Gastautor / 22.04.2021 / 11:04 / Foto: Stefan Klinkigt / 36 / Seite ausdrucken

Das Skorpion-Gleichnis: Also sprach Lauterbach

Von Egon Meyer.

"Also […] exponentielles Wachstum […] – also […]". Ein "Gesundheitsexperte" ließ sich in einer Talkshow über "exponentielles Wachstum der Corona-Fallzahlen" aus. Sein Redestil erinnerte mich an eine Begebenheit aus der Studentenzeit Anfang der 1980er Jahre (Architekturstudium in Braunschweig). Damals ging es auch um "exponentielles Wachstum".

Ich hatte seinerzeit in Saudi-Arabien auf dem Bau gearbeitet und nach der Rückkehr versteinertes Holz, einen fossilen Abdruck eines Ur-Skorpions und zwei lebende Exemplare mit im Gepäck. Ich wollte sie dem Naturhistorischen Museum vermachen. Doch leider: "Skorpione sind nachtaktiv. Und nachts haben wir keine Besucher."

Also baute ich mir ein Terrarium und war stolzer Besitzer von … plötzlich 23 Skorpionen. Sie fühlten sich wohl und vermehrten sich. Sehr zum Entsetzen meines linken Zimmernachbarn im Studentenwohnheim (damals Bauingenieurstudent im 34. Semester, später Studienabbruch, jetzt bei den Grünen aktiv): "Bei – also – Skorpionen handelt es sich um eine e-Funktion, dessen – also – Biomasse schnell gegen – also – unendlich strebt." 

Auf seine Initiative hin wurde eilig ein Konvent einberufen und durch Freibier die Beschlussfähigkeit sichergestellt. "Aus – also – zwei Skorpionen (heute hätte er wohl sprachpolitisch korrekt von Skorpion_Innen_Gendersternchen gesprochen) werden innerhalb von – also – nur einer Woche 23 Skorpione. Eine Woche später sind es – also – 529, und in einem Monat werden es 279.841 sein. Und in einem Jahr – also – 5,30474E+66. Und diese Skorpione – also – Spinnentiere – werden 20 – also – Jahre – also – alt!"

Er stieß vor Aufregung auf (er genoss immer das meiste Freibier). 5.304.738.315.342.150.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000 Skorpione in nur einem Jahr! Aus meinem Terrarium! Der Kehrwert von 5,30474E+66 war sicher größer als sein Intellekt. Er hatte sogar die Biomasse errechnet, jedoch für – warum auch immer – 5 Wochen (wir haben später gemutmaßt, dass ihm der Unterschied zwischen vorschüssig und nachschüssig unklar war):

Sein Spitzname „Also“ erklärt sich von selbst

"Bei 45 Gramm pro – also – Skorpion … (ich hob den Finger und rief dazwischen: "Es sind nur 44,99 Gramm, ehrlich!") … ergeben sich 289,6354 – also – Tonnen Biomasse in einem – also – Monat."

Wir nippten am Freibier, während der "Also" seine Zahlen vortrug. Sein Spitzname "Also" erklärt sich von selber. "Plätscherbach" nannten wir ihn, weil er auch so redete.

"Wenn nur jeder 100.000ste – also – Einwohner des Landes (damals hatte die BRD rund 62,0 Mio. Einwohner, die Mauer war noch nicht gefallen) von einem Skorpion gestochen würde, dann wäre das gesamte – also – Land in der 10. Woche 6,6817-fach ausgerottet. Ein 6,6817-facher – also – Overkill." 

Ich will es kurz machen. Es wurde abschließend beschlossen und "per Acclamation" angenommen (dabei klopfte er mit dem Fingerknöchel wie ein Irrer auf den Tisch): Das Terrarium muss aus Panzerglas bestehen, über eine fest verschraubte zerstörungssichere Abdeckung verfügen und "mittels Betonanker und Betonschrauben für Schwerlasten im Boden verankert werden" (er war – wie gesagt – ein Bauingenieurstudent). Meine Zimmertür hatte ich mit einem "Schließzylinder maximalster Sicherheit" zu versehen und den Schlüssel "ständig am Mann" zu halten (heute könnte man diese Forderung sprachpolitisch korrekt nur sehr umständlich ausdrücken). Weiterhin musste ich eine Alarmanlage von mindestens 100 Dezibel in meinem Zimmer installieren. Mit Inkrafttreten des Protokolls sollte eine nächtliche Ausgangssperre für das gesamte Wohnheim von 02.00 bis 14.00 Uhr in Kraft treten (hier konnte man schön seinen persönlichen Zeitrhythmus erkennen).

Es fand sich kein „Zweitskorpionverantwortlicher“

Weiterhin war die Anzahl der Skorpione von einem "Erstskorpionverantwortlichen" (das durfte jeder sein, nur ich nicht) akribisch zu überwachen und am Schwarzen Brett täglich zu dokumentieren, mit Datum und Unterschrift. Durch einen "Zweitskorpionverantwortlichen" (das durfte jeder sein, nur ich nicht) mussten die Angaben "verifiziert" werden, gegebenenfalls auch "falsifiziert". 

Am Ende fand sich kein "Zweitskorpionverantwortlicher". Ich kandidierte, durfte aber nicht. So wurde unser "Also" "Erst- und Zweitskorpionverantwortlicher" in einer Person, der seine Zahlen akribisch selber zu überprüfen hatte.

Ins Gedächtnis gerufen hat mir diese Begebenheit das „beschlußprotokoll, sonderkonvent betr. gefärlicher/unverantwortlicher Skorpionhaltung“, welches ich beim Aufräumen gefunden habe. Wie damals beim Konvent habe ich mir ein Bier gegönnt und staunend gelesen. Dabei ist mir schmerzlich bewusst geworden: diese Typen sind schon vor rund 40 Jahren in Erscheinung getreten, und wir haben über sie nur gelacht. Heute sitzen sie praktisch überall in den Behörden und in der Politik und stülpen ihren extrem überschaubaren Geist über das gesamte System. Damals habe ich das Studentenwohnheim verlassen und eine eigene WG gegründet. 

Foto: Stefan Klinkigt

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Emmanuel Precht / 22.04.2021

Jahrgang 1957, Studium der Nautik an der ehrenwerten Seefahrtschule zu Leer nach der notwendigen mehrjährigen Ausbildung an Deck. Kein Weibstvolk. Nur eine einzelne, die fiel wirklich nicht auf, weil sie doch recht männlich wirkte. Ein Lauterbach-Typus hätte bei uns eine sehr sehr kurze Überlebensdauer gehabt. Wohlan…

Christel Beltermann / 22.04.2021

Also - da diese Zeiten kaum zum Aushalten sind ... vielen Dank für diesen Lacher! In meinem Jahrgang (Abi 70) und nahräumig drum herum konnte man solche Typen bereits “bewundern”. Leider ist ihnen der angedrohte ‘Marsch durch die Institutionen’ weitgehend gelungen. Und nun ham’ wa se, mit allen Folgen. Also nee!

Alexander Mazurek / 22.04.2021

In der Vergangenheit, so in den 70ern, 80ern oder so war mir der schräge Lauterbach mit Fliege sympathisch. Er kritisierte zurecht den medizinisch-industriellen Komplex. Nun hat er sich wohl gehäutet und aus Paulus wurde Saulus. Schade. Aber eigentlich nicht der Rede wert, “don’t mention his name and his name will pass on”.

Boris Kotchoubey / 22.04.2021

Dabei könnte/sollte eigentlich jeder Medizinstudent wissen: Es gab in der Menschengeschichte keine Epidemie - also gar keine - die durch die exponentielle Wachstumsfunktion beschrieben würde. Nie und nimmer. Weder Pest noch Ebola, weder Covid noch Cholera.

Petra Wilhelmi / 22.04.2021

Ist zwar neckisch zu lesen, hat aber mit dem Scorpiongleichnis nichts zu tun. Da müsste eher eine Geschichte um Merkel erzählt werden.

Markus Schumann / 22.04.2021

Problematisch wird erst (richtig), wenn der Erstskorpionzähler zum Sprecher des StuWoHeims mit Zugriff auf die Penunzen wird. So etwas könnte im September passieren - das setzt aber eine Wahl und einen Wahlerfolg voraus. Es ist NICHT der E.Sk.Z. alleine, sondern die anhimmelnde Masse, pardon, Elite. Zur Inzidenz: Inzidenz ist (eigentlich) etwas Relatives. Indem wir aber nicht flächendeckend testen, sondern “nach Bedarf” die TestQUOTE erhöhen, erhalten wir mehr oder weniger Inzidenz bei (mögl.weise) gleichbleibender Belastung. Im übrigen: Bei 2% falsch Positiven (die also überhaupt nichts haben außer Pech im Test) kommt man auf 100 Treffer, wenn man 5000 testet. Bei kerngesunder (!) Bevölkerung lauern also in je 100.000 Kerngesunden Optionen für 20 Hochinzidenzwochen (ich sage nicht, dass die Bevölkerung kerngesund ist, lediglich, dass selbst eine kerngesunde Bevölkerung bei der Einstellung des aktuellen PCR-Tests für volle 5 Monate Hochinzidenz gut ist.)

Frank Rotschedl / 22.04.2021

Klasse Gleichnis - ich frage mich jetzt aber, wie viele Einheiten “echte Erlebnisse” da drinnen verarbeitet wurden… Einige skurrile Begegnungen hatte ich ja auch im Studium…

HaJo Wolf / 22.04.2021

Irgendwie bin ich der falsche Jahrgang (1953) oder war an der falschen Uni (Köln) oder habe die falschen Fächer studiert (Germanistik/Linguistik, Anglistik, Sport - solche Typen jedenfalls, die heute mit der Hirnleistung einer Babyäamobe den Souverän kujonieren, solche Hohlbirnen gab es bei uns nicht. Auch auf dem Gymnasium (altsprachlich) hatten wir keine Linken, sondern nur ein paar SPD-Sympathisanten und KVB (Kölner Verkehrs Betriebe)-Gleis-Blockierende (*innen kann ich mir schenken, Weibsvolk gab es auch nicht bei uns, reiner Männerclub). Mit nonkonformistisch ist wohl die Grundhaltung der Lernenden am besten beschrieben, für mich selbst nähme ich dann bitte gerne “rebellisch” in Anspruch. Und das gegen alle/s, das/die mir Vorschriften machen wollten, vor allem solche, die mit gesundem Menschenverstand oder Logik nichts zu tun hatten, sondern eher mit sadistischer Unterdrückung. Also ungefähr die Richtung Merkel. Aber, wir hatten auch ohne nutzloses Dummgesindel jede Menge Spaß in der Schule und an der Uni.

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