Die Lifestyle-Linke im reichen Westen hat ein neues Lieblingsobjekt: es ist der Transmensch. Als Mann geboren, aber sich als Frau definierend, oder umgekehrt, flirrt dieser zwischen den Geschlechtern und unterläuft die angeblichen Herrschaftszumutungen von Biologie, Tradition und Gesellschaft. Er verkörpert die Utopie einer entgrenzten, vom Schicksal erlösten Welt, in der die eigene Befindlichkeit als Realität verabsolutiert wird und in der alle Wünsche in Erfüllung gehen, wenn man nur fest daran glaubt und nicht daran gehindert wird.
Ein eigentlicher Kult hat sich um diese kleine Minderheit von Menschen entwickelt, die unter Genderdysphorie oder Geschlechtsinkongruenz leiden, also jener seltenen psychiatrischen Störung, die dem bedauernswerten Zeitgenossen das quälende Gefühl gibt, im falschen Körper geboren zu sein. Modehäuser schicken Transgender-Models auf den Catwalk; Hollywood-Stars präsentieren stolz ihre Transkids; in Music Clips, TV-Serien und Filmen tauchen plötzlich vermehrt Transfiguren auf; Prominente, die sich einer operativen Geschlechtsumwandlung unterziehen, schaffen es aufs Titelblatt von Hochglanzmagazinen und werden wie Freiheitshelden gefeiert.
Transgender zu sein, ist glamourös, und indem man sich mit der Trans-Community solidarisiert, fällt nicht nur ein wenig von deren Glanz auf einen zurück, sondern man kann auch öffentlich seine Toleranz und Aufgeschlossenheit signalisieren.
Mädchen, die Jungen sein wollen
Parallel zur Popularisierung der Transideologie explodierte die Zahl der Kinder und Teenager, die ihr naturgegebenes Geschlecht ablehnen und sich als transgender identifizieren. Schwedens staatliche Behörde für Gesundheit und Soziales zum Beispiel vermeldete, dass zwischen 2008 und 2018 die Anzahl von Genderdysphorie-Diagnosen bei Jugendlichen um 1.500 Prozent zugenommen habe. Ähnliche Befunde liefern auch Großbritannien, Australien, Kanada, Finnland, Deutschland, die USA, die Schweiz. Auffällig ist dabei der Umstand, dass die starke Zunahme vor allem auf die Mädchen zurückzuführen ist, die siebzig bis achtzig Prozent der Betroffenen ausmachen, während eine Dekade früher das Verhältnis zu den männlichen Jugendlichen ausgeglichen war.
Was ist die Ursache für diese Entwicklung? Ist sie die Folge der Aufklärung über ein Thema, das man lange verdrängt hatte? Oder hat man es eher mit dem Phänomen einer zeitgeistigen subkulturellen „Cluster-Bildung“ zu tun, mit „sozialer Ansteckung“ unter den mit Internet aufgewachsenen Kindern und Jugendlichen, wie einzelne Studien nachzuweisen versuchen? Und warum sind autistische Jugendliche mit bis zu fünfzig Prozent Anteil signifikant übervertreten bei der Gruppe der Transgeschlechtlichen?
Zentrale wissenschaftliche und therapeutische Fragen sind völlig ungeklärt. Doch die Trans-Lobby hat kein Interesse, sie zu lösen. Man versteht sich als Bewegung, deren höherer Auftrag es ist, die wahren Genderidentitäten aus der gesellschaftlichen Zwangsjacke von Vorurteil und Konvention zu befreien. Und wer beispielsweise den Wunsch einer pubertierenden, unstabilen 14-Jährigen, ein Junge zu sein, nicht vorbehaltlos unterstützt, muss damit rechnen, von den gut organisierten Transaktivisten in den sozialen Medien als „transphob“ und „Hasser“ bloßgestellt und diffamiert zu werden.
Die absurden Dogmen der Trans-Weltanschauung
Die Drohung mit dem Internet-Pranger wirkt. Es finden sich kaum noch Stimmen, die sich kritisch zu den schrillen Thesen und absurden Dogmen der Trans-Weltanschauung äußern. Eine Ausnahme bildet Keira Bell, eine heute 24-jährige Engländerin, die es mit dem Transestablishment aufnahm, indem sie dieses zwang, sich mit ihrer Geschichte auseinanderzusetzen.
Keiras Vater verschwand früh aus der Familie, die Mutter war Alkoholikerin und psychisch krank. Keira fühlte sich verloren und einsam, ein Zustand, der sich noch verschlimmerte, als die Pubertät einsetzte. Sie hasste ihre wachsenden Hüften und Brüste, und sie realisierte verwirrt, dass sie sich von Mädchen angezogen fühlte. Sie kapselte sich ab, ging nicht mehr zur Schule, verfiel in Depressionen. Im Internet erfuhr sie von Frauen, die sich in Männer umwandeln lassen, und in ihr wuchs der Gedanke, dass all ihr Unglück daher rührte, dass sie in Wirklichkeit ein Junge war, der in einem Mädchenkörper steckte.
Sie wurde mit 15 Jahren an die Londoner Tavistock-Klinik überwiesen, spezialisiert auf Jugendliche mit Genderidentitäts-Problemen. Dort bestätigte man ohne Umschweife ihre Selbstdiagnose, und ab da ging es nur noch in eine Richtung. Mit 16 bekam sie Pubertätsblocker, mit 17 Testosteron-Injektionen und mit 20 ließ sie sich die Brüste abschneiden. Sie hieß jetzt Quincy, nach Quincy Jones, trat dominant auf und trug ein Bärtchen. Für kurze Zeit fühlte sie sich in einem Hoch.
Eine verstümmelte Frau
Bald aber regten sich böse Zweifel. Sie realisierte, dass sie trotz Brachialmedikation und Skalpell-Kosmetik kein Mann war und nie einer sein werde. „Die Genderdysphorie war ein Symptom meiner Misere und nicht deren Ursache.“ Sie war eine Frau, wie die Natur es bestimmt hatte, jetzt allerdings eine verstümmelte. Sie hatte keine Brüste mehr, ihre Vagina war durch die Medikamente geschrumpft und sie würde nie Kinder gebären können, während ihr der strenge Bartwuchs und die tiefe Stimme von ihrem Experiment als Mann bis ans Lebensende bleiben werden.
Keira Bell war zutiefst verzweifelt. Doch anstatt sich umzubringen, machte sie etwas Sinnvolleres. Sie verklagte die Tavistock-Klinik. Diese habe ihre jungen Patienten nicht geschützt und schon Zehnjährigen Medikamente wie Pubertätsblocker verabreicht, ohne die möglichen Langzeitfolgen zu kennen oder zu kontrollieren. Vor einigen Monaten gab der High Court in London der Klägerin recht. Die Tavistock-Klinik stellte umgehend die Verschreibung von Pubertätsblockern an Kinder ein. Transaktivisten beschimpften Keira als Verräterin. Doch diese hatte die Genugtuung der Siegerin. Keira hatte die Debatte über den Transgenderismus neu geöffnet und verändert und wahrscheinlich viele Jugendliche und Kinder davor bewahrt, die gleiche schreckliche Erfahrung durchzumachen wie sie selbst.
Zuerst erschienen in der Zürcher Weltwoche.