Sogenannte Beweisführungen, die den Zuhörer mit “wie wir gesehen haben”, gefangen nehmen, taugen tatsächlich nur in Sekten und Verschwörungstheorien. Dadurch zwingt man den Leser sich zu entscheiden, für oder gegen die These zu sein. Wer es nämlich bis dahin nicht “gesehen” hat, weil er es vielleicht anders auffasst, stellt sich ins Abseits. Nach dem Motto: “Dir ist eben nicht mehr zu helfen”. Selten habe ich so ein schlecht verfasstes Pamphlet gelesen. Man könnte auch in einem Kochrezept die Gewinnmarge des Salzherstellers beklagen. Die Verlagswahl ist sicher kein zu kritisierende Punkt. Die Veröffentlichung hier, ist bedauerlich.
Ich habe das so fundiert bislang noch nicht gelesen. Dafür Dank. Ähnliche Darstellungen lassen mich aber schon lange nicht mehr los. Die Evangelien als ein Kompromiss, um die Geschichte Jesu zu erzählen und sich gleichzeitig nicht mit der Besatzungsmacht anzulegen. Die Juden als Sündenböcke. Die Urchristen lebten in Rom in ständiger Gefahr. Besser also eine Story erzählen, bei der die Römer gut aussehen!
Ich finde diese Sichtweise grotesk und zeitgeistig. Allein der Vorschlag, sich vermeintliche Argumentationsketten doch mal mit Schwarzen statt mit Juden vorzustellen, verrät eine intellektuelle Herangehensweise, die dem politischen Heckmeck der Post-2015-Ära entspringt. Eine dem Christentum zentrale Botschaft ist es, dass man Schuld in sich selbst und in der eigenen Gruppe zu suchen hat, NICHT in einem externen Bösewicht. Die Anstrengung, die Zustände zu verbessern, sollen sich nach innen richten, nicht nach außen. Wenn man Religion als Erzählung vom Idealen begreift, dem es nachzueifern gilt, ist die Sichtweise geradezu der Kern dessen, was wir heute als westliche Kultur kennen!
Ich plädiere auf Freispruch für die Römer. Der religiöse Konflikt war eine innerjüdische Angelegenheit, bei der Jesus die Spielregeln gebrochen hatte, nach denen der Messias zwar erwartet wird, jedoch keinesfalls kommen darf. Die Entscheidung, Jesus hinrichten zu lassen, lag beim Hohepriester Kaiphas. Die Verurteilung zur Todesstrafe und deren Vollstreckung war formell der römischen Besatzungsmacht vorbehalten, wie es im Artikel angedeutet wird. Hätte Pontius Pilatus Jesus begnadigt, wäre das diplomatische Verhältnis zwischen Römern und Tempel getrübt worden, was es zu vermeiden galt. Aus einem eigenem Interesse heraus hätten sich die Römer nicht um einen wortgewandten, exzentrischen Sandalenträger gekümmert, da ihnen Gotteslästerung im Sinne der hebräischen Bibel ziemlich gleichgültig gewesen sein dürfte. Und angenommen, die Provinz Judäa wäre nicht unter römischer Besatzung gestanden, wäre Jesus halt nicht gekreuzigt sondern gesteinigt worden. Mit dem heutigen Antisemitismus hat das alles jedoch wenig zu tun. Solange sich Juden als das von Gott auserwählte Volk betrachten, wird es Antisemitismus geben. Zum diesem Thema gäbe es noch weitere Aspekte, doch die würden an dieser Stelle zu weit führen.
Das beste, was ich bisher zum Thema gelesen habe, exzellent! Der Karfreitag ist ja der Gedenktag des Leides. Und als ich noch Glied einer christlichen Gemeinde war, habe ich mich an diesem Tage gefragt: Wieso ist Jesus auf diese Weise zu Tode gekommen, also mit Tortur, Demütigung und Erniedrigung vor der Öffentlichkeit. Qualvoll und für die Zuschauer unterhaltsam choreografiert, wem hätte das besser einfallen sollen als einem elitären Römer? Hat der alttestamentarische Gott keine Möglichkeit gesehen, seinen Gläubigen die Möglichkeit einer Wiederauferstehung und Erlösung ihrer Seelen verständlich darzustellen, als den Weg des Leidens, also die Passion nach römischem Brauch? Mag dieser Gott ja cholerisch sein, oft zornig, unbarmherzig und leicht reizbar, so muss man sich ja als naiver nachgeborener Menschling vorstellen: Es war ja nicht ein schlimmer Sünder, auch nicht irgendeiner aus der Masse, sondern es war sein treuester Diener und künftige Gottessohn, der da zum Leiden getrieben wurde. Wenn Gott nach menschlichem Ermessen intelligent ist und überhaupt Wesenszüge des Guten in sich trägt, so dachte ich, konnte er sich unmöglich in so schmählicher Weise den Römern angedient haben. Aus Sicht der römischen Aristokratie macht es nämlich sehr wohl Sinn, den Leuten die Wirksamkeit einer Religion vorzuführen, die Demut und Unterwerfung lehrt, nur kein Widerstand, kein Widerspruch, das garantiert Euch nach dem Tode die Erlösung. Das gesamte überlieferte Evangelium ist darauf zugeschnitten, den römischen Besatzern das Leben und Herrschen zu erleichtern. Kann das Zufall sein? Im Gegensatz zur heutigen modernen Theologie haben die jüdischen und christlichen Gläubigen aller Sektionen Gott als allmächtigen Weltenlenker und Schicksalsgestalter gesehen. Nicht als Verwalter und therapeutischer Berater von Prozessen, die einmal angestoßen, selbstorganisiert in Eigenverantwortung weiterlaufen. Warum beispielsweise haben die gläubigen Griechen sich damals nicht einfach ergeben?
