Es steht ein Mann am Fastfood-Tresen, bestellt einen doppelten Cheeseburger, eine doppelte Portion Pommes und eine Cola light. Ein Waschlappen, der sich vor Kalorien fürchtet! Und unter gänzlicher Missachtung des olfaktorischen Zentrums vermutlich behauptet, die Light-Version schmecke effektiv besser als das Original. Jämmerlich…
Cola light beruhigt das schlechte Gewissen. Der fehlende Zucker suggeriert ein grenzenloses Kalorien-Sparpotenzial. Von Werbeslogans wie «Du darfst» bis hin zu «Nimm 2» der Schleckzeughersteller sind Trittbrettfahrer aufgesprungen. Mögliche Folgeschäden zu vermeiden und trotzdem Süsses zu schlemmen, wer kann da widerstehen? Ich gestehe: Ich war auch Cola-light-Trinker. Acesulfam, Aspartam, Cyclamat, Saccharin, Sucralose, Thaumatin und Neohesperidin habe ich noch nicht ganz aus meinem Leben verbannt. Die Unsitte, zwei Süssstoffpillen in meinen Espresso zu werfen, bin ich noch nicht los.
Cola light ist das Flaggschiff der Light-Produkte und spaltet die Geister. Coca-Cola polarisierte die Welt schon immer. Ich bin allerdings mit Vivi-Kola aufgewachsen, dem Wundertrank der Mineralquelle Eglisau. Coca-Cola, obwohl seit 1936 in der Schweiz erhältlich, galt als Importware, ein billiger Abklatsch. Aber immer noch besser als Pepsi-Cola zu trinken, was fast so schlimm war, wie Jeans von der Migros zu tragen.
In Amerika habe ich als Student einige Wetten gewonnen, weil ich meine polarisierten Freunde, die entweder auf Pepsi oder Coke schworen, zu einer Blinddegustation überreden konnte. Keiner hat es geschafft, die beiden Säfte zu unterscheiden, obwohl vermeintliche Welten sie trennten. Cola light kann man hingegen leicht von Coke classic unterscheiden. Ist die künstlich gesüsste Variante ein «Frauen- und Schwulen-Getränk», wie mein Sohn behauptet? Aufgrund einer nicht repräsentativen Umfrage unter meinen Männerbekanntschaften hat sich nur eine Minderheit als Cola-light-Konsumenten geoutet. Meine Frage, ob der Mann Cola light trinkt, wurde meistens mit einem entrüsteten Nein beantwortet.
Typische Light-Spätfolgen
Auf die Einführung von Diet Coke, bei uns Cola light, folgte das Übergewicht, bei mir und bei ganz Amerika. Die schon fast bedrohlichen Körpermasse, die jedem aus dem Flugzeug steigenden Amerika-Besucher entgegenkommen, sind für mich typische Light-Spätfolgen. Ohne Cola light gäbe es keine Light-Jogurts, keine Light-Mayonnaise, dafür aber weniger Tannenbaumfiguren. Für diesen Zusammenhang gibt es solide wissenschaftliche Arbeiten. Das ist aber pure Rationalität, und was zählt die schon, wenn ein Produkt den immerwährenden Sixpack am Bauch verheisst?
Cola, ob light oder nicht, ist das Dilemma. Wir freuen uns auf die Weihnachswerbung mit Santa, der genau so aussieht, wie er muss mit dem typischen Softdrink-Bauch –, und Emotionen, die einem die Härchen aufstellen. Cola light ist nicht totzukriegen, schliesslich glaubte man sogar, es sei ein Mittel zur Schwangerschaftsverhütung. Dafür und auch dafür, dass dies nicht wahr ist, haben Wissenschaftler dieses Jahr den Ig-Nobelpreis gekriegt. Cola light erlitt dadurch keinen Imageschaden, Frauen trinken es weiter. Wohl auch, weil die meisten glauben, der Ig-Nobelpreis sei eine Art alternativer Preis, was gleichgesetzt wird mit einem Beitrag zur Weltrettung.
Cola light zu trinken, wurde von der ehemaligen Männerbefreiungsbewegung genauso verschmäht, wie wenn Mann mit Lippenpomade oder Operntickets in der Tasche erwischt wurde. Vergeblich hat Coca-Cola versucht, die verweiblichte Cola-Variante wieder an den Mann zu bringen. Das Resultat war einer der besten Werbefeldzüge, die Männer mit knackigem Po und Sixpack als Sexobjekte missbrauchen. Kein Mann hat dagegen protestiert, und Cola light wurde endgültig den Frauen überlassen. Für den Mann gibt es jetzt Cola Zero.
Vom einstigen Medizinalprodukt ist zero, null, übriggeblieben. Früher war Kokain drin, heute nicht mal mehr eine Kalorie. Die Ur-Cola hat von der Idee gelebt, wenigstens noch Spuren aus Kolanuss und Kokainblatt zu enthalten, solange die Überdosis Zucker nach jedem Schluck ins Blut schoss. Bei Ängsten spielt die Dosis keine Rolle, so interessierte es auch niemanden, dass die Kokainmenge, enthalten in einer Weihnachts-80-Tonner-Coca-Cola-Lastwagen-Karawane, nicht mal für eine winzige Linie Koks gereicht hätte.
Trotzdem gibt es gute Gründe, Cola zu trinken: Coke classic flat (die Kohlensäure herausgeschüttelt), falls man Durchfall hat. Zumindest glaubt dies ganz Amerika. Coke light für die armen Menschen mit einer Fruktose-Intoleranz. Sie sind die Einzigen, die von diesem Produkt profitieren. Natürlich könnten die auch Cola Zero trinken, nur hat das Servicepersonal herausgefunden, dass man Zero von Classic nicht unterscheiden kann, was ab und zu einen Fruktose-Intoleranten auf die Notfallstation bringt.
Was sind das also für unverbesserliche Männer, die weiterhin mit einer Cola-light-Büchse durch die Fussgängerzone schlendern? Nonkonformisten oder Möchtegern-Sexobjekte? Weder noch, sie sind vergleichbar mit Wandervögeln, die in roten Socken und Knickerbockern auf der Alp wandeln. Einfach würdelos!
Erschienen in Die Weltwoche Nr. 49/2008