Fettlebe, Vetternwirtschaft, Filz: Enthüllungen aus den Sümpfen der sogenannten Öffentlich-Rechtlichen sorgen für helle Empörung. Implodiert das System? Denkste. Eher geht eine Ricarda Lang durch ein Nadelöhr, als dass Deutschland vom Zwangsgebührenfunk erlöst wird.
„Die Wahrheit ist ein kostbares Gut. Man kann gar nicht sparsam genug damit umgehen.“
Was der grandiose Schauspieler Ulrich Tukur als Finanzjongleur in Dieter Wedels Gaunerkomödie „Gier“ als seinen Modus Operandi beschreibt, könnte auch als Maxime über den Anstaltspforten von ARD, ZDF und Deutschlandfunk stehen.
Tatsächlich hat das politische Framing dessen, was die Wahrheitsmedien als Informationen versenden, mittlerweile ein verblüffendes Ausmaß erreicht. Der Philosoph und langgediente Medienanalytiker Prof. Norbert Bolz sagt, er könne sich „kein Bild mehr von der Welt machen, wenn die Informationen der Öffentlich-Rechtlichen nicht immer wieder durch das Netz relativiert würden.“
Wohl wahr. Die Komplizenschaft der Sendeanstalten mit den Herrschenden und deren gesinnungsethischen Souffleuren ist spätestens nach Merkels Salto Mortale beim Atomausstieg derart innig geworden, dass man unschwer zum Schluss gelangen kann: Eine diskursive Reanimation der Bundesrepublik kann unmöglich klappen ohne eine vorherige Zerschlagung des „öffentlich-rechtlich“ genannten Rundfunksystems.
Institutionell legitimierte Abgreifereien
Vielleicht mit anschließendem Neubau? Ein stark abgespeckter, paritätisch auf Vordermann gebrachter Senderverbund? Welcher das tut, was die BBC sehr lange – gegenwärtig auch nur mehr teilweise – tat: informieren und streiten statt indoktrinieren, ausgrenzen, denunzieren?
Ist das realistisch? Einen Hoffnungsschimmer, der unfairste und teuerste Gebührenfunk der westlichen Welt könnte einen fundamentalen Hau abkriegen, meinten Staatsfunkkritiker am 23. Juni 2022 zu erblicken. Da berichtete das zum Springer-Konzern gehörende Nachrichtenportal Business Insider auf seiner deutschen Website erstmals über mutmaßlichen Filz & Vetternwirtschaft beim kleinen, dummen ARD-Sender RBB.
Anfangs ging es bloß um das, was sich dessen arrogante Intendantin Patricia Schlesinger im Wortsinn geleistet hatte (italienisches Büroparkett, Luxusdienstwagen mit Massagesitzen, Spesenessen im Privathaus usw.). Nebenher wurden auch ihr fettes Gehalt, dubiose Boni und andere institutionell legitimierte Abgreifereien publik.
Stinkige Stücke aus den Leichenkellern der Öffis
Weil sich die Dame, einstmals als Reporterin des linken ARD-Magazins Panorama gern anklägerisch gegen Abzocker der Privatwirtschaft unterwegs, beim Handling der Chose schwer verzockte, warf der RBB sie fristlos raus. Notgedrungen, denn der mächtige, noch weitaus üppiger als Schlesinger aus dem Zwangsgebührentopf alimentierte WDR-Intendant Tom Buhrow rührte keinen Finger für sie. Im Gegenteil: „Wir sind alle in der ARD inzwischen enttäuscht und auch wütend", ließ der faktische ARD-Vorsteher verlauten. Auch Buhrow wird übrigens in einer Dienst-Limousine mit Massagesitzen rumkutschiert.
Warum auch nicht? Hatte nicht schon der berühmte Kommunikationstheoretiker Marshall McLuhan einen Druckfehler auf dem Cover seines später vielzitierten Werks „The medium is the massage“ (das eigentlich „The medium is the message“ heißen sollte), als den in seinen Augen irgendwie zutreffenderen Titel amüsiert begrüßt und stehen lassen?
