Das beste, was ich bisher zum Thema gelesen habe, exzellent! Der Karfreitag ist ja der Gedenktag des Leides. Und als ich noch Glied einer christlichen Gemeinde war, habe ich mich an diesem Tage gefragt: Wieso ist Jesus auf diese Weise zu Tode gekommen, also mit Tortur, Demütigung und Erniedrigung vor der Öffentlichkeit. Qualvoll und für die Zuschauer unterhaltsam choreografiert, wem hätte das besser einfallen sollen als einem elitären Römer? Hat der alttestamentarische Gott keine Möglichkeit gesehen, seinen Gläubigen die Möglichkeit einer Wiederauferstehung und Erlösung ihrer Seelen verständlich darzustellen, als den Weg des Leidens, also die Passion nach römischem Brauch? Mag dieser Gott ja cholerisch sein, oft zornig, unbarmherzig und leicht reizbar, so muss man sich ja als naiver nachgeborener Menschling vorstellen: Es war ja nicht ein schlimmer Sünder, auch nicht irgendeiner aus der Masse, sondern es war sein treuester Diener und künftige Gottessohn, der da zum Leiden getrieben wurde. Wenn Gott nach menschlichem Ermessen intelligent ist und überhaupt Wesenszüge des Guten in sich trägt, so dachte ich, konnte er sich unmöglich in so schmählicher Weise den Römern angedient haben. Aus Sicht der römischen Aristokratie macht es nämlich sehr wohl Sinn, den Leuten die Wirksamkeit einer Religion vorzuführen, die Demut und Unterwerfung lehrt, nur kein Widerstand, kein Widerspruch, das garantiert Euch nach dem Tode die Erlösung. Das gesamte überlieferte Evangelium ist darauf zugeschnitten, den römischen Besatzern das Leben und Herrschen zu erleichtern. Kann das Zufall sein? Im Gegensatz zur heutigen modernen Theologie haben die jüdischen und christlichen Gläubigen aller Sektionen Gott als allmächtigen Weltenlenker und Schicksalsgestalter gesehen. Nicht als Verwalter und therapeutischer Berater von Prozessen, die einmal angestoßen, selbstorganisiert in Eigenverantwortung weiterlaufen. Warum beispielsweise haben die gläubigen Griechen sich damals nicht einfach ergeben?
An diesem Beitrag wird mir wieder einmal die Bedeutung von Heuristik klar, mit der sich unsereiner, Krethi und Plethi, an öffentlichen Diskussionen beteiligt. Was habe ich Malocher mit meiner 40h-Arbeitswoche an Ressourcen, an freier Zeit und Motivation übrig, um mir profunde Erkenntnisse über ideologische Ausrichtungen des Christentums seit der Urkirche selbst anzuerforschen? Man hat weder die Lateinkenntnisse noch die Zutrittsberechtigungen zu historischen Dokumenten des Vatikans, um Ausrichtungsbeschlüsse auf irgendwelchen spätantiken oder frühmittelalterlichen Konzilen zu durchleuchten. Öffentliche Diskussionen komplexer populärer, in den Hintergründen und Zusammenhängen aber irgendwelchen Spezialthemen-Nerds und Eggheads genauso unvollständig bekannten Problemen, findet auf Nicht- und Halbwissen, selbst gemachter Erfahrung oder Bauchgefühl statt! Meinen und Wollen ist darum in der Summe bei Entscheidern wie für Betroffene konsequent suboptimal. Ziel freier und offener Republiken ist es, den Angehörigen durch Bildung zur klaren Vorstellung davon zu führen, was zuerst überhaupt sicher gewusst werden kann, was immer nur prognostisch und was nie: Aufklärung ist Bildungsziel zertifizierter Republiken. Auf diese relativ kostengünstig zu bewerkstelligende Weise würde die allgegenwärtige heuristische Praxis des selbstherrlichen Mitmischens und Mitentscheidens zum Nutzen und “Frommen” von allen optimaler.
