Herr Sarazin, alles richtig, aber der wichtigste Punkt wird immer unterschlagen, wodurch die Diskussion in eine Schieflage und das anzustrebende Ziel aus den Augen gerät: Alle in der Gesellschaft vorhandene Intelligenz bleibt nutzlos, wenn sie nicht zum Tragen kommt und den Wohlstand der Gesellschaft mehren hilft. Die optimalen irdischen Bedingungen hierfür sind in einem freiheitlich verfaßten Rechtsstaat mit Marktwirtschaft ohne staatliche Eingriffe gegeben (v. Hayek, einziger deutscher Nobelpreisträger auf dem Gebiet der Nationalökonomie). Das kompromißlose Eintreten für diese Form gesellschaftlichen Zusammenwirkens halte ich persönlich für wichtiger als den IQ der Akteure. Ich bin nach wie vor davon überzeugt, daß wir Bürger der DDR, obzwar wirtschaftlich ziemlich erfolglos, doch keinesfalls dümmer waren als jene Deutschen, denen es vergönnt war in einer freieren Gesellschaft zu leben. Und selbst wenn wir Ossis alle noch klüger und besser gebildet gewesen wären, wir wären stets der zweite Sieger der Geschichte geblieben.
Hallo, werter Herr Sarrazin, Sie werden sich wohl oder übel daran gewöhnen müssen, dass wer gegen den “Strom schwimmt” langsamer vorankommt. Auch ist er den ihm entgegen kommenden Schwimmern, der durch die Fließrichtung verursachten größerer kinetischen Energie unterlegen. Selbst bei geringerer Masse, entwickeln sie eine höhere Kraft. Soll ich das jetzt auch auf die Intelligenz beziehen? Ihr Kampf gegen die Kleingeister ist sehr schwierig Herr Sarrazin. Für mich ist das ein wissenschaftliches Faktum. Es muss Ihnen aber immer bewusst ein, wer gegen den Strom schwimmt, bewegt sich immer Berg auf. Um die Metapher abzurunden: Alle, die Ihnen entgegen kommen, werter Herr Sarrazin, bewegen sich Berg ab. Das soll, bei allen Widrigkeiten, denen Sie ausgesetzt Trost und Zuversicht für Sie sein: Mit den Anderen geht es Berg ab! Herzlich, Jürgen Fleischer
Werter Herr Sarrazin, vielen Dank für Ihre Differenzierungslust und Argumentationsfreude. Ein wenig beschämen Sie damit auch die kritische Öffentlichkeit, weil jedenfalls niemand Namhaftes oder gut Platziertes Ihnen in dieser offenbar bodenlosen Situation beisprang. Das ist Stoff für die Geschichtsbücher - ich jedenfalls kann mich an keinen vergleichbaren Fall in den Jahren 70ff. erinnern. Ein wenig ist Ihre Geschichte aber auch gegenbeweislich, wie die Juristen in so einem verzwickten Fall glaubich sagen. Ich meine das so: Wenn die Uni wirklich der Hort der für die Zukunft eines Landes unverzichtbaren Geisteskraft wäre, wie Sie an anderer Stelle sagen, so würde Ihr eigenes Beispiel zeigen, wie wenig mit diesem Hort anzufangen ist - aller dort versammelten kognitiven Kompetenz zum Trotz. Denn natürlich haben solche Erkenntnisse wie die der Sozialpsychologen und der Bildungsforscher nur dann einen positiven Einfluß auf eine Gesellschaft, wenn der Transfer ihres Wissens in die nicht-professionelle Lebenswelt hinein gegeben ist, so würde ich meinen. Und welches Medium wäre besser dafür geeignet, als ein Zeitungs- oder online-Artikel? Derlei Debattierfreude der Fachleute war aber für mich, einen eifrigen Medienkonsumenten mit einigem Radius, leider nirgends zu vernehmen. Bemerkenswert auch die Schlafmützendichte in den Trutzburgen des öffentlichen Rundfunks mit ihren deutschlandweit (geschätzt) sicherlich Dutzenden von Fachkräften für die Berichterstattung über die Sozialpsychologie und die Pädagogik. Ich meine also, dass Ihr eigener Fall zeigt, dass mit kognitiver Kompetenz allein gegebenenfalls ziemlich wenig anzufangen ist. Welcher allgemeine Schluss sich aus dieser Beobachtung ergibt, steht mir nicht ganz klar vor Augen. Ich vermute: Deutschland leidet offenbar weniger als von Ihnen befürchtet unter einem Mangel an kognitiver Kompetenz. Die lagert auf den Unis offenbar haldenweise herum, ohne viel zu bewirken - und ohne sonstwie nachgefragt zu werden. Wäre das soweit richtig, so ergäbe sich der weitere Schluss, Deutschland leide an einem erheblichen Mangel an Zivilcourage, Wachheit, intellektueller Neugier, Redlichkeit und Mut. Um die alte Ritterlichkeit dem lieben Frieden zuliebe gleich außen vor zu lassen. Nebenbei: In der FAZ fand ich diese Woche sehr freundliche, an sie gerichtete Leserbriefe. Und zwei Ihrer in der Tat überragenden Artikel stehen dort immer noch online: No. 1 zum Populismus, No. 2 zur Zukunft Europas: http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaftspolitik/gastbeitrag-betrachtungen-zur-populismus-debatte-14250991.html http://www.faz.net/aktuell/politik/fluechtlingskrise/f-a-z-exklusiv-sarrazin-europa-wie-wir-es-kennen-wird-zerbrechen-14108703.html Die FAZ scheint also - entlang von Ressortgrenzen - gespalten, was Ihre Texte betrifft.
Sarrazin ist ein brillianter Denker. Es ist ein Vergnügen, ihn zu lesen. Ich habe den Eindruck, er recherchiert sehr genau für jede seiner Analysen. Seine Schlussfolgerungen sind absolut logisch, und jeder dem vorurteilsfreien Denken Zugewandte kann sie nachvollziehen. Um so mehr schmerzt es, wenn er sich immer und immer wieder verteidigen und rechtfertigen muss, weil dröge Berufsempörer und Mitläufer oder ideologisch Verblendete oder gehirngewaschene Mitbürger wie kläffende Hunde über seine Bücher herfallen.
Noch anzumerken ist, dass “erblich” und “genetisch bedingt” nicht dasselbe sind. Wenn die Eltern schwarze Haare haben, dann kann das Kind nicht blond werden (im Erwachsenen-Alter). Jedoch kann ein Kind mit durchschnittlich intelligenten Eltern sehr intelligent werden, verursacht durch die Rekombination der Gene. Die Wahscheinlichkeit, dass zwei Genies ein überdurchschnittlich intelligentes Kind zur Welt bringen ist einfach höher als bei zwei Dumpfbacken.
Werter Herr Sarrazin, “Laß fahren dahin, sie haben’s kein Gewinn.” Nach Planck, wenn ich nicht irre, vollzieht sich ein Wechsel wissenschaftlicher Paradigmen ja nicht durch Überzeugung, sondern durch das Hinscheiden der Vertreter älterer Auffassungen. Es geht also alles seinen natürlichen Gang, wenn auch bisweilen ein wenig zu langsam.
In USA gab es diese Diskussion doch schon vor 20 Jahren, ausgelöst durch das Buch “The Bell Curve” des Psychologen Prof. Richard Herrnstein (Uni Harvard). Dummerweise starb der Autor ein paar Wochen nach Veröffentlichung (an Krebs), so das er die Diskussion nicht mehr steuern konnte. Auf jeden Fall ließ sich Herrnsteins Argument der Erblichkeit von Intelligenz nicht widerlegen, das wurde von den Kritikern im Grunde auch gar nicht versucht; sondern vielmehr wurde die Messmethode selbst diskreditiert. Nach dem Motto “Schwarze schneiden bei IQ tests zwar signifikant schlechter ab als Weiße, das liegt aber daran das sie anders sozialisiert sind, während die Weißen aus exakt der Kultur stammen, die den IQ Test produziert. Der IQ Test ist damit auf Weiße zugeschnitten.” Mit diesem tiefen Griff in die Trickkiste ist dann die Diskussion obsolet und aus Fakten werden plötzlich Meinungen(*). Das sie damit selbst ein Postulat aufstellen, das sie nie beweisen können, kam den Kritikern dabei nicht in den Sinn. Ach ja, und natürlich kam auch der unvermeidliche Hitler-Nazi-Rassismus Klamauk als Hilfsargument hinzu, eine unangenehme Begleiterscheinung die dem Autor Sarrazin bestens bekannt sein dürfte. (*) Eine Haltung die direkt zu den sog. “Genderwissenschaften” führt, auch da werden nur unbeweisbare Postulate aufgestellt.
“Basis” der Intelligenz ist das zur Verfügung stehende Potential kognitiv mentaler Funktionsmöglichkeiten. Die ist 100%ig genetisch festgelegt und zwar individuell und einmalig so wie der Fingerabdruck - oder wie die Nase, die jedem Charakterkopf unterschiedlich ins Gesicht gepflanzt ist. Intellgenzstudien beschäftigen sich nicht eigentlich mit dieser Erbanlage, sondern messen überwiegend Fähigkeiten, die (durch Lernen, Übung etc) erworben wurden. Darüberhinaus werden Ähnlichkeiten nur mit nahen Verwandten überprüft, was aber keine Aussage über den zur Verfügung stehenden Genpool zulässt, der bei der Vererbung zur Wirkung kommt.
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