Mit dem Abservieren der Frau Schlesinger, die sich kürzlich in einem weichwolligen Zeit-Interview um eventuell verbliebene Reste ihrer Würde redete, war es freilich nicht getan. Denn der verdammte Business Insider hatte Blut geleckt. Offensichtlich war das Portal zum Kummerkasten von Whistleblowern geworden, die ihm aus Leichenkellern der Öffis (wie sich der Staatsfunk gern neckisch nennen lässt) weitere stinkige Stücke zusteckten.
Von den eigenen Angestellten verpetzt
Die Ironie der Schlesinger-Affäre: Whistleblower, die von den Öffis anlässlich von „Panama-Papers“ und anderen Durchstechereien regelmäßig als heldenhafte Infopartisanen gefeiert werden, waren hier mal andersrum aktiv. Da wurden keine Firmeninterna an den Staatsfunk oder andere Linksmedien verpfiffen, sondern der Staatsfunk wurde von eigenen Angestellten verpetzt.
Wenn auch kaum jemand innerhalb der Öffis an deren dreister Agitation viel auszusetzen hat, so lauern doch privater Neid und Ressentiments hinter mancher Bürotür. Weil die Bossinnen und Bosse sich wie Fürsten aufführen, das Fußvolk sich dagegen missachtet fühlt, schwelt alleweil Wut und Rachsucht. Bezeichnend, dass „Massagesitze“ jenes Wort war, welches die lauteste Empörung triggerte. Allerdings waren unter den Dolchstoßern mit Sicherheit auch gut dotierte Chargen. Gewisse Infos kann nur streuen, wer in der Hierarchie ziemlich weit oben sitzt. Praktisch bereits nahe am Massagesitz.
Der Business Insider enthüllte weiterhin, dass auch im NDR Hamburg Vetternwirtschaft herrschte. Zudem seien Redakteure im Kieler NDR politisch gegängelt worden. Und beim BR, so meldete zur Abwechslung mal die Bild, ließ eine Direktorin durch zwei Fahrer gleich zwei Dienstwagen bewegen, die sie auch privat nutzen durfte. Also die Dienstwagen, nicht die Fahrer.
Stunk im Funk!
Stunk im Funk! Absehbar, dass aus anderen Anstalten ebenfalls Unschönes zutage treten würde. Kurz, „die Scheiße türmte sich so rasant auf, dass man Flügel brauchte, um sich darüber halten zu können“, wie es Captain Willard formuliert, Protagonist des filmischen Meisterwerks „Apocalypse Now“ von Francis Ford Coppola.
Nun geriet der Apparat ins Rumoren. Dass der „Einzelfall Schlesinger“ sich zu einer veritablen Krise des Staatsfunks ausweiten könnte, war die Sorge nicht bloß der Staatsfunker, sondern auch vieler Journos in Privatmedien. Denn zwischen den strammen Haltungsjournalismus beider Gruppen passt, geht es etwa um die Themen Migration, Klima oder Energie, kein Blatt chlorfrei gebleichtes Umweltpapier aus einer Greenpeace-Broschüre.
Die internen Reparaturbetriebe der Sender, zum Beispiel das NDR-Medienmagazin Zapp, täuschten schonungslosen Aufklärungswillen gekonnt vor. Und Medienbeobachter in privaten Publikationen versuchten, das „systemische Problem“ des Staatsfunks zu thematisieren und gleichzeitig zu zerquasseln („…problematische personelle Verflechtungen…“, „…die Führung muss anders aufgestellt werden…“,“…bessere Kontrollmechanismen…“).
Staatlicher Dickdampfer mit politischer Schlagseite nach Backbord
Man muss dazu wissen, dass ein erheblicher Teil der sogenannten Medienjournalisten (unter der ulkigen Berufsbezeichnung firmieren Leute, die vornehmlich über Medien und Medienpersonalien berichten) sich nur mit Mühe über Wasser hält. Nicht wenige gehören zum schreibenden Prekariat, einige sind mittlerweile gescheiterte Existenzen. Von denen ist eine fundamentale Kritik an den Öffis verständlicherweise nicht erwartbar. Ihr sehnlicher Wunsch ist es ja, irgendwann fest bei den Öffis anzudocken.
