Burkhard Müller-Ullrich / 19.03.2007 / 22:54 / 0 / Seite ausdrucken

Das Mündel will Wähler sein

Nicht nur das Volk ist unzufrieden mit seinen Politikern, auch die Politiker sind es mit ihrem Volk. Die Politiker möchten deshalb einem Vorschlag Berthold Brechts folgend ein anderes Wahlvolk wählen. Das ist natürlich nicht ganz leicht, aber partiell läßt es sich machen. Zum Beispiel läßt sich an der Altersgrenze drehen, die das Wahlvolk von den Kindern trennt. Wenn auch Kinder wählen dürfen, dann – so hoffen Grüne, SPD und FDP – sehen die Wahlergebnisse anders aus.

Nachdem die letzte Debatte um das Kinderwahlrecht schon fast vier Jahre zurück liegt, rollt jetzt die nächste Welle an. Diesmal geht es nicht um Babies, die ihren Eltern zusätzliche Stimmzettel verschaffen, sondern bloß um das Heer der Halbstarken. Es geht um die Herabsetzung des Wahlalters auf sechzehn Jahre.

Die Begründungen dafür sind allerdings haarsträubend: Niedersachsens SPD-Fraktionschef Wolfgang Jüttner behauptet beispielsweise, Jugendliche seien „heute früher reifer“. Wo hat er das her? Wie kann er so etwas beweisen? Die Erfahrung lehrt doch im Gegenteil, daß die Pubertät immer länger dauert; man kann schon froh sein, wenn die eigenen Kinder bis 30 durch sind und allmählich so etwas wie Verantwortung übernehmen.

Nun hat Verantwortung in der Politik eigentlich viel mit Geld zu tun. Das Gefühl für diesen Zusammenhang ist in Deutschland jedoch weitgehend verloren gegangen. Insofern paßt es, daß man Sechzehnjährige, die in der Regel noch gar keine Steuern zahlen, über die Staatsfinanzen mitentscheiden lassen will. Für sie bleibt jede Willensäußerung finanziell folgenlos – eine prima Einübung der wichtigsten politischen Devise, die da lautet: ‚Irgend jemand wird schon für alles aufkommen.’

Dafür können sich die Jugendlichen verstärkt „in die Gesellschaft einbringen“, wie der saarländische SPD-Vorsitzende Heiko Maas im schönsten Sozialarbeiterjargon frohlockt. Bislang sieht das Einbringen mit sechzehn ja bloß so aus, daß man sich vom Religionsunterricht abmeldet, und zwei wöchentliche Freistunden bekommt, um auf dem Oberstufen-Hof zu paffen.

Komisch nur, daß niemand fordert, die Geschäftsfähigkeit und die Strafmündigkeit für Pickelgesichter früher anzusetzen. Wenn die Jugend denn schon so reif, so besonnen und so informiert ist, daß man ihr die politische Macht übertragen möchte, warum darf sie dann nicht auch mit 150 Sachen über Deutschlands Straßen preschen? Die Antwort ist ganz einfach: Autofahren ist und bleibt ein ernstes, ja ein tödliches Geschäft. Politik hingegen ist schon längst zur Kinderei geworden.

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Burkhard Müller-Ullrich / 29.12.2021 / 12:00 / 104

Hausverbot für Reitschuster, Platzverweis für Broder

Ein kurzer Blick hinter die Kulissen der Bundespressekonferenz, einer Berliner NGO mit der Lizenz zum Ausgrenzen. Jetzt hat sie zwei Querulanten gemaßregelt, Reitschuster und Broder.…/ mehr

Burkhard Müller-Ullrich / 15.11.2019 / 08:07 / 134

Mob gewinnt – Wie Aktivisten einen wissenschaftlichen Kongress behindern

Das Umweltinstitut München e.V. ist ein gemeinnütziger Verein. Es ruft zum „Klimastreik“ am 29. November auf, möchte den Betriebsbeginn eines slowakischen Atomkraftwerks verhindern und warnt…/ mehr

Burkhard Müller-Ullrich / 20.10.2019 / 06:18 / 27

Alarm! Bombenfund! – Szenen aus dem deutschen Alltag

Marathonläufe, Love Parades, Klimaproteste: Es gibt für moderne Metropolenbewohner allerlei Veranstaltungen, damit ihnen nicht fad wird. Jedes Stadtfest geht mit einem freudebringenden Ausnahmezustand einher. Da…/ mehr

Burkhard Müller-Ullrich / 27.09.2019 / 13:00 / 73

Close-up auf den Pimmel – Wie die Tagesschau die AfD bloßstellt

Es sind nur drei Sekunden in einem 96 Sekunden langen Tagesschau-Beitrag. Aber drei Sekunden von besonderer und vor allem neuer Qualität im öffentlich-rechtlichen Kampf gegen…/ mehr

Burkhard Müller-Ullrich / 01.01.2019 / 06:29 / 56

Warum 2019 die Mathematikwende kommen muss

Zur Jahreswende erscheint es angebracht, sich mit dem Phänomen der Wende zu beschäftigen. 2018 geht und 2019 kommt. Wo ist da die Wende? Kommt 2018 umgekehrt,…/ mehr

Burkhard Müller-Ullrich / 29.04.2018 / 06:25 / 34

Kölner Polizeipräsident warnt vor Micky-Maus-Messer

Lesen macht bekanntlich dumm und gewalttätig, das gilt auch für die Lektüre von Donald-Duck-Heften, vulgo Micky Maus. Und nicht nur die Lektüre, sondern schon deren…/ mehr

Burkhard Müller-Ullrich / 28.01.2018 / 18:00 / 4

„Negativzinsen” für die schwäbische Hausfrau

Die Welt ist aus den Fugen und der Irrsinn wird alltäglich. Das hat sicherlich sein Gutes, denn es verlangt und bewirkt eine geistige Beweglichkeit, die…/ mehr

Burkhard Müller-Ullrich / 27.10.2017 / 11:11 / 1

Der Unesco-Tango

Es ist fast unbegreiflich, wie es der Allgemeine Deutsche Tanzlehrerverband ein halbes Jahrhundert lang ohne die Anerkennung seines Welttanzprogramms durch die Unesco ausgehalten hat. Denn…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com