Thomas Rietzschel / 12.07.2014 / 14:41 / 7 / Seite ausdrucken

Das Recht auf Dummheit

In der ablaufenden Woche hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg eine Deutschland betreffende Entscheidung gefällt, die hierzulande kaum Wellen schlug. Nur die politischen Dummbeutel, die Gesundbeter jeder Fatwa, haben sie akklamierend kommentiert. Die Verteidiger der europäischen Wertegemeinschaft, die das Urteil hätte auf die Palme bringen müssen, schwiegen fein still. Obwohl sie sonst bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit den alten Sermon von der „Integration unserer ausländischen Mitbürger“ herunterleiern, nahmen sie keinen Anstoß daran, dass eine Regelung gekippt wurde, ohne die diese Integration schlechterdings nicht gelingen kann.

Hinfort, so hat der EuGH geurteilt, dürfe von türkischen Frauen, die ihren in Deutschland arbeitenden Männern nachzögen, nicht mehr der Nachweis wenigstens geringfügiger deutscher Sprachkenntnisse verlangt werden. Erstritten hatte das Urteil eine türkische Analphabetin. Eine Frau, die weder lesen noch schreiben kann, prozessierte erfolgreich gegen die Bildung. Europa auf dem Weg in die Zukunft der multikulturellen Wissensgesellschaft!

Nun mag es durchaus sein, dass die Richter gar nicht anders entscheiden konnten, dass sie formaljuristisch korrekt geurteilt haben, da es ein bilaterales Abkommen aus den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts gibt, demzufolge die fehlenden Sprachkenntnisse der Einwanderung von türkischen Familienangehörigen nicht im Wege stehen dürfen. Insofern ist den Richtern kein Vorwurf zu machen.

Wie aber kann sich die Öffentlichkeit einer aufgeklärten Gesellschaft, wie können sich die Politiker des 21. Jahrhunderts damit zufrieden geben? Hätten sie nicht vielmehr alarmiert reagieren müssen? Wäre es nicht ihre Aufgabe, Abkommen, die vor Jahrzehnten, unter ganz anderen Voraussetzungen geschlossen wurden, zu überprüfen und der Zeit entsprechend neu zu verhandeln?

Mit welchem Recht berufen wir uns auf die Werte Europas, dessen Kultur ohne die Schrift nicht denkbar wäre, wenn wir nichts dabei finden, dass die Analphabeten mit juristischer Hilfe über die Bildung obsiegen? Ist da nicht etwas faul in dem Staate, zu dem Europa zusammenwachsen soll? Einerseits haben wir die allgemeine Schulpflicht gesetzlich verankert, nicht erst seit gestern, sondern schon seit Generationen. Andererseits wollen wir unseren ausländischen Mitbürgern heute wieder grundsätzlich das Recht zugestehen, dumm zu bleiben. Denn wie um alles in der Welt sollen sie sich selbstbewusst integrieren, wenn sie nicht mitreden können, weil sie die Sprache der Gesellschaft, in der sie leben, nicht beherrschen, weder mündlich noch schriftlich.

Politiker, die das hinnehmen, setzen sich nolens volens dem Verdacht aus, dass es ihnen gar nicht so unrecht ist, wenn große Teile der Gesellschaft (der Anteil der Analphabeten steigt in Deutschland seit Jahren kontinuierlich) in dumpfer Unwissenheit belassen werden, unmündig bleiben.  Wer eine Entscheidung wie die des EuGH in dieser Woche achselzuckend hinnimmt, sie – wie in der ZEIT geschehen – gar als eine Verteidigung der Menschenrechte begrüßt, hat seinerseits das Recht verwirkt, sich auf die europäische Wertgemeinschaft zu berufen. Die nämlich hat dem Analphabetismus bereits vor Zeiten den Kampf angesagt, ehedem im 18. Jahrhundert, als der deutsche Aufklärer Immanuel Kant den „Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit“ verlangte.

Dass ihm diese Unmündigkeit nun wieder höchstrichterlich zugestanden wird, ist ein böser Treppenwitz der Geschichte, eine Verhöhnung errungener Menschenrechte. 

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Leserpost

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Helge-Rainer Decke / 13.07.2014

Sehr geehrter Herr Rietzschel, bitte hängen Sie tiefer. Warum? Ein Mensch bleibt nicht deshalb per se unmündig, weil er die Sprache der Deutschen nicht beherrscht in Wort und Schrift. Auch Deutsche, wie Sie an vielen Kommentaren hier in Achgut regelmäßig erkennen können, haben diesbezügliche Defizite. Icke och. Mündig ist ein heroischer Begriff. Vielleicht gerade noch eine Metapher. Operabel ist er jedenfalls nicht. Kant hin oder her. Aber mit diesem Namen lässt es sich trefflich schmücken. Gleichwohl, wenn schon, denn schon, dann, bitte schön, fokussieren Sie das Wort nicht auf das Beherrschen der Sprache der Deutschen in Wort und Schrift. Immerhin, sprechen können Zugereiste. Wenn Sie aber unterstellen, es läge im Interesse der Administration, dass Bürger aus anderen Regionen der Welt nicht die deutsche Sprache in Wort und Schrift beherrschen sollten, dann wäre es hilfreich, Sie nennen Gründe.

Martin Wessner / 13.07.2014

Daran ist, so platt das auch klingen mag, der deutsche Sozialstaat schuld. Würde er(der Sozialstaat) die analphabetischen, anarithmetischen, nicht der deutschen Sprache mächtigen, (nichtsdestotrotz)bildungsunwilligen Männer und Frauen nicht mittels Transferleistungen auffangen, so würde dieser Personenkreis voll auf den Bauch fallen. Wer gezwungen ist sich in den Arbeitsmarkt einzufügen, da er ansonsten seine Existenz aufs Spiel setzt, der muss in Folge auch die dafür nötigen Qualifikationen vorweisen können, um eine Beschäftigung zu finden. Und das bedeutet nun mal, dass er zwingend lesen und rechnen können und die deutsche Sprache sprechen muss, da er ohne diese Mindestvorausetzungen noch nicht einmal die Chance hätte, einen allereinfachsten Hilfsarbeiterjob zu ergattern. Wer sich in den Arbeitsmarkt integriert, der integriert sich gleichzeitig auch partiziell in die Gesellschaft. So läuft es zumindest in den klassischen Einwanderungsländern(USA, Kanada, Australien, usw.) im Normalfall ab. Warum dann also nicht auch bei uns?!

Jochen Schneider / 13.07.2014

Wir haben genügend islamische Organisationen, die solche Klagen im Sinne der Islamisierung Westeuropas führen ihre Klientel sich dafür willig instrumentalisieren lässt - hier eben eine Analphabetin. Es ist klar, dass es hier nicht um Integration geht, sondern den Import von gebärfreudigen Frauen, von denen nur eines erwartet wird: Die Geburtenrate der Muslime zu erhöhen, damit Westeuropa schneller islamisiert wird. Schon heute - wir haben es gelesen - darf die muslimische Gemeinde offen antisemitisch mit Plakaten wie “Die Juden sind Bestien” demonstrieren und werden noch mit Polizei-Equipment bei der Verbreitung ihrer antisemitischen und rassistischen Parolen unterstützt. Lässt hier der Gestapo-Staat schon grüßen? Man erinnert sich mit fadem Nachgeschmack an den “Duisburger Flaggenstreit” (wie es verharmlosende in Wikipedia genannt wird), wo die Polizei - auch angeblich aus Deeskalationsgründen - unter dem Gejohle des islamischen Milli-Görus-Mobs mehrere Wohnungstüren eintrat, um eine israelische Nationalflagge abzureißen, die an einem Balkon aufgehängt war. Der Spruch “Die dümmsten Kälber wählen ihren Schlachter selber” kann hier auf die EU-Richter angewandt werden und alle, die glauben, hier und anderswo einen integrationsfördernden Schritt getan zu haben. Wie so schön im obigen Beitrag geschrieben: “Eine Frau, die weder lesen noch schreiben kann, prozessierte erfolgreich gegen die Bildung.” Ganz im Sinne von Claudia Roth, die seinerzeit die Forderung, sicherzustellen dass Migrantenkinder bis zum Schuleintritt die deutsche Sprache beherrschen, als “Zwangsgermanisierung” verteufelte. Ihr “integrativer” Einsatz hat inzwischen reichlich Früchte getragen!

Thomas Schlosser / 12.07.2014

Diese türkische Analphabetin wird ja wohl wenigstens ein Kreuz machen können und wenn sie dies bei zukünftigen Wahlen bei SPD oder den Grünen macht, dann ist doch für die hiesige Journaille alles in bester Ordnung…..

Wolfgang Kessler / 12.07.2014

Zuerst war ich nur fassungslos, als die ersten Meldungen über dieses Urteil in den Nachrichten verlesen wurden, dann befiel mich die Wut wegen der zustimmenden Reaktionen aus dem linksgrünen Lager. Ein doppelter Skandal: Ich finde es unerträglich, dass ein Ehemann seine Frau dumm hält und stattdessen Zeit und Geld in einen Prozess steckt, und der zur Debatte stehende Sprachtest vom (Entschuldigung) Gutmenschenpack als Schikane angesehen wird, die nun zum Glück nicht mehr gelten darf. Es schaudert mich vor den gesellschaftspolitischen Vorstellungen, die da deutlich werden.

Dirk Ahlbrecht / 12.07.2014

Großartig, Herr Rietzschel, exakt so ist es! Diese Leute, die sich unsere Bundesregierung nennt, schweigen genau deshalb. Weil sich nämlich die Unmündigen, ob freiwillig oder nicht, viel besser kontrollieren und herumgängeln lassen als ein aufgeklärter Bürger. Leute (von Bürgern kann man nicht sprechen), die Dinge nicht kritisch hinterfragen, sondern die beispielsweise ein EEG oder auch die Bankenkrise achselzuckend hinnehmen. Von staatlichen Zuwendungen Abhängige, und Analphabeten gehören in einer Wissensgesellschaft ganz zwangsläufig dazu, wählen links. Und somit sind diese dann von der Allparteienkoalition im Deutschen Bundestag wunderbar zu kontrollieren. Da kann es auch nicht beruhigen, daß dies natürlich langfristig dennoch in die Hose gehen wird. Denn irgendwann ist halt auch mal Ende der Fahnenstange. Spätestens dann, wenn jene, die diesen Mumpitz immerfort bezahlen sollen, die Hände in den Schoß legen. Leider wird dies wohl noch eine ganze Weile so weitergehen. Meinetwegen könnten wir morgen schon mal anfangen. Könnte gerade ein kleines Päuschen gebrauchen…

Eric Zumbrunnen / 12.07.2014

Alles korrekt, im Kalifat Europa sollen Frauen auch gar nicht lesen und schreiben können.

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