Dort wären sie auf immer und drei Tage versorgt. Sofern sie nicht Computer klauen, Zweifel am menschengemachten Klimawandel äußern oder andeuten, sie seien nicht völlig sicher, ob es 2018 in Chemnitz tatsächlich zu regelrechten Hetzjagden auf Ausländer gekommen ist.
Im Grunde hat die Diskussion anstaltsaffiner Kreise um die Themen Mega-Gehälter, Gaunereien, Postenschiebereien, Nepotismus, dicke Schlitten und Massagesitze zuvörderst den Zweck, das Publikum abzulenken. Von der Tatsache nämlich, dass der staatliche Dickdampfer seit langem eine politische Schlagseite nach Backbord aufweist, die einem Kentern nahekommt. Dies zum Kernthema der epischen Debatte um den Gebührenfunk zu machen, mühen sich Systemkritiker seit Jahr und Tag vergebens.
Wer sollte den staatshörigen Meinungsmachern den Geldhahn zudrehen?
Haben sie jetzt Anlass, Morgenluft zu wittern?
Bei Tichys Einblick hegt man umfragebestärkte Hoffnungen, der Staatsfunk werde vielleicht irgendwann kollabieren, aufgrund mangelnder Akzeptanz seitens der Zwangszahler. Im neuen Digitalsender Kontrafunk meint die Berliner Unternehmerin Silke Schröder, der Unmut über die Öffis habe sehr stark zugenommen, „es kracht im Gebälk des ÖRR“. Und nach Ansicht des Cicero enthält der staatliche Senderkomplex sowieso drei kapitale Fehler („Zu links, zu groß, zu teuer“). Er gehöre „endlich renoviert“.
Letzterer Wunsch geht leider an der Sache vorbei. Häuser, die bis auf die Grundmauern verrottet sind, müssen bekanntlich abgerissen und bei Bedarf neu errichtet werden – eine Renovierung käme teurer.
Der staatsmonopolistische Kapitalismus, welcher für die SPD-Linksausleger in den frühen 1970ern der damals existierenden Wirtschaft immanent schien („Stamokap“), hat sein reales Pendant ein halbes Jahrhundert später im Stamofunk gefunden. Im risikolosen, staatlich beschützten Tendenzfunk der Öffis.
Hoffnungen auf deren Implosion sind, mit Verlaub, recht naiv. Umfragen scheren die Funker einen Dreck. Die Meinung des hochverachteten Publikums kann ihnen letztlich wurscht sein, solange das Geld sprudelt. Und wer, bitte, sollte ein Interesse daran haben, staatshörigen Meinungsmachern den Gebührenhahn zuzudrehen? Am wenigsten der Staat selber, der dazu allein in der Lage wäre.
Auf DDR-Niveau runtergerammelter Stamofunk
Nein, dieses System kann unmöglich kollabieren. Es wird ja gebraucht. Wer, außer den Öffis, gibt denn jeden Tag aber auch wirklich alles für die Delegitimierung jedweder Opposition und die Stärkung der Beinahe-Allparteienregierung? Eher geht eine Ricarda Lang durch ein Nadelöhr, als dass Deutschland erlöst würde vom Agitprop-Funk.
Doch werden nicht in Frankreich und Großbritannien ernstliche Schritte unternommen, die Staatssender zu entmüllen und zu demokratisieren? Ja. Aber! Was für die BBC und das französische Staatsfernsehen geplant oder schon umgesetzt ist, das sind Reformen. Möglicherweise bewirken sie was. Beide Sendergruppen sind ja nie gänzlich in die Hände einer woken Predigerkaste gefallen.
Beim streckenweise bis auf DDR-Niveau runtergerammelten deutschen Stamofunk dagegen fruchten Überarbeitungen nichts mehr. Wie sagten schon die ollen Spontis? „Das System hat keine Fehler. Das System ist der Fehler.“