge zu immer schwächeren Argumenten. Ebensolchen wie der Idee, einige Menschen seien gleicher als andere. Sind diese Argumente dann irgendwann hanebüchen, steigt das Wesen des Volkserziehers aus der Büchse der Pandora: die Hypermoral. Und die kennt nur Gut und Böse. Nach eigenem Ermessen. 

Als der Intellektuelle noch aus Gefallsucht sprach, war er nur sich selbst gefährlich. Jetzt ereifert er sich, „das Volk“ nach seinem Willen zu prägen. Und damit schafft er nicht die freie, liberale, aufgeklärte Gesellschaft, die ihn hervorgebracht hat, sondern wird am Ende auf dem Scherbenhaufen seiner Bemühungen sitzen. Und sich keiner Schuld bewusst sein. 

In dieser Hinsicht lohnt es sich, daran zu erinnern, aus welcher Gesellschaft Intellektuelle gewachsen sind. Und dass, wenn die Wurzeln dieser Gesellschaft zur Krone ihres Auswuchses sprechen, ebendiese für das Wasser sorgen, das sie blühen lässt. Und es ist nicht die Tinte der Edelfedern, sondern das Wasser der nicht verhandelbaren Grund- und Menschenrechte, das den Baum erhält. Das gilt für Geimpfte und Ungeimpfte, für Linke und Rechte, für Frauen und Männer, für alle Tiere auf der Farm. 

Foto: Frank Vincentz CC BY-SA 3.0 via Wikimedia

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Leserpost

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PALLA Manfred / 16.08.2021

+ + +  NachTrag zu “CO2RNA” : - ALLE “Abiturienten” sollten natürlich die Seite “wodarg.com” ebenso “studieren”  - dies kann/konnte Jeder bereits seit MAI 2020 - also seit anderthalb Jahren - SEITdem “herrscht” übrigens das NORMALE Leben in WUHAN (und ganz CHINA) - laut DLF-Reportage, Anfang des Jahres, eines “Deutschen Kollegen” (20 Minuten lang)  ;-)

PALLA Manfred / 16.08.2021

+ + +  Bewegt sich Alles doch im “virtuellen” Bereich bei den “Spiritus-LaberKAckaDemikern” (“Geistes”-”“Wissenschaftler”“) - wollen MIR eine ANALOGE Welt (stofflich) mit “Vergleichs- und Beziehungs-Pirouetten” erklären !?! - WER sich mit ABITUR nicht mal grundlegend in Physik und Biologie einarbeiten kann/will, sollte sich geschlossen halten oder sich als PROPAGANDIST “vorstellen” - StichWort > C O 2 R N A - MummenSchanz <  ;-)  + + +  P.S.: Zum ENDE der CO2-SpurenGas-KRISE bitte unter “indubio”, Folge 136 im Juni, den 3. Post von Mir “studieren”

Heinrich Schöneseifen / 16.08.2021

Dieser Text hat mich sehr beeindruckt. Bestechende Argumentation, frei von jeder Polemik, eindrucksvolle Dichte. Ob unsere Gymnasiasten solch einem solchen Gedankengang noch folgen könnten? Aber was sage ich da -  sie werden ihn im Unterricht ohnehin niemals offeriert werden. Hüpfen ist ja viel effektiver für den Planeten…

Sabine Schönfelder / 16.08.2021

Was soll denn das sein, ein Intellektueller?? Ein Schmierfink aus der Mainstreampresse? Ein geistloser Schwätzer namens Feuilletonist? Ein Filodoof namens Precht ? Ein politischer Abkömmling mit Abitur, der keiner produktiven Arbeit nachgeht oder ein Geisteswissenschaftler in angestellter Systemimmanenz? Oder ist es einfach nur ein Depp, der vom Establishment für Staatspropaganda bezahlt wird. Ein Intellektueller muß sich diesen Namen VERDIENEN. Einer, der die einfachsten logischen Zusammenhänge nicht begreift oder falsche Tatsachen verbreitet, ist kein Intellektueller sondern ein Systembüttel und wird ausschließlich im Staatsfunk gefeiert, nicht für seine angebliche Intellektualität, sondern für seinen GEHORSAM.

Karla Kuhn / 16.08.2021

Schon das Wort “INTELLEKTUELLE” ist m. E. falsch, den die ECHTEN INTELLEKTUELLEN sind Menschen, die einem “systemrelevanten” Beruf nachgehen, sich um ihre eigenen Angelegenheiten kümmern, der Menschheit dienen, in dem sie ihr Wissen weiter entwickeln,  u. a.  auch zu Gunsten des Staates, der ihnen eine kostenlose, hervorragende Ausbildung gewährt hat. Plumpe VOLKSERZIEHER sind offenbar entweder Kommunisten oder Menschen, die ihre Machtgeilheit ausleben wollen. S. Müller-Marek, TOP!!  Solche Typen können mir den Buckel runterrutschen.

Lutz Serwuschok / 16.08.2021

Die Argumentation des Autors ärgert mich, auch wenn die Foristen eigentlich schon alles dazu gesagt haben. Denn sie greift zu kurz. Es genügt nicht, nur Raucher und adipöse Mit-Bürger gegen die Anderen aufzustellen. Da gehören auch Trinker, Sex-Freunde, Sportler, Extremsportler, Alte, die nicht früh genug versterben, ganz junge, die zu früh geboren werden, noch jüngere, die abgetrieben werden, Frauen mit Frauenkrankheiten, Männer mit Männerkrankhreiten, Maurer mit Bandscheibenschaden, Fließenleger mit kaputten Knien, Büroarbeiter mit Bandscheibenschäden, Leistungsträger mit Überlastungssymptomen, Allergiker mit Durchfall, Erkältungskranke mit Fieber usw. dazu. Von all den anderen Krankheiten nicht zu reden. Wenn man anfängt sich auf diese bipolaren Unterscheidungen einzulassen, dann sollte man wenigstens Vollständigkeit anstreben.

Peter Maier / 16.08.2021

Intellektuelle werden gemeinhin überschätzt und am meisten überschätzen sie sich selbst. Wortakrobatik gepaart mit Arroganz und Eitelkeit zeichnen viele Intellektuelle aus und natürlich die sportive Fähigkeit geschmeidig im Strom des Zeitgeistes zu schwimmen. Die Mächtigen wissen’s zu schätzen und gewähren diesen eitlen Labertaschen ab und an Zutritt beim Festbankett der elitären Entscheider, wo sie als Hofnarren und Begriffsjongleure zum Amüsement der erlauchten Gesellschaft beitragen.

Karsten Dörre / 16.08.2021

Schwer vermittelbare, schwer verständliche Kost. Grundsätzlich werden die politischen Maßnahmen in immer mehr infantilen Sprachbildern übermittelt, als sei der Souverän geistig zurückgeblieben. Dies kann man so sehen, muss man aber nicht. Diverse Videos mit hysterischen Bürgern bei Polizisten können den Eindruck erwecken, dass das Volk einen an der Waffel hat. Ebenso könnte man meinen, dass freudestrahlende Geimpfte mit wedelnden Impfausweisen auch nicht viel weiter im geistigen Niveau von den Hysterikern entfernt sind, nur eben nicht hysterisch. Ich reite auf meinem liebsten Steckenpferd: der stetig größer werdenden Bildungslücke.

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