Nach der Tat von Solingen sondert die politische Klasse lauter Selbstverständlichkeiten ab – dies aber mit besonderem Nachdruck.
„Für dieses brutale Verbrechen wird der Täter von unserem Rechtsstaat zur Rechenschaft gezogen werden“, erklärte der Bundesjustizminister Marco Buschmann nach dem Messerangriff in Solingen, bei dem drei Menschen getötet und mehrere weitere schwer verletzt wurden. Warum betont der Bundesjustizminister dies so? Besteht etwa die Möglichkeit, dass der Täter für dieses Verbrechen nicht von unserem Rechtsstaat zur Rechenschaft gezogen wird? Ist so etwas vielleicht schon einmal vorgekommen?
Wenn Politiker anfangen, Selbstverständlichkeiten zu äußern, sollte man sehr wachsam sein. Wenn ein Politiker sagt: „Der Täter muss schnell gefasst und bestraft werden“, stellt sich die Frage: Was denn sonst? Gibt es etwa einen Politiker, der fordert, der Täter solle langsam gefasst und nicht bestraft werden? Genauso absurd ist es, wenn bei einem solchen Anschlag von „unschuldigen Opfern“ gesprochen wird. Gibt es etwa auch „schuldige Opfer“?
Ein sehr beliebter Satz lautet: „Ich fordere eine schnelle und lückenlose Aufklärung.“ Hat jemals ein deutscher Politiker in eine Kamera gesprochen: „Ich fordere eine langwierige und lückenhafte Aufklärung“? Solche Floskeln zeigen nur, dass der Politiker, der so spricht, keine Ahnung hat, wovon er redet, und sich lediglich hinter Phrasen versteckt. Vielleicht trägt er sogar eine Mitschuld an der Situation.
Auf der Suche nach einem Schuldigen denkt Bundesinnenministerin Nancy Faeser an das Waffenrecht und will es verschärfen. Messer sollen in der Öffentlichkeit nur noch bis zu einer Klingenlänge von sechs Zentimetern statt bisher zwölf Zentimetern mitgeführt werden dürfen. Sie sagt: „Für gefährliche Springmesser wollen wir ein generelles Umgangsverbot schaffen. Entsprechende Waffenrechtsänderungen werden wir in Kürze vorlegen.“
Glaubt Ihr, dass sich Terroristen an deutsche Gesetze halten?
Eine solche Regelung hätte den Anschlag in Solingen sicherlich verhindert, denn der Terrorist hätte bestimmt zu Hause die Länge der Klinge abgemessen und wäre zu dem Schluss gekommen, dass er damit leider keinen Anschlag verüben darf. Vermutlich fordert Nancy Faeser bald auch, dass Männer nur noch bis zu einer bestimmten Penislänge nachts rausgehen dürfen, um Vergewaltigungen zu verhindern.
SPD-Chef Lars Klingbeil fordert ein nahezu komplettes Messerverbot auf Straßen und erklärt: „Dieser wahrscheinliche Terrorangriff zeigt: Deutschland hat ein Problem mit Messergewalt.“ Es würde mich nicht wundern, wenn Lars Klingbeil bald fordert, alle Orte zur Rechenschaft zu ziehen, an denen Messer hergestellt werden, wie zum Beispiel Solingen. Welche Schuld trägt die Messerstadt Solingen am Messeranschlag in Solingen?
Lars Klingbeil fordert, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, damit „Messer von Deutschlands Straßen und Plätzen verschwinden“ und ruft zu „schnellen und konsequenten Maßnahmen“ auf. Wann hat Lars Klingbeil eigentlich das letzte Mal langsame und inkonsequente Maßnahmen gefordert? Er fordert: „Für mich gibt es keinen Grund, warum Menschen Stichwaffen im Alltag mit sich führen sollten.“ Und für mich gibt es keinen Grund, warum man Menschen zwingen sollte, Steuern dafür zu entrichten, dass ein Politiker wie Lars Klingbeil Geld bekommt.
Robert Habeck gibt derweil fast gleichlautend zu Protokoll: „Mehr Waffenverbotszonen und strengere Waffengesetze“ seien notwendig und richtig. „Hieb- und Stichwaffen braucht niemand in Deutschland in der Öffentlichkeit. Wir leben nicht mehr im Mittelalter.“ Wer ist wohl dieses "Wir", das er da anspricht und nicht mehr Mittelalter leben soll? Vermutlich ist es das "Wir", von dem die Kanzlerin einmal gesagt hat: "Wir schaffen das!“ Was auch immer es ist, was wir schaffen sollen, Robert Habeck irrt. Wir leben zwar nicht mehr im Mittelalter, aber das Mittelalter ist vielleicht bald wieder unter uns.
Was passiert eigentlich, wenn demnächst ein Terrorist in einer Messerverbotszone Menschen niedersticht? Wie hoch ist das Ordnungsgeld dafür, wenn ein Terrorist seinen Anschlag unter der Ordnungswidrigkeit des Mitführens eines Messers begeht? Und überhaupt, warum hat Lars Klingbeil so großes Vertrauen in Terroristen, dass er glaubt, sie würden sich an deutsche Gesetze halten?
Aber vielleicht ist die Forderung von Lars Klingbeil gar nicht so abwegig, denn in einer Messerverbotszone könnte man das Ordnungsamt zusammen mit der Polizei losschicken, um das alles zu kontrollieren. Die vereinten Ordnungshüter waren ja auch während der Maskenpflicht rund um COVID-19 plötzlich ganz engagiert und führten stolz und sichtlich erregt aus, was ihnen alles befohlen wurde. Vielleicht lautet der deutsche Befehl der Zukunft: „Maske auf und Messer weg!“
Gerd Buurmann. Als Theatermensch spielt, schreibt und inszeniert Gerd Buurmann in diversen freien Theatern von Köln bis Berlin. Er ist Schauspieler, Stand-Up Comedian und Kabarettist. Im Jahr 2007 erfand er die mittlerweile europaweit erfolgreiche Bühnenshow „Kunst gegen Bares“. Mit seinen Vorträgen über Heinrich Heine, Hedwig Dohm und den von ihm entwickelten Begriffen des „Nathan-Komplex“ und des „Loreley-Komplex“ ist er in ganz Deutschland unterwegs. Seit April 2022 moderiert er den Podcast „Indubio“ der Achse des Guten. Sein Lebensmotto hat er von Kermit, dem Frosch: „Nimm, was Du hast und flieg damit!“