Das Recht, über Mohammed zu lachen

Vor fast genau neun Jahren ermordeten muslimische Terroristen elf Redakteure der französischen Satirezeitschrift Charlie Hebdo. Als Anwalt hatte Richard Malka das Magazin zuvor gegen Rassismusvorwürfe verteidigt. Jetzt ist sein Plädoyer vor Gericht als Buch erschienen – eine fulminante Verteidigung der Meinungsfreiheit.

Ein bärtiger Mann mit Turban hält seinen Kopf zwischen den Händen. Er ist sehr verärgert. In der Sprechblase steht: „Schon hart, wenn einen Idioten lieben…“ Die Zeilen über der Zeichnung erläutern: „Mohammad beklagt sich. Er wird von Fundamentalisten überrollt!“ Der Prophet beklagt sich also über die Haltung seiner fanatischen Anhänger. Eine Titelseite von Charlie Hebdo, dem französischen Satiremagazin: provokant, schrill, bunt. Nicht jeder muss über diese Karikatur schmunzeln, jeder darf sich beleidigt fühlen. In einer aufgeklärten, freien Gesellschaft nennt man so etwas politische Karikatur. 

Seit 1992 macht Charlie Hebdo davon Woche für Woche Gebrauch: Gegen selbstgefällige Politiker, korrupte Wirtschaftsbosse, bigotte Moralwächter – vor allem aber gegen religiöse Fanatiker. So auch auf der zitierten Titelseite aus dem Jahr 2006, die dem Zeichner Kurt Westergaard gewidmet war, der wegen seiner Karikaturen in der dänischen Tageszeitung Jyllands-Posten von moslemischen Fundamentalisten mit dem Tod bedroht worden war. Damals waren er und die Zeitung beschuldigt worden, den „öffentlichen Frieden“ zu gefährden. Eine skandalöse Umkehrung des Täter-Opfer-Prinzips. Denn nicht Westergaard und die Jyllands-Posten-Redaktion gefährdeten den öffentlichen Frieden, sondern religiöse Fanatiker, die in ihrem Wahn Menschen drohten und töteten, weil sie unfähig waren, satirische Kunst, wie sie in einer offenen Gesellschaft legitim ist, zu akzeptieren.

Neun Jahre später, am 7. Januar 2015, springen zwei mit Kalaschnikows bewaffnete moslemische Terroristen vor dem Pariser Redaktionsgebäude von Charlie Hebdo aus dem Auto, zwingen die Zeichnerin Coco zur Herausgabe des Sicherheitscodes und stürmen in den zweiten Stock. Dort erschießen sie einen Leibwächter, den Chefredakteur Stéphane Charbonnier und mehrere Mitarbeiter. Die Bilder, wie sie unter „Allahu akbar“- und „Wir haben den Propheten gerächt“-Rufen in einen schwarzen Citroën steigen und auf der Flucht einen Polizisten aus nächster Nähe exekutieren, gehen um die Welt. Zwölf Menschen werden aus dem Leben gerissen. Eine barbarische Tat. Frankreich steht unter Schock. 

Beschämender Versuch einer Täter-Opfer-Umkehr

Und doch: Schon damals wurden Stimmen laut, die die „Verantwortungslosigkeit“ des Satiremagazins beklagten. Sie machten Charlie Hebdo letztlich selbst für das mörderische Inferno verantwortlich, weil es unter dem „Deckmantel der Meinungsfreiheit“ die Gefühle von Gläubigen verletze, sich über Religionen lächerlich mache. Solche Einwürfe kamen nicht allein von konservativen Glaubensverwaltern und der politischen Rechten. Auch von linken Intellektuellen und Medien wurde das Recht auf Kritik an Gott und anderen „heiligen“ Autoritäten infrage gestellt. Sie warfen Charlie Hebdo vor, rassistisch zu sein und den Glauben der Schwächsten zu verhöhnen – und damit vor allem viele moslemischen Einwanderer zu erniedrigen. An diesem Bild wird bis heute festgehalten: Weltweit rechtfertigt ein erheblicher Teil der Islamisten Gewalt und Terror wegen angeblicher Herabwürdigung des Korans oder des islamischen Propheten Mohammed.