An diesem Beitrag wird mir wieder einmal die Bedeutung von Heuristik klar, mit der sich unsereiner, Krethi und Plethi, an öffentlichen Diskussionen beteiligt. Was habe ich Malocher mit meiner 40h-Arbeitswoche an Ressourcen, an freier Zeit und Motivation übrig, um mir profunde Erkenntnisse über ideologische Ausrichtungen des Christentums seit der Urkirche selbst anzuerforschen? Man hat weder die Lateinkenntnisse noch die Zutrittsberechtigungen zu historischen Dokumenten des Vatikans, um Ausrichtungsbeschlüsse auf irgendwelchen spätantiken oder frühmittelalterlichen Konzilen zu durchleuchten. Öffentliche Diskussionen komplexer populärer, in den Hintergründen und Zusammenhängen aber irgendwelchen Spezialthemen-Nerds und Eggheads genauso unvollständig bekannten Problemen, findet auf Nicht- und Halbwissen, selbst gemachter Erfahrung oder Bauchgefühl statt! Meinen und Wollen ist darum in der Summe bei Entscheidern wie für Betroffene konsequent suboptimal. Ziel freier und offener Republiken ist es, den Angehörigen durch Bildung zur klaren Vorstellung davon zu führen, was zuerst überhaupt sicher gewusst werden kann, was immer nur prognostisch und was nie: Aufklärung ist Bildungsziel zertifizierter Republiken. Auf diese relativ kostengünstig zu bewerkstelligende Weise würde die allgegenwärtige heuristische Praxis des selbstherrlichen Mitmischens und Mitentscheidens zum Nutzen und “Frommen” von allen optimaler.
1. Maccoby blendet aus, dass Jesus selbst Jude war. Nur so kann man die Evangelien als antisemitisch beurteilen. 2. Die Evangelien sind im Zeitraum zwischen 70 und 120 n. Chr. entstanden. Und sie wurden von Judenchristen verfasst, die sich ihrer jüdischen Zugehörigkeit sehr bewusst waren (1. Apostelkonzil: Streit zwischen Petrus und Paulus, Heidenchristen). 3. “Zur Entfremdung (zw. Juden und Judenchristen) tragen entscheidend die Verfolgungen und Hinrichtungen bei: schon früh die des hellenistischen Judenchristen Stephanus…Jakobus…schließlich die Verhaftung des Heidenapostels Paul in Jerusalem und seine Hinrichtung.” Küng,Kl. Kirchengeschichte,S.39. Den endgültigen Bruch gab es nach der Zerstörung des 2. Tempels durch die Römer und dem pharisäisch besetzten, jüdischen Konzil, das die formelle Exkommunikation der Christen beschloss und verfügte, dass am Anfang jedes Synagogengottesdienstes eine “Ketzerverfluchung” zu wiederholen ist. So Küng. “Der Antijudaismus schon der Judenchristen, wie er sich beklagenswerterweise schon im Matthäus- und im Joh.-Evangelium niederschlägt, hat in der Verfolgung und dann in der Ausstoßung aus der Synagoge die entscheidenden Wurzeln. Die Exkommunikation der Christen…geht aller Verfolgung der Juden durch die Christen voraus.” K. S.39-40. 4. Entscheidend bleibt aber für mich die “Brüderlichkeitsethik” z.B. des Kolosserbriefes, in dem es heißt, es gebe jetzt nicht mehr “Juden und Griechen, Beschnittene und Unbeschnittene, Fremde, Skythen, Sklaven und Freie” ...all diese Schranken seien im christlichen Glauben überwunden, und im Johannesevangelium steht dafür die provokative Begründung: Die Christen seien alle gleichermaßen Kinder Gotttes, nicht aus Willen des Fleisches, nicht aus Willen des Menschen.” , sondern “aus Gott geboren” Joh.1,13 (Lütz S.26)Abschließend bleibt zu sagen, dass die Bibel anders als der Koran nicht das wörtlich zu nehmende Wort Gottes, sondern ein Bericht über das Wirken Gottes in derWelt ist, auch das NT.
Die Ausübung der Todesstrafe durch Kreuzigung war eine römische (und keine jüdische) Praxis und möglicherweise sogar Erfindung gewesen.
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