Die SPD hofft, sich bei der Bundestagswahl 2025 mit Hilfe der dankbaren Rentner weiter an der Macht zu halten. Aber die Rentner können ihr einen Strich durch die Rechnung machen und verhindern, dass ein Bundeskanzler Scholz weitere vier Jahre den Niedergang im deutschen Asylparadies verwalten darf.
Mitte der Sechzigerjahre des vergangenen Jahrhunderts setzte in Deutschland ein säkularer Geburtenrückgang ein, der die Zahl der Geburten dauerhaft unter das Bestandserhaltungsniveau absenkte. 1964 wurden in Deutschland noch 1,4 Millionen Kinder geboren. 2023 waren es weniger als 700.000, und davon entfiel die Hälfte auf Mütter mit Migrationshintergrund. Die sogenannten Babyboomer nähern sich jetzt dem Rentenalter. Die Jahrgangskohorten der Nachrücker sind durchweg um 40 bis 50 Prozent kleiner. Die jährliche Lücke von rd. 500.000 kann allenfalls teilweise durch ausreichend qualifizierte Zuwanderung ausgefüllt werden.
So gerät in der gesetzlichen Rentenversicherung die Balance zwischen Beitragszahlern und Rentnern immer mehr aus dem Gleichgewicht. Der Beitragssatz von 18,5 Prozent in der gesetzlichen Rentenversicherung ist seit vielen Jahren nur deshalb haltbar, weil der Staat immer mehr aus der Staatskasse zubuttert. 2022 lebte die gesetzliche Rentenversicherung schon zu über 30 Prozent von Staatszuschüssen. Jährlich fließen in Deutschland rund 180 Mrd. Euro aus dem Staatshaushalt in die Sozialversicherung, denn nicht nur die Rentenversicherung, sondern auch die Kranken- und die Pflegeversicherung sind finanziell notleidend und kommen ohne ständig wachsende Staatszuschüsse nicht mehr über die Runden.
Die Republik der Rentner
Die jetzige Situation gleitet seit Jahrzehnten wie ein Eisberg auf Deutschland zu und löste viele Diskussionen und Reformanstrengungen aus. Die rotgrüne Bundesregierung unter Bundeskanzler Schröder baute schließlich nach intensiven Debatten 2004 einen Nachhaltigkeitsfaktor in die Formel zur Berechnung der Rentenhöhe ein. Die Last der demografischen Verschiebungen sollte so zwischen Beitragszahlern und Rentnern ausgewogen verteilt werden. Schon unter der Bundeskanzlerin Merkel wurde der Nachhaltigkeitsfaktor allerdings wiederholt ausgesetzt, und jetzt wurde er durch die jüngste Rentenreform der Bundesregierung ganz abgeschafft. Zunächst bis 2040 wird für den Standardrentner ein Rentenniveau von 48 Prozent garantiert. Die Menschen im Rentenalter stellen halt im überalterten Deutschland das größte Wählerpotential, und sie haben die höchste Wahlbeteiligung.
Die Finanzierung bleibt offen. Nach Lage der Dinge kann sie nur durch weiter steigende Staatszuschüsse und/oder durch steigende Sozialbeiträge gesichert werden. So oder so ist die politische Botschaft der rot-grün-gelben Bundesregierung klar: Das immer kleiner werdende Potential der Erwerbstätigen soll zahlen, entweder durch mehr Steuern oder mehr Sozialbeiträge.
Dabei ist die direkte Abgabenbelastung heute schon in Deutschland im internationalen Vergleich sehr hoch. Die Folge: Viele Menschen überlegen sich genau, wieviel bezahlte Arbeit sich für sie noch lohnt. Die Zahl der Arbeitsstunden pro Erwerbstätigen ist auch aus diesem Grund in Deutschland um 30 Prozent niedriger als in der Schweiz oder in den USA. Die Schweizer Wirtschaft darf sich freuen: Auch künftig wird es viele qualifizierte Deutsche in die Schweiz ziehen, wo sie auf deutlich höhere Einkommen deutlich weniger Abgaben zahlen müssen als in Deutschland.
Lieber in die USA
Aber die qualifizierten Arbeitskräfte aus aller Welt, die Deutschland so heiß ersehnt und wegen seiner demografischen Lücke so dringend braucht, werden mit Blick auf das Gehaltsnetto auf ihrem Lohnzettel dann doch lieber in die USA, nach Großbritannien oder in die Schweiz gehen als nach Deutschland. Für Deutschland bleiben die internationalen Asylantenströme, die überwiegend von Transfereinkommen leben. Sie können sich dann zusammen mit den Rentnern um den deutschen Staatskuchen streiten, während die Infrastruktur weiter verkommt, der Bundeswehr die Ausrüstung fehlt und die deutschen Realeinkommen im internationalen Vergleich immer weiter zurückfallen.
Die SPD hofft offenbar, sich bei der Bundestagswahl 2025 mit Hilfe der dankbaren Rentner weiter an der Macht zu halten. So könnte ein Bundeskanzler Scholz weitere vier Jahre den deutschen Niedergang verwalten und das Asylparadies auch noch zur Rentnerfestung ausbauen. Es ist zu hoffen, dass ihm der Wähler einen Strich durch die Rechnung macht – vielleicht, weil dem deutschen Rentner das langfristige Wohl seiner Enkel doch wichtiger ist als unfinanzierbare Staatsgeschenke auf Kosten der Zukunft.
Zuerst erschienen in der Zürcher Weltwoche