Diese Argumentation, die häufig für die Rechtfertigung strapaziert werde, sei der beschämende Versuch einer Täter-Opfer-Umkehr, sagt Richard Malka, der als Anwalt seit 1992 die Interessen von Charlie Hebdo vertritt – und deshalb seit Jahren unter Polizeischutz steht. Wo aber kämen wir hin, fragt er, wenn wir es vom Einverständnis religiöser Fanatiker abhängig machen würden, ob ein Kunstwerk, ein Theaterstück, ein Film gezeigt werden darf oder nicht, weil er angeblich den Propheten Mohammed herabstuft, beleidigt oder der Lächerlichkeit preisgibt? 

In seinem Schluss-Plädoyer, das er 2020 im Prozess gegen die Komplizen der Attentäter vor dem Sonderstrafgerichtshof in Paris gehalten hat, forderte er die Ideologen und dienstbaren Geister des Terrors auf, mit ihren Bemühungen aufzuhören, für den Islam Sonderrechte zu beanspruchen. „Die Kunst- und Meinungsfreiheit kann in einer offenen, demokratischen Gesellschaft nicht aus Rücksicht auf religiöse Fanatiker einschränkt werden, dies kommt einer Belohnung gleich”. Nicht Religionskritik störe den öff­entlichen Frieden, sondern Glaubensfanatiker, die „unsere Freiheiten verachten, die alle Ungläubigen und Andersgläubigen hassen, vor allem die, die sich erlauben, über ihren Propheten zu lachen, ihn zu karikieren”, so Malka.

Sein Plädoyer ist jetzt in deutscher Übersetzung als Buch erschienen. Ein schmales Bändchen von großer rhetorischer Wucht. Eine Chronologie des Grauens und der politischen Ignoranz. Malka benennt Namen und Interessen aus Politik und Medien, die über Jahre eifrig Legenden und Lügengeschichten verbreiteten, wonach Charlie Hebdo „Feind aller Muslime“ sei. Sie alle nimmt er in Mit-Haftung: Opportunisten, Wegseher und Verdränger, die für die brennende Lunte, die sie mit entfacht haben, Verantwortung tragen. Sein Plädoyer ist – im Sinne des Wortes – eine „wahrhaftige“ empathische Anklage gegen Gleichmut und Gleichgültigkeit. Vor allem aber eine fulminante Verteidigung der Meinungsfreiheit und des Rechts, sich über Gott lächerlich zu machen – falls es ihn gibt.  

Richard Malka: „Das Recht, Gott lächerlich zu machen“, Alibri Verlag, 95 Seiten, 10 Euro

 

Helmut Ortner hat bislang mehr als zwanzig Bücher, überwiegend politische Sachbücher und Biografien, veröffentlicht. Seine Bücher wurden bislang in 14 Sprachen übersetzt.

Foto: LeJC,

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Leserpost

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Manni Meier / 09.01.2024

@Kristin Obertreis “Ich wünschte mir eine Debatte darüber, wie weit Satire gehen darf,...” Liebe Frau Kristin Obertreis, diese Debatte ist vor über 100 Jahren längst geführt und von Kurt Tucholsky 1919 seinen berühmten Essay, „Was darf Satire?“, im Berliner Tageblatt ausreichend geklärt worden. Empfehle ich Ihnen zur Lektüre.

Manni Meier / 09.01.2024

Es zeigt, wes Geistes Kind die Anhänger der “Religion des Friedens” sind, dass selbst “Richard Malka, der als Anwalt seit 1992 die Interessen von Charlie Hebdo vertritt – und deshalb seit Jahren unter Polizeischutz steht”, um sein Leben fürchten muss. Nicht etwa weil er deren Propheten “beleidigt” hätte, sondern einfach aufgrund der Tatsache, dass er eine, in einem Rechtsstaat selbstverständliche Funktion wahrnimmt. Es zeigt, was uns bevorsteht, sobald der Islam auch bei uns stark genug geworden ist.

Klaus Keller / 09.01.2024

Meinungsfreiheit ist eher ein theoretisches Modell. Vor ca 2000 Jahren wurde ein Aktivist nach römischem Recht gekreuzigt der von sich sagte, oder von dem gesagt wurde. das er König der Juden sei oder werden wolle. Im deutschen Verfassungsrecht ist die Todesstrafe abgeschafft. Zumindest ist es so das kein Richter jemanden zum Tode verurteilen darf. Mord und Totschlag ist auch verboten. Nur leider ist es offensichtlich so das sich nicht jeder an diese Vorgaben hält. Es sagt zum einen nicht jeder was er denkt und zum anderen werden Leute umgebracht. Ich habe keine Lösung für das Problem, dachte aber ich erwähne es, damit jedem klar ist das man auch tot ist wenn man zu unrecht erschossen wurde. Das weis der Islamist mit der Bombe und der Soldat der eine Drohne steuert.

