Thilo Sarrazin / 24.06.2024 / 06:15 / Foto: Achgut.com / 64 / Seite ausdrucken

Das Staatsschiff Deutschland bleibt auf Eisberg-Kurs

Die SPD hofft, sich bei der Bundestagswahl 2025 mit Hilfe der dankbaren Rentner weiter an der Macht zu halten. Aber die Rentner können ihr einen Strich durch die Rechnung machen und verhindern, dass ein Bundeskanzler Scholz weitere vier Jahre den Niedergang im deutschen Asylparadies verwalten darf.

Mitte der Sechzigerjahre des vergangenen Jahrhunderts setzte in Deutschland ein säkularer Geburtenrückgang ein, der die Zahl der Geburten dauerhaft unter das Bestandserhaltungsniveau absenkte. 1964 wurden in Deutschland noch 1,4 Millionen Kinder geboren. 2023 waren es weniger als 700.000, und davon entfiel die Hälfte auf Mütter mit Migrationshintergrund. Die sogenannten Babyboomer nähern sich jetzt dem Rentenalter. Die Jahrgangskohorten der Nachrücker sind durchweg um 40 bis 50 Prozent kleiner. Die jährliche Lücke von rd. 500.000 kann allenfalls teilweise durch ausreichend qualifizierte Zuwanderung ausgefüllt werden.

So gerät in der gesetzlichen Rentenversicherung die Balance zwischen Beitragszahlern und Rentnern immer mehr aus dem Gleichgewicht. Der Beitragssatz von 18,5 Prozent in der gesetzlichen Rentenversicherung ist seit vielen Jahren nur deshalb haltbar, weil der Staat immer mehr aus der Staatskasse zubuttert. 2022 lebte die gesetzliche Rentenversicherung schon zu über 30 Prozent von Staatszuschüssen. Jährlich fließen in Deutschland rund 180 Mrd. Euro aus dem Staatshaushalt in die Sozialversicherung, denn nicht nur die Rentenversicherung, sondern auch die Kranken- und die Pflegeversicherung sind finanziell notleidend und kommen ohne ständig wachsende Staatszuschüsse nicht mehr über die Runden.

Die Republik der Rentner

Die jetzige Situation gleitet seit Jahrzehnten wie ein Eisberg auf Deutschland zu und löste viele Diskussionen und Reformanstrengungen aus.  Die rotgrüne Bundesregierung unter Bundeskanzler Schröder baute schließlich nach intensiven Debatten 2004 einen Nachhaltigkeitsfaktor in die Formel zur Berechnung der Rentenhöhe ein. Die Last der demografischen Verschiebungen sollte so zwischen Beitragszahlern und Rentnern ausgewogen verteilt werden. Schon unter der Bundeskanzlerin Merkel wurde der Nachhaltigkeitsfaktor allerdings wiederholt ausgesetzt, und jetzt wurde er durch die jüngste Rentenreform der Bundesregierung ganz abgeschafft. Zunächst bis 2040 wird für den Standardrentner ein Rentenniveau von 48 Prozent garantiert. Die Menschen im Rentenalter stellen halt im überalterten Deutschland das größte Wählerpotential, und sie haben die höchste Wahlbeteiligung. 

Die Finanzierung bleibt offen. Nach Lage der Dinge kann sie nur durch weiter steigende Staatszuschüsse und/oder durch steigende Sozialbeiträge gesichert werden. So oder so ist die politische Botschaft der rot-grün-gelben Bundesregierung klar: Das immer kleiner werdende Potential der Erwerbstätigen soll zahlen, entweder durch mehr Steuern oder mehr Sozialbeiträge. 

Dabei ist die direkte Abgabenbelastung heute schon in Deutschland im internationalen Vergleich sehr hoch. Die Folge: Viele Menschen überlegen sich genau, wieviel bezahlte Arbeit sich für sie noch lohnt. Die Zahl der Arbeitsstunden pro Erwerbstätigen ist auch aus diesem Grund in Deutschland um 30 Prozent niedriger als in der Schweiz oder in den USA. Die Schweizer Wirtschaft darf sich freuen: Auch künftig wird es viele qualifizierte Deutsche in die Schweiz ziehen, wo sie auf deutlich höhere Einkommen deutlich weniger Abgaben zahlen müssen als in Deutschland. 

Lieber in die USA

Aber die qualifizierten Arbeitskräfte aus aller Welt, die Deutschland so heiß ersehnt und wegen seiner demografischen Lücke so dringend braucht, werden mit Blick auf das Gehaltsnetto auf ihrem Lohnzettel dann doch lieber in die USA, nach Großbritannien oder in die Schweiz gehen als nach Deutschland. Für Deutschland bleiben die internationalen Asylantenströme, die überwiegend von Transfereinkommen leben. Sie können sich dann zusammen mit den Rentnern um den deutschen Staatskuchen streiten, während die Infrastruktur weiter verkommt, der Bundeswehr die Ausrüstung fehlt und die deutschen Realeinkommen im internationalen Vergleich immer weiter zurückfallen.

Die SPD hofft offenbar, sich bei der Bundestagswahl 2025 mit Hilfe der dankbaren Rentner weiter an der Macht zu halten. So könnte ein Bundeskanzler Scholz weitere vier Jahre den deutschen Niedergang verwalten und das Asylparadies auch noch zur Rentnerfestung ausbauen. Es ist zu hoffen, dass ihm der Wähler einen Strich durch die Rechnung macht – vielleicht, weil dem deutschen Rentner das langfristige Wohl seiner Enkel doch wichtiger ist als unfinanzierbare Staatsgeschenke auf Kosten der Zukunft.

Zuerst erschienen in der Zürcher Weltwoche

Foto: Achgut.com

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Wolfgang Richter / 24.06.2024

@ Gundela Casciato - “Nun saufen wir ab, mit Sack und Pack, vielleicht auch besser so als atomisiert zu werden.”—Da “wir” mit werte-politischem Schwung auf eine Eskalation des Krieges zugetrieben werden, hilft ein Blick auf die Europakarte, wo sich ein möglicher Austausch aller möglichen “Raketenwaffen” -incl. atomar bestückter unter Beteiligung der Briten und Franzosen- abspielen dürfte, um “den Russen” zu stoppen. Da werden “unsere Freunde” im Westen sicher keine Rücksichten auf deutsche Befindlichkeiten nehmen. Hilfreich zur Beurteilung des auf uns ggf. Zukommenden ist vielleicht das Interview des Serben Vucic beim “Weltwoche-Köppel”. Da auch die Serben das Liefern von Granaten an die Ukraine -über Umwege- als Geschäftsmodell erkannt haben, dürften sie ggf. auch wissen, was ihre westlichen Geschäftspartner weiterhin im Schilde führen. Sicher hat diesbezüglich auch die Stationierung von US-Truppen in Polen vor der Weißrussischen Grenze nichts zu bedeuten, ist die Bundeswehr-Panzertruppe demnächst in Litauen ohne Belang.

Markus Viktor / 24.06.2024

Strich durch die Rechnung: allen kinderlosen Beamten, Richtern und sonstigen Staatspensionären, auch denen im ÖRR,  die Bezüge auf maximal 3.000 Euro brutto im Monat kürzen. Deren Beihilfe und dergleichen auf das Niveau der gesetzlichen Krankenkassen reduzieren. Deren Erbe bekommt der Staat zur Finanzierung der Renten. Bin selbst kinderlos und halte das für angemessen. Je 3.000 im Monat für Frau Merkel, für Herrn Sauer, für Herrn Scholz und Frau Ernst sollte genügen. Besserverdienende Kinderlose sollten aus ihrem Besserverdienst Rücklagen bilden. Selbst wenn das nur Symbolpolitik wäre, wäre es richtig, aber 2022 scheint es 1.380.300 Pensionärinnen und Pensionäre des öffentlichen Dienstes nach dem Beamten- und Soldatenversorgungsrecht gegeben haben, laut Statistischem Bundesamt. Durchschnittliches Ruhegehalt von 3.240 Euro brutto im Monat. Der höhere Dienst sogar 4.973 Euro im Schnitt (Capital de: rente-gegen-hohe-beamtenpension ...). Ich betone: gemeint sind nur die Kinderlosen. Ceterum censeo: Remigration für kriminelle und extremistische Einwanderer und für die in die Sozialsysteme. Entlastet auch alle kooperativen Einwanderer.

Emil.Meins / 24.06.2024

@gerhard giesemann / @Emil.Meins:  “Bei der Demografie geht es immer nur um die Frage: Wieviele Todes- und Sterbefälle stehen wie vielen Lebendgeburten gegenüber? Dabei zählen NUR die Frauen, Männer spielen in der Statistik keine Rolle, weil ein ubiquitärer konstanter Faktor.  Man unterscheidet deshalb auch zwischen Brutto- und Nettogeburtenrate oder -zahl. Netto, das sind die weiblichen Säuglinge.” ==> Ich glaube, Sie erzählen wieder mal Ihre eigene Statistik/Meinung, denn ich habe mir mal die Mühe gemacht, die Statistik selbst nachzuprüfen, sie ist sehr wohl nach Geschlecht der Neugeborenen und etlichen anderen Merkmalen aufgeschlüsselt. Und “ubiquitärer konstanter Faktor” hört sich zwar gut an, aber was soll das bedeuten? Daß überall immer gleichviele Männer geboren werden? Wer bestimmt das? Gott oder Herr Giesemann, oder sind die identisch? Man kann vielleicht sagen, daß die Geburtenrate sich nur auf Mütter bezieht, denn bisher können trotz anderslautender Bestrebungen und Behauptungen gewisser Kreise, die biologische Tatsachen leugnen, nur Frauen Kinder produzieren. Da nur sie die dafür notwendige Maschinerie besitzen. Mit Grüßen..

janblank / 24.06.2024

Der Kanzler gestern über Newsticker auf NTV: Wir werden den Sozialstaat verteidigen. Das klingt wie ein Brandstifter, der die anrückende Feuerwehr unter Beschuss nimmt. Im Übrigen: Schrumpfende Bevölkerung bei Überalterung- warum eigentlich nicht? In Japan pflegen die 80 - jährigen die Hundertjährigen. Keine Messermänner, so gut wie keine Kriminalität, everybodys happy. Sollte man sich nach grünem Kernverständnis denn nicht genau so still und leise vom Acker machen?

Emil.Meins / 24.06.2024

In der WELT kommt das Püppi Kristina Schröder, Ehemalige Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, die dort als Gastautorin launige Texte veröffentlicht, mit der Superidee: “Wie wäre es, Ältere im Ruhestand zu einem Dienst an der Gesellschaft zu verpflichten?” Man muß sagen, die Frau hat Ideen, vermutlich hat sie auch das Bild von den faulen, überbezahlten Rentnern im Kopf, die ständig auf Kreuzfahrt gehen. Diese Bild wird in den Medien durch entsprechende Fotos immer dann vermittelt, wenn von Rentnern die Rede ist, auch der Begriff Golden Ager dient eigentlich nur Marketingzwecken. In der Realität hat sicher nur ein Teil der Rentner so großzügige Renten, der Rest krebst halt irgendwie rum. Begründet wird das ganze mit der Ungerechtigkeit gegenüber der Jugend, die nun neben der Finanzierung der Renten der faulen Abhänger auch noch dienstverpflichtet werden soll. Eindeutig schielt die Dame doch auf die Wählergruppe Teens und Twens…wenn man ihre Twitter/X-Postings dazu liest, wird diese Zielrichtung noch deutlicher, mit Hinweis auf die Coronabedingten “verlorenen entscheidenden Jahre und unwiederbringlichen Erfahrungen”. War nicht der damalige Gesundheitsminister Spahn ihr Parteikollege? Wer war denn für die damaligen Entscheidungen verantwortlich? Der liebe Gott? Und jetzt wollen sie daraus noch Kapital schlagen, die charakterlosen H….

Lutz Herrmann / 24.06.2024

@Schneider: der größte Anteil entfällt auf Landesbedienstete, die man mit Unternehmensberatern nicht ersetzen kann. Trotzdem ist der ÖD zu groß, teuer und erfüllt seine Aufgaben nicht.

Ernst-Fr. Siebert / 24.06.2024

Es ist häufig zu beobachten, das scharfsinnige Zeitgenossen zutreffende Analysen erstellen, aber nicht willens oder in der Lage sind die erforderlichen Konsequenzen zu benennen, oder gar durchzuziehen. Es ist eben leichter dann, wenn die Katastrophe zur Handlung zwingt.

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