1. Maccoby blendet aus, dass Jesus selbst Jude war. Nur so kann man die Evangelien als antisemitisch beurteilen. 2. Die Evangelien sind im Zeitraum zwischen 70 und 120 n. Chr. entstanden. Und sie wurden von Judenchristen verfasst, die sich ihrer jüdischen Zugehörigkeit sehr bewusst waren (1. Apostelkonzil: Streit zwischen Petrus und Paulus, Heidenchristen). 3. “Zur Entfremdung (zw. Juden und Judenchristen) tragen entscheidend die Verfolgungen und Hinrichtungen bei: schon früh die des hellenistischen Judenchristen Stephanus…Jakobus…schließlich die Verhaftung des Heidenapostels Paul in Jerusalem und seine Hinrichtung.” Küng,Kl. Kirchengeschichte,S.39. Den endgültigen Bruch gab es nach der Zerstörung des 2. Tempels durch die Römer und dem pharisäisch besetzten, jüdischen Konzil, das die formelle Exkommunikation der Christen beschloss und verfügte, dass am Anfang jedes Synagogengottesdienstes eine “Ketzerverfluchung” zu wiederholen ist. So Küng. “Der Antijudaismus schon der Judenchristen, wie er sich beklagenswerterweise schon im Matthäus- und im Joh.-Evangelium niederschlägt, hat in der Verfolgung und dann in der Ausstoßung aus der Synagoge die entscheidenden Wurzeln. Die Exkommunikation der Christen…geht aller Verfolgung der Juden durch die Christen voraus.” K. S.39-40. 4. Entscheidend bleibt aber für mich die “Brüderlichkeitsethik” z.B. des Kolosserbriefes, in dem es heißt, es gebe jetzt nicht mehr “Juden und Griechen, Beschnittene und Unbeschnittene, Fremde, Skythen, Sklaven und Freie” ...all diese Schranken seien im christlichen Glauben überwunden, und im Johannesevangelium steht dafür die provokative Begründung: Die Christen seien alle gleichermaßen Kinder Gotttes, nicht aus Willen des Fleisches, nicht aus Willen des Menschen.” , sondern “aus Gott geboren” Joh.1,13 (Lütz S.26)Abschließend bleibt zu sagen, dass die Bibel anders als der Koran nicht das wörtlich zu nehmende Wort Gottes, sondern ein Bericht über das Wirken Gottes in derWelt ist, auch das NT.
Die Ausübung der Todesstrafe durch Kreuzigung war eine römische (und keine jüdische) Praxis und möglicherweise sogar Erfindung gewesen.
In „Jesus Christ Superstar“ wird die Passionsgeschichte hauptsächlich aus der Sicht Judas‘ und Maria Magdalenas erzählt. Für mich liegt hier die Beste aller Interpretationen des Evangeliums vor. Keine Interpretation erfasst den Geist der Evangelien besser. Die Texte sind von Tim Rice, bei der Verfilmung führt Norman Jewison Regie und die Musik kommt von Andrew Lloyd Webber. Ich empfehle, sich dieses Musical als Film zuhause auf Englisch mit englischem Untertitel anzusehen. Und nicht vom Hippie-Ambiente stören lassen. Hier ist alles drin, was für mich die „Angelegenheit Jesus“ ausmacht. Es geht dabei nicht um historische Genauigkeit. Die spielt für mich auch gar keine Rolle. Letztlich ist nicht einmal entscheidend, ob Jesus überhaupt gelebt hat.
Als lauer Deist, der weder jüdisch noch christlich erzogen wurde, freilich nahe der 10 Gebote, halte ich mich an natürliche Vorbilder. Zum Beispiel Norbert BLÜM, der die praktische Empfehlungen machte: “Verändert die Welt aber zerstört sie nicht!” ER fordert ein Christentum der Tat unter Achtung der Gebote. Die Abkehr vom Bösen. Spürbare Nächstenliebe (im Sinne von Achtung). Streben nach Frieden und Recht. Weil diess Tun Freiheit bringt. Selbst die Setzung moralisch-ethischer Maßstäbe in “Sozialismus” hat zu den 10 Geboten zurückgeführt, die abgepinnt erscheinen. Diese Gebote sind also wirkmächtig. Es genügt m.E. den Kindern vor dem eigentl. Lebensbeginn die Bergpredigt des Matthäus nahe zu bringen. Auch die Feldpredigt des Lucas. Um sie zu immunisieren gegen Hass und Verachtung. In der Folge sind sie zu einem J u d e n h a s s nicht wirklich fähig. Sie fänden das befremdlich. Allen Hass predigenden Weltanschauungen sollen sie Widerstand—aus einem praktischen Glauben heraus—entgegensetzen können. Dazu gehört auch die Wehrfähigkeit.
Wenn denn die Evangelien die Quelle von Antisemitismus wären, warum sind dann die Christen (nicht die Namenschristen, sondern die die wissen, dass Jesus-ein Jude!- die Menschheit von der Sünde befreit hat) die größten Unterstützer von Israel sind. Nein, die Evangelien sind Wahrheit und keine politischen Schriften, die irgendjemanden Schuld zuschieben.Dort wird klar: Den Tod gefordert haben zwar Juden. Aber etwa alle? Nein, es waren Religiöse. Alleswisser, Besserwisser. Bestimmt gab es Mitläufer. Die Mehrheit der Juden (die geheilt, befreit und getröstet wurden und deren Freunde etc) war sicher für Jesus. Es ist auch müßig darüber zu urteilen. Jesus hat auch gelehrt, das urteilen nicht die Sache des Menschen ist, sondern von Gott. Die Diskussion über jüdische Schuld lenkt ab vom Thema. Nehme ich das Erlösungswerk von Jesus, dem Gottessohn (und Juden) an und lasse mir von ihm meine! Schuld abnehmen? Und werde neu geboren in ein neue Das habe ich erlebt und Hunderte Millionen andere Christen. Das Johannes-Evangelium lesen! Dort wird Wunder klar wie Gott! Die Menschen liebt.
Vielen Dank für die umfassende einleuchtende Darstellung. Dieser zur Nachdenklichkeit führende Beitrag kann zeitlich nicht besser platziert sein.
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