Marc Greiner / 09.01.2024

Es denken noch immer viel zu viele “es sind ja nicht alle so”. Nein, aber die, die es nicht sind, sind immer noch weit von der westlichen Zivilisation, aka jüdisch-christ. Zivi., entfernt. Gerade wieder einmal vor kurzem ein Gespräch mit einem netten Türken gehabt, der gegen Erdogan war. Aber gegen Juden schimpfte, den Islam ohne jegliche Kritik verteidigte, Forderungen an das Einwanderungsland stellte usw. Und ich hatte weiss Gott wie viele Gespräche solcher Art, hier und auch in muslimischen Ländern. Islam ist Gefahr Nummer 1, Kommunismus, Sozialismus, Ökologismus Nummer 2. Auf diesen minimalen Nenner sollten wir uns einigen können. Sonst sind wir verloren.

Elias Hallmoser / 09.01.2024

Ob es in Frankreich oder in Deutschland ein Recht gibt, über Mohammed zu lachen oder zu lästern, ist im Grunde nur noch eine rhetorische Frage; denn der Islam ist in beiden Ländern bereits so stark ausgebreitet, dass den Korangläubigen alle erdenklichen Sonderrechte zugestanden werden. Unsere Rechte auf Meinungsfreiheit und auf Weltanschauungsfreiheit (wovon die Religionsfreiheit ein Teil ist) sind bezüglich des Korans/Islams faktisch ausser Kraft gesetzt. Korangläubige werden massenhaft hier geboren und zusätzlich über die Grenzen gelassen; man zähle mal die hier errichteten Moscheen und islamischen Bethäuser.

jan blank / 09.01.2024

@ Kristin Obertreis - Vor über 200 Jahren sagte, ich glaube Voltaire, : “Ich bin nicht ihrer Meinung, mein Herr. Aber ich würde mein Leben dafür geben, dass Sie sie sagen dürfen.” Dieser Satz ist der Kern des westlichen Freiheitsbegriffs. Da kann man keine Abstriche machen. Entweder ist man frei oder nicht . Ein bisschen schwanger geht nicht. Es ist ja schön, dass Sie andere nicht beleidigen oder ihre Gefühle verletzen wollen. Glauben Sie dass sie das verhindern können? Nicht nur am Konflikt Hamas- Israel wird sehr schön deutlich, dass die bloße EXISTENZ Andersgläubiger für gläubige Muslime ein Beleidigung, Demütigung und Verletzung ihrer- ach so hehren- Gefühle darstellt. Vor kurzem überfielen einige junge Migranten einen Deutschen im Nikolauskostüm. Sie rissen ihn nieder mit dem Ausspruch, dass das hier ihr Land sei und sowas würden sie hier nicht ertragen. Stellen Sie sich jetzt schützend auch vor deutsche Nikoläuse? Genau besehen ist es tatsächlich diese unentschlossene vulgärhumanistische Wischi - Waschi Haltung die durch Ihre Schreibe schimmert, welche das ganze Land in den Abgrund zu reißen droht. Aber egal. Hauptsache ist man ist nicht “rechts”. Lächerlich das. Und traurig.

Ralf Pöhling / 09.01.2024

Der Trick ist ganz einfach: Hier im Westen gelten unsere Regeln. Hier gelten nicht islamische Regeln. Hier im Westen haben alle das verfassungsmäßig garantierte Recht, Religion kritisch zu sehen und im Zweifelsfall darüber auch Witze zu reißen. Das muss man hier im Westen ertragen können. Wer das nicht ertragen kann, der hat hier nichts zu suchen und nichts zu gewinnen. Das bedeutet wiederum nicht, dass unsere Regeln überall gelten müssen. In islamischen Ländern gelten islamische Regeln. Hier aber nicht. Hier im Westen gibt es keine islamischen Länder. Und das wird so bleiben. Kultur und Religion sind Kinder ihres geografischen Ursprungs, weil sie auf den dortigen Lebensbedingungen basieren. Diese sind weltweit überall unterschiedlich und wandern bei einem Kulturexport natürlich nicht mit. Und deshalb versagt jeder Kulturexport langfristig.  Egal in welche Richtung.

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