Das misstrauische Volk

Edmund Stoiber spricht in der Welt davon, dass die Sachsen wenig Vertrauen in die Institutionen haben, bei der Letzten Landtagswahl im Freistaat wäre die Wahlbeteiligung unter fünfzig Prozent gewesen. Da ist was dran, nur warum dieses Vertrauen in die Institutionen so gering ist, das fragt kaum jemand so genau nach.

Einmal liegt es natürlich an den Institutionen selbst. Diese sind sozusagen von Ideologen der verschiedensten Couleur benutzt wurden - manche sagen unterwandert, eine Bezeichnung die ich nicht so mag, weil sie zu leicht verschwörungstheoretisch verstanden werden kann. Es liegt einfach in der Natur der Macht, die Werkzeuge die man zur Durchsetzung der eigenen Ideologie vorfindend, auch zu benutzen. Der oft zitierte »Marsch durch die Institutionen« ist nur ein Beispiel, kein unwesentliches, das beschreibt, wie so etwas, quasi automatisch, vor sich geht. Es waren ja nicht nur die linken 68er, die, als sie sich verbürgerlichten, mit ihren Ideologien auf die Institutionen einwirkten und diese veränderten, andere taten dies auch. Doch als Beispiel taugen sie recht gut.

Zuerst sollte man die grundsätzlichen Aufgaben von Institutionen betrachten. Sie bilden ein System aus Regeln nach der die Gesellschaft sich selbst organisiert. In Aushandlungsprozessen, wozu auch Wahlen gehören, werden diese Regeln festgelegt und institutionalisiert. Die Institutionen verkörpern also, im Idealfall, den Volkswillen. Da in ihnen aber die Regeln des gesellschaftlichen Miteinanders fest gelegt werden, wecken sie natürlich die Begehrlichkeit von Ideologen, solchen die in erster Linie dem Volkeswillen mißtrauen. Die Versuchung ist groß, den demokratischen Prozess der Institutionalisierung von Regeln, in einen pädagogisierenden Prozess zu verwandeln. Dem Volkeswillen wird misstraut, und mit Hilfe der nun zum Machtinstrument einer Ideologie gewordenen Institution, werden dem Volk Regeln und Normen vorgegeben, die nicht mehr einem demokratischen Aushandlungsprozess entspringen.

Kommunizierende Röhren: Pädagogik und Schweigespirale

Wichtig zum gelingen dieses Vorhabens, was man auch als eine Pädagogisierung der Gesellschaft sehen kann, ist die Entstehung einer Schweigespirale. Dies geht nicht ohne die Medien, denen somit unter den Institutionen eine Schlüsselrolle zukommt. Weltbilder, Ideologien, egal wie wir es bezeichnen, werden propagandistisch und narrativ als moralisch richtig unters Volk gebracht. Der Widerstand gegen neue Regeln und Normen wird durch diese Sturmgeschütze der Propaganda gebrochen. Die als überkommen und moralisch fragwürdig dargestellten ehemaligen Weltbilder sind nun nicht mehr Gegenstand eines Disputs, sie werden vom Disput ausgeschlossen und unmöglich gemacht. Für die staatlichen Institutionen ist es nun ein einfaches neue Regeln und Normen zu installieren.

Die Institutionen haben sich dann gewandelt. Nicht mehr das Organisatorische steht im Vordergrund, von der kommunalen Ebene mal abgesehen, sondern das Erzieherische. Beides ist ja immer, zumindest in staatlichen Institutionen, vorhanden. Ob allerdings dieses nun entstandene Ungleichgewicht ursächlich für den Vertrauensverlust in die Institutionen ist, muss bezweifelt werden. Der Hauptgrund ist, dass dem Erzieherischen die Legitimation durch gesellschaftliche Aushandlungsprozesse fehlt.

Die Sachsen sind nicht mit dem Lehrplan einverstanden

Es ist ja nicht das Erzieherische selbst, das so einige Sachsen zur kritischen Distanz zu den Institutionen drängte, sondern nur, dass sie mit dem Lehrplan nicht einverstanden sind. Der wurde diktiert, nicht ausgehandelt, und dies wurde nur möglich durch die Existenz der Schweigespirale. Deren Existenz wiederum ist nichts neues, sie gibt es seit es die Bundesrepublik gibt. Sie wurde quasi installiert in der nach dem Krieg geschaffenen Medienstruktur, insbesondere des Rundfunks. Vordringlichste Aufgabe war, den Faschismus aus den Köpfen der Menschen zu bekommen, das Attribut erzieherisch wurde somit zum Hauptmerkmal der Medien. Diesen Charakter haben sie nie mehr verloren und mit wachsender Bedeutung des Rundfunks färbte dies auf die ganze Medienbranche ab.

Was gut gemeint war, gründete auf dem Misstrauen gegenüber dem Volk. Auch das hat sich nicht verändert, wenngleich die Ideologien gewechselt haben. Das „Dagegen“, der Kampf gegen den Faschismus, konstruierte ein „Dafür“, für die europäische Einigung. Im Osten halt eine sozialistische Völkergemeinschaft unter Führung der Sowjetunion. Hier wurde die erzieherische Aufgabe der Institutionen viel deutlicher wahr genommen, demzufolge entwickelte sich auch mehr Misstrauen dagegen.

Am Beginn steht aber das Misstrauen der Institutionen gegen das Volk, das erzogen werden muss. Im Westen wie im Osten. Unter den Bedingungen einer Diktatur, wie in der DDR, konnte man nur deutlich unverschämter agieren. Die beleidigende Unverschämtheit dem Volk zu misstrauen, ist die Hauptursache dafür, dass der Glauben an die Institutionen schwindet. In Sachsen, lieber Herr Stoiber, ist dies auf Grund der Geschichte besonders ausgeprägt. Der „kleene Mann“ gilt dort als Bezugspunkt, der Obrigkeit wurde schon immer misstraut, weil die dem kleinen Mann misstraute. Mit noch mehr Pädagogisierung zu versