Henryk M. Broder / 07.06.2022 / 14:00 / Foto: Tim Maxeiner / 157 / Seite ausdrucken

Das Problem, das Sie haben, besteht darin, dass Sie…

Es ist leider wahr: Die Putin-Trolle gibt es wirklich. Sie treten als fleißige Briefeschreiber auch an mich persönlich in Erscheinung, die Russland zum Opfer einer langfristig geplanten Intrige der Amerikaner erklären, die Ukraine ist nur eine Marionette des US-Imperialismus. 

Käme heute jemand auf die Idee, zu behaupten, der Zweite Weltkrieg habe mit dem Überfall der Polen auf den Sender Gleiwitz angefangen, die Deutschen wären nur deswegen in Polen einmarschiert, um sich zu verteidigen, würde er oder sie nichts als Gelächter ernten. Geht es um die Ukraine, liegen die Dinge etwas anders. Täglich bekomme ich Briefe von Russlandfreunden und Putinverstehern, die mich darüber aufklären, dass Russland das Opfer einer von den USA langfristig eingefädelten Intrige und die Ukraine nur Mittel zum Zweck ist. Die Briefe lesen sich so, als wären sie von pensionierten Studienräten verfasst worden, die sich untereinander abgesprochen haben, mich vor dem Scheiterhaufen der Geschichte zu retten, vorausgesetzt, ich bereue und widerrufe. 

Typisch für diese Art von „Lebenshilfe" ist das Schreiben eines Lesers, der einmal mehr die Richtigkeit eines Satzes von Dieter Bohlen bestätigt: „Das Problem ist – mach einem Bekloppten klar, dass er bekloppt ist." Hier ein Beispiel von vielen. 

Sehr geehrter Herr Broder,

im Laufe der Jahrzehnte haben Sie viele Probleme auf Ihre Art und Weise in Sätze gefaßt. Oft habe ich Ihnen zugestimmt. Aber in Sachen Ukraine liegen Sie meiner Meinung nach verkehrt. Warum? Beantworten Sie nur diese eine Frage: Wie viele Ukrainer sind Sie bereit für den (End-)Sieg der Ukraine zu opfern? 50.000? 100.000? Millionen?

Der Krieg zwischen Russland und der Ukraine ist nicht mit den Kriegen der Nazis (oder den Indianerkriegen der Amerikaner) zu vergleichen, wo es darum ging, ganze Bevölkerungsgruppen auszurotten, um Siedlungsraum für die Angehörigen des eigenen Volkes zu gewinnen. Sondern der Krieg zwischen Russland und der Ukraine muss gesehen werden, wie der Streit zwischen Deutschland und Frankreich (den beiden größten Staaten, die aus der Erbmasse des Karolinger-Reiches hervorgingen) um Elsaß-Lothringen. Der Streit um dieses kleine Ländchen, das stets mit einem Bein in Deutschland, mit dem anderen in Frankreich verwurzelt war, hat Frankreich und Deutschland zu globalen Regionalmächten degradiert und, weil sie sich einmischten, das Britische Empire vorzeitig zerstört und Russland – von den Franzosen in den Krieg gegen Deutschland gekauft – demografisch so sehr geschadet, dass drei Generationen später keine Bevölkerungskraft mehr da war, die  den Zerfall der Sowjetunion hätte verhindern können. 

Nicht nur Deutschland und Frankreich bezahlten einen hohen Preis für den Streit um ein kleines Stück Land, sondern auch die Unterstützer Frankreichs, die Frankreich halfen, um Deutschland zu schwächen, leiden bis heute unter den Folgen dieser Einmischung. Nur die USA waren der große Gewinner, weil sich die europäischen Konkurrenten gegenseitig schwächten und auf ein Niveau zurückstutzten, das ökonomisch und technologisch nur noch dem großer US-amerikanischer Bundesstaaten (Kalifornien) entspricht.

Sie werden jetzt sagen, dass es Putin nicht nur um die umstrittenen Regionen im Donbas und im Süden geht, die kulturell und ökonomisch besonders eng mit Russland verbunden sind, sondern um die Einverleibung der ganzen Ukraine. Aber das seh ich nicht. Hätten die USA nicht das Bedürfnis, wie kleine Jungs überall ihr Fähnlein reinzustecken, dann hätte eine neutrale Ukraine, die so eng mit Russland zusammenarbeitet, wie die Schweiz mit Deutschland, eine anshehnliche, in Frieden mit allen Nachbarn lebende, Nation werden können. Aber die NATO in Kiew und Charkow, die US-Navy auf der Krim und in Odessa, das duldet ein Land wie Russland ebenso nicht, wie die USA keine russischen oder chinesischen Basen vor ihr Haustüre oder gar auf ihrem ehemaligen, sich abgespaltenen, Grund und Boden dulden würden.

Ich denke das Problem das Sie haben besteht darin, dass Sie das Westfälische Friedenssystem nicht verstanden haben oder nicht verstehen wollen. Nur die Tatsache, dass die Mächte sich 1648 darauf einigsten, sich nicht in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten einzumischen, beendete endlich den 30 Jahre dauernden schrecklichen Krieg. Aber der Westen zerstört seit Jahrzehnten das System der Nichteinmischung. Wie Hyänen fallen westliche NGO´s über die Staaten der Erde her und hetzen die Menschen gegen ihre Regierungen auf, sobald diese nicht genau so agieren, wie die USA oder die Wallstreet oder die City of London das gerne hätten. 

Ja, die individuellen Menschenrechte sind was feines. Aber man muss den Völkern auch die Zeit geben, diese selbst zu erringen und selbst zu gestalten. Wie westliche Regime-Changes ausgehen sieht man aktuell an Afghanistan. 20 Jahre lang haben westliche Regierungen und NGO´s versucht, die Afghanen umzuerziehen. Jetzt ist die Lage schlimmer als zuvor. Immer mehr Länder dieser Erde haben die Schnauze von der westlichen Arroganz gestrichen voll und warten nur noch auf den Augenblick, wo insbesondere die ökonomische und militräische Macht der USA so sehr gebrochen ist, dass sie ungestraft tun und lassen können, was sie wollen.

Russland war – unter Putin – auf dem Weg ein westliches Land zu werden, aber die westlichen NGO´s haben den Russen schon die Satzung für den Kannickel-züchterverein im hintersten Sibiren mitgebracht und die USA haben Russland auch nach dem Zerfall der Sowjetunion als strategischen Gegner und nicht als Freund behandelt. Hätten sich die USA gegenüber Russland wie Deutschland verhalten, wäre Russland ganz selbstverständlich in die westliche Völkerfamilie hineingewachsen und dort neben den USA die zweite Führungsmacht. Aber die USA dulden keine fremden Götter neben sich...

Ich denke meine Petition – siehe Anhang –, die ich im EU-Parlament gestellt habe, macht Sinn. Ich wünsche Ihnen alles Gute.

Mit freundlichen Grüßen

Foto: Tim Maxeiner

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Peter Jkoljaiczek / 07.06.2022

Allein die Frage : Wieviele Ukrainer sind Sie bereit zu opfern? Da muss ich Herrn Broder Recht geben, wer sowas schreibt, kann nur vollkommen bekloppt sein. Lasst also Putin gewähren, er soll seine klar und angekündigte Anexion, Repression und Säuberungsaktion in Ruhe durchführen. Lieber ein Schrecken ohne Ende als ein Ende mit Schrecken. Glauben diese Leute tatsächlich, dass eine “Entnazifizierung” etwas anderes ist als das Vogelfrei Erklären ganzer Bevölkerungsteile zum Sterben in Kerkern und Folterkammern? Jahrzehntelang haben sich die Russen gegen die Amerikaner als die “Guten” zeigen wollen. Jetzt haben sie die Maske fallen lassen und können sich nicht damit abfinden, dass nicht jeder den gequirlten nationalistischen Mist abkauft, den sie über ihre Propaganda verzapfen.

Günter Schaumburg / 07.06.2022

Griesemann Gerhard: Ich muß Ihnen Recht geben in dem Punkt, daß die USA Gewinner des WK I und II waren. Die Nachkriegsindustrie brummte jeweils, was die großzügige Unterstüt- zung der Nationalsozialisten nach WKI und den Marshallplan nach WKII möglich machte. Und niemals vergessen: Auf US-amerikanischem Boden ist noch nie auch nur eine Granate einer feindlichen Macht verschossen worden. Und die Sowjetunion als Sieger aus beiden Kriegen darzustellen, ist absurd. Nach 27 Millionen Toten im II. Weltkrieg und einem total zerstörten Land war es nicht einmal ein Pyrrhus-Sieg. Und eine Teilhabe am Marshallplan ließ die Angst vor den Kommunisten nicht zu. Dazu paßt das “Bonmot” von Churchill 1946:“Wir ha- ben das falsche Schwein geschlachtet.”

Jürgen Düker / 07.06.2022

Die Achse schwenkt reumütig um und will die linke Leserschaft an sich binden. Dann kann ich auch gleich die Taz abonnieren, das ist das Original.

Hans-Joachim Stern / 07.06.2022

Empfehlenswerte, fundierte Lektüre zum Verständnis dessen, was aktuell geschieht: Helmut Roewer, “Unterwegs zur Weltherrschaft”, 3 Bände

Markus Knust / 07.06.2022

Kann es sein das Sie recht dünnhäutig geworden sind, Herr Broder? Ich frage, weil ihr Niveau rapide abzunehmen scheint. Ein solcher Text, irgendwo zwischen ZON und Lügel angesiedelt, wäre vor wenigen Jahren noch weit unter Ihrer Würde gewesen. Oder beginnen Sie bereits abzubauen? Wenn ich mir nämlich die Leserkommentare so anschaue,  künden diese vielfach von vernünftiger Argumentation, um Diskurs bemüht.  Die Achse reagiert darauf, wie sie es den Mainstream Medien anno 2015 richtigerweise vorgeworfen hat, als Buntland wurde. Vergleicht man dazu noch das differenzierte Niveau eines Paul Brandenburg oder M. Preradovic (Nacktes Niveau) oder dem Kollegen Müller Ulrich (Kontrafunk), stehen Sie als genau das da, was Sie hier dem Leser vorwerfen: Ein Troll. Wenn Sie dieses Niveau beibehalten, dürfen Sie bald wieder im Relotius veröffentlichen.  Für meinen Teil habe ich Sie jedenfalls nun dort einsortiert, wo schon Reitschuster und die Leiche von Indubio lagert. Wie immer hat die Situation aber ihre Vorteile, wie jede Inszenierung der letzten Jahre: Die Reihen lichten sich immer weiter und man kann sehr genau beobachten, wer wo steht, und wie es um ihn steht.  P.S. Viel Spaß mit den verbliebenden genehmen Kommentatoren, die auf demselben unterirdischen Niveau agieren. Interessant übrigens, dass genau diese Leute, hier rund um die Uhr Kommentare veröffentlichen. Aber die bezahlten Trolle, dass sind die anderen. Wir haben gelacht.

Gunter Hesse / 07.06.2022

Sehr geehrter Herr Broder, Dank und Respekt dafür, dass Sie eine kritische Lesermeinung hier veröffentlicht haben. Absolutes Unverständnis dafür, dass Sie sich nicht die Mühe machen, in der Sache dagegen zu argumentieren. Stattdessen wird dieser Briefschreiber und viele andere Achse-Leser schlicht für „bekloppt“ erklärt und mit noch anderen MSM-Schimpfworten belegt. Was ist bloß in Sie gefahren? Wo bleibt der Gedanke, dass auch Sie selbst mal völlig falsch liegen könnten? Könnte es sein, dass Sie das Boostern psychisch nicht vertragen haben? Langsam ahne ich, warum HMB und BMU nicht mehr zusammen arbeiten können.. Meine Achse-Patenschaft werde ich vermutlich erneuern .. aber nicht mehr wegen sondern trotz seines „Chefs“. Mit traurigen Grüßen. G. Hesse, kein pensionierter Studienrat. p.s. Die meisten Studienräte werden Sie meines Erachtens eher bei den „Ukraine-Freunden“ und „Selensky-Verstehern“, also in Ihrer „grünen“ Blase finden. p.s.p.s. Darf man noch an einen Wahlkampfslogan (2017)  Ihrer neuen Freundin AnnaLena erinnern? „Keine Waffen und Rüstungsgüter in Kriegsgebiete“

Dieter Kief / 07.06.2022

Das schöne an der derzeitigen Lage ist, dass Leute wie der Achgut-Herausgeber Henryk M. Broder nicht nur den einen oder anderen Leser gegen sich haben. Es sind auch die New York Times, die Washington Post, etwelche US-Senatoren (deren 12 bereits) und eine Menge anderer einflussreicher Leute, die hier Flagge zeigen. Obwohl das nicht nur Henryk M. Broder, sondern auch - Israel mit Blick auf Syrien und den Iran (!) vermutlich nicht sehr Recht ist.  Zumal es in Israel längst Pipeline-Pläne gibt, die erlauben würden, die russischen Gaslieferungen nach Europa zu ersetzen.

Peter Holschke / 07.06.2022

@Stephan Braun - Sollte sich die teils abstruse Sichtweise einiger (leider der meisten) Kommentatoren bei den Autoren durchsetzen ...” Haben sie mal erwogen, dass (die meisten) Kommentoren vielleicht nicht ganz unrecht haben? Aber vielleich gehören Sie ja zur der Fraktion “Wir haben-recht, weil wir rechr haben”.

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