Roger Letsch / 13.08.2022 / 12:00 / Foto: Imago / 30 / Seite ausdrucken

Das Parkett ist von Dauer, der Protest nicht

Die mediale Empörung über den Eskapismus der Intendantin Schlesinger übertönt mühelos das betretene Schweigen der Politik.

Na, sind Sie auch empört? Schauen Sie auf das praktische, aber schnöde Klicklaminat in Ihrem Büro und fragen sich, wie dort wohl doppelt geöltes italienisches Parkett wirken würde? Betrachten Sie die vierteljährlichen Abbuchungen des Beitragsservice von Ihrem Konto und fragen sich, was denn nun besser für Sie ist, seit diese „Demokratieabgabe“ nicht mehr GEZ genannt werden will? Der RBB hat jedenfalls einen veritablen Shitstorm am Hals und die Stimmung im Sender könnte frostiger kaum sein, seit der Eskapismus der Intendantin Patricia Schlesinger zur Kenntnis der Öffentlichkeit gelangte. Und dieser Öffentlichkeit fühlt sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk laut Satzung bekanntlich verpflichtet. Der Zorn vieler Mitarbeiter des Senders auf ihre nun ehemalige Chefin und die Leitung ganz allgemein ist jedenfalls verständlich und authentisch.

Man merkt Moderatorin Sarah Oswald in der Abendschau vom 8. August 2022 die Empörung darüber an, dass man am Ende selbst vom Rücktritt Schlesingers erst aus anderen Medien erfahren musste. Der Beitrag ist den Mitarbeitern sicher nicht leichtgefallen und man erkennt den (freilich mangels umfassender Informationen nicht ganz geglückten) Versuch, sich an die Spitze derer zu stellen, die auf den Filz im Sender einprügeln. Vergleichbar der Aufklärung des Relotius-Skandals beim Spiegel, als die Hamburger eilig und mit großer Detailversessenheit das Publikum unter einer Flut von Selbstbezichtigungen und Erklärungen zu begraben versuchten, sodass sich viele Kritiker und Leser fragten, was sie überhaupt noch dazu sagen sollten. Doch im Fall Schlesinger ist die Salami noch nicht zur Gänze aufgeschnitten, immer weitere Details kommen ans Licht, immer unverschämter wirkt der Griff der Chefetage in die Gebührenkasse.

Viel ist zu hören von Transparenz, dass alles auf den Prüfstand müsse, und „rückhaltlose Aufklärung“ muss gerade im Sonderangebot sein. Und doch wird nach meiner Einschätzung insgesamt nichts passieren, rein gar nichts! Man wird sich noch eine Weile an Schlesinger abarbeiten und dann zur Tagesordnung übergehen. Und die ist trist, denn die Welt des ÖRR ist eine ausgeprägte Klassengesellschaft, in der „unten“ durch prekäre Beschäftigung als „feste Freie“ und „oben“ durch sechsstellige Jahresgehälter, Boni und Pensionsansprüche auf dem Niveau von Verfassungsrichtern und Kanzlern definiert ist. Neben den Personalkosten, zu denen natürlich auch die Pensionen gehören, bleibt kaum Geld für den eigentlichen Auftrag, das Programm. Und während Mittelkürzungen den Programmbetrieb ausdünnen, ist für Schlesingers 15.000 Euro Pension gesorgt. Über eine Abfindung wird wohl noch zu reden sein.

Die Politik hat zur Geldverschwendung wenig zu sagen

Viel interessanter als die Frage, ob die Untreue sich in der Summe noch ausweitet oder wer nun medial auf den RBB im Speziellen und den ÖRR im Allgemeinen einprügelt, ist jedoch, wer sich mit Kommentaren und moralischen Statements auffallend zurückhält: die Politik. Von Frau Giffey, einer der beiden Viertelfürsten des RBB-Sendegebiets, kommt die dürre Nachricht, sie begrüße den Rücktritt Schlesingers. Woidke, der Ministerpräsident Brandenburgs, sagt besser gleich gar nichts. Käme wohl auch nicht sehr glaubwürdig rüber, wenn Politiker sich über die Geldverschwendung im ÖRR mokieren würden. Denn wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Flughafen auf die Erweiterung des Kanzleramts.

Wegen einer schlappen verschwendeten Million Euro Steuergeld öffnet der deutsche Spitzenpolitiker von heute nicht mal den oberen Hemdenknopf! Da werden Milliarden verpulvert für später weggeworfene Impfstoffe, Prestigebauten zweifelhaften Nutzens wie Stuttgart21 in die Erde gerammt, zur Hebung der Moral Geldvernichtungsprogramme wie „Demokratie leben“ finanziert und für 600 Millionen Euro die Vergrößerung des Kanzleramts in den Sand der Spree gerammt.

Auch dies alles Spielereien, die jenseits des Auftrags liegen und Steuergelder von dort abziehen, wo sie dringender gebraucht werden. Etwa bei der Instandsetzung unserer maroden Infrastruktur, im Gesundheitswesen oder im Schulsystem. Den Impuls vieler Bürger, dem Treiben am liebsten in toto ein Ende zu machen und sowohl Politiker als auch den ÖRR in die Wüste zu schicken, begegnet man durch gut eingeübtes Framing. Wer solche Gelüste habe, sei natürlich rechts und habe mindestens gedanklich ein Führerportrait über dem Kamin. Wie lange sich die Bürger von derlei Anschmutzungen noch einschüchtern lassen, wird der Herbst zeigen, wenn neben den ÖRR-Abschaffern auch die „Covid-Extremisten“ und die „Energie-Nazis“ auf die Barrikaden steigen.

Immer auf Linie, immer auf der Seite der Macht

Ich erinnere mich nicht mehr an den Anlass des Tweets, aber der zwei Jahre alte Spruch Böhmermanns kam mir gerade wieder vor Augen. „Der Staat hat sich aus dem staatsfernen öffentlich-rechtlichen Rundfunk herauszuhalten“ forderte der ZDF-Prinz, und wer wollte ihm da widersprechen? Doch was ist mit dem staatsnahen ÖRR, der sich gern sogar staatstragend gibt und sich wie ein Personenschützer vor jede Kritikerkugel wirft, die auf die Verwerfungen des politischen Systems abgefeuert werden? Oder dem ÖRR, der sich immer wieder mit Begeisterung in die Nähe des Staates begibt, immer auf Linie, immer auf der Seite der Macht? Unvergessen ist beispielsweise die aufgelöste Begeisterung der zukünftigen RBB-Chefin Tina Hassel, wenn sie das längere Streichholz gezogen hatte und von grünen Parteitagen berichten durfte.

Wenn es wahr ist, dass unser Land längst zur Beute der Parteien geworden ist – und wer außer den Parteien zweifelt daran –, ist von den Kontrollinstanzen der ÖRR-Sender, den Rundfunk- bzw. Fernsehräten, nichts zu erwarten. Denn dort sitzen Parteien, Kirchen, NGOs und Lobbyverbände. Nur Zuschauer und Beitragszahler kommen im eigentlichen Sinne nicht vor. Und so beugt sich das Programm eben den politischen „Erfordernissen“ und nicht den Bedürfnissen derer, die es mit ihren Zwangsgebühren finanzieren. Selbst noch im oben erwähnten Selbstbezichtigungsstück in der „Abendschau“ wird gegendert, was das Zeug hält. Dass die überwältigende Mehrheit seiner Zuschauer dies ablehnt, spielt für den Sender keine Rolle.

Die ÖRR-Sender als deutsches Politiksystem im Miniaturformat

Die ÖRR-Sender erscheinen als deutsches Politiksystem im Miniaturformat – wobei ich bezüglich des tatsächlichen personellen Dimensionsunterschied nicht ganz sicher bin. Man teilt den Hang zu Selbstüberschätzung, Selbstbedienung und Opulenz, man teilt auch Feindbilder und Kompetenzlevel. Letztere kann man etwa am Zustand der Energiewende und des RBB exemplarisch vergleichen.

Bestand haben am Ende nur die Paläste, die man sich zum eigenen Genuss errichtet. Wir dürfen davon ausgehen, dass das hochwertige Parkett in Schlesingers Büro lange halten und künftig so manches trotzige Aufstampfen angesichts frecher Demonstrationen oder Verstößen gegen das Infektionsschutzgesetz durch die Unbelehrbaren überdauern wird. Bei der Erweiterung des Kanzleramts werden sicher ebenfalls nur die edelsten Materialien zum Einsatz kommen. Die Empörung über die Erweiterung ist bekanntlich nie über ein sanftes mediales Gegrummel hinausgelangt, vergleichbar dem kaum vernehmbaren Grummeln der Politik in der Causa Schlesinger.

Und noch eines teilen sich die RBB-Rundfunker aus der 13. Etage mit ihren politischen Stichwortgebern: einen ausgesprochen schlechten Sinn für Form und Stil. Vom erstklassigen italienischen Parkett mal abgesehen, verströmt das Schlesinger-Büro kaum mehr Esprit als das Haus eines SED-Bonzen in Wandlitz, während die Erweiterung des Kanzleramtes den Anschein erweckt, noch von Albert Speer braunen Angedenkens gezeichnet worden zu sein.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf Roger Letschs Blog „Unbesorgt“.

Foto: Imago

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Leserpost

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Roland Stolla-Besta / 13.08.2022

Warum fällt mir da wieder einmal des seligen und von mir sehr verehrten Dirigenten Pierre Boulez geradezu historischer Ausspruch ein, der da lautete: „Sprengt die Opernhäuser in die Luft!“ Niemals hatte ihm je einer daraufhin einen Aufruf zur Gewalt vorgeworfen. Aber das waren in den Ende der 60er Jahren auch noch andere Zeiten. Nun wage ich mich nicht, dieses Zitat auf die öffentlichrechtlichenstaatshörigen Rundfunkanstalten anzuwenden, das liegt mir aber auch sowas von – hihi – ferne! Übrigens: warum muß ich bei dem Begriff „Anstalten“ sofort an Klapsmühlen denken?

Silke Müller-Marek / 13.08.2022

Der “Fall” Schlesinger ist die Warnung an die weiteren Intendanten der Sendeanstalten vorsichtiger beim Prassen zu sein. Die Kuh wird jetzt schnellstens durchs Dorf getrieben, ernsthafte Konsequenzen hat in diesem Land schon lange nichts mehr. Schlesinger verliert den Job, na und? Eine finanzielle Entschädigung müsste Frau Großkotz leisten, in Deutschland aber wird sie für ihre “Superleistung” eine Abfindung erhalten, die ihr den “Abschiedsschmerz” versüßt und bald wird sie wieder irgendwo einen neuen, gut bezahlten Posten haben. Die Menschheit neigt einfach zum Vergessen…..  Oder, Herr Scholz?

Caroline Neufert / 13.08.2022

Guter Titel und Beitrag

A.Schröder / 13.08.2022

Nicht nur die Intendantin, der ganze ÖR sollte zurücktreten. Fernsehen abschalten, das spart Strom, Nerven und Geld.

Thomas Roth / 13.08.2022

“Und doch wird nach meiner Einschätzung insgesamt nichts passieren, rein gar nichts! “ Doch. Die Verwaltungs- und Kontrollabteilungen werden weiter aufgebläht, nicht um ihre Arbeit zu machen und die Ausgaben der Intendanten und Programmchefs zu prüfen, sondern um weitere Nutznießer des Selbstbedienungsladens zu versorgen.

Wolf Hagen / 13.08.2022

Ich bin nach wie vor, für die FDGO, das Grundgesetz also und die soziale Marktwirtschaft. Aber das “System” müsste gründlich resetet werden, doch davor fürchten sich Partei-Bonzen aller Ebenen, Staatsfunker und NGO-Aktivisten, zu recht, gleichermaßen. Nur so ist zu verstehen, warum die AntiFa-Nancy schon mal vorsorglich vor Aufständen warnt, während der Scholzomat siegessicher meint, dergleichen werde ganz sicher nicht passieren. Geschickt eingefädelt, möchte man meinen, die Eine droht dem Bürger, mehr oder weniger unverhohlen, mit sozialer Ausgrenzung und der Staatsmacht, während der Andere, dem deutschen Michel, schnell noch seine traditionelle Untertanenhaltung suggeriert, gegen die aufzubegehren mindestens hieße, ein “Naturgesetz” zu brechen, wenn nicht gar eine Blasphemie gegen die rot-grüne Transformations-Gottheit Scholz zu begehen. Man darf gespannt sein, wie lange das noch so klappt.

Dirk Jäckel / 13.08.2022

Nun, das Parkett einer Provinzfürstin interessiert mich ebensowenig wie irgendwelche Badezimmerarmaturen aus’m Westen in Wandlitz. Schon vor knapp 33 Jahren hielt ich es für ein primitives Ablenkungsmanöver des Noch-SED-Funks, darauf minutenlang mit der Kamera zu starren statt über wirklich Wichtiges zu reden, nämlich Unreformierbarkeit aufgrund eines Wurzelschadens. Nein, der Skandal ist hier, dass wir es eben NICHT mit einem Staatsfunk zu tun haben, was ja nach einem tatsächlich Öffentlich-Rechtlichen eine zweitbeste Wahl wäre. Gegen den Staat, wie er verfassungsmäßig gedacht war, habe ich ja nichts, ganz im Gegenteil. Wir haben auch keinen Regierungsfunk, wie ein FDP-Abgeordneter albernerweise behauptete, woraufhin ein älterer und offenbar schon “etwas” verwirrter WDR-Redakteur krächzste, äh, twitterte: Demokratiefeind! Werft ihn aus der Partei, den pöhsen Purchen! (Oder so ähnlich, aber das mit der Demokratiefeindschaft hat der tatsächlich abgesondert). Nein, Regierungsfunk wäre drittbeste Wahl, ist ja immerhin Resultat eines Wahlergebnisses. Aber albern ist das schon wegen der unbändigen Verachtung der so genannten Öffentlich-Rechtlichen gegenüber der FDP. Also, Leute, hört auf, den Grünrot-Funk (zugegeben: mit wenigen noch geduldeten, handverlesenen liberalen Hofnarren) mit Attributen zu versehen, welche ihm nicht zukommen!

Horst Jungsbluth / 13.08.2022

Für den ehemaligen Chef der Deutschen Bank wären das alles “Peanuts”, aber da man davon ausgehen kann, dass dieses “Abfassen” in den verschiedenen Formen im gesamten öffentlichen Dienst bis hinunter zum Hilfspersonal allein in Berlin Milliarden an Euros verschlingt. In der Abendschau des RBB werden wohl auch reichlich Krokodilstränen vergossen, wenn ich daran erinnere, dass dieser Sender (vorher SFB und ORB) sich seit Jahrzehnten strikt weigert, seine Kunden über das zu imformieren, was in der Stadt komplett schief läuft, warum es schiefläuft und wer dafür die Verantwortung trägt. Da werden Personen aus dem öffentlichen Dienst von einer Moderatorin sofort mit dem Spruch empfangen, dass “es zuwenig Personal gäbe und das dieses zu schlecht bezahlt werde”, was beides vollkommen falsch ist. Andererseits kümmert man sich intentiv um Nutten und Drogendealer, denen wegen der Coronapandemie die Einnahmen wegbrechen. Man sollte mir ein Vierteljahr Zeit einräumen, sämtliche Dienststellen bis hin zu den Senatsverwaltungen Anweisungen geben, mir alle Auskünfte zu erteilen und sämtliche Akten auszuhändigen, dann könnte ich dem Land Berlin und dem Bund Abermilliarden einsparen.  Und es gibt andere, die können das sogar noch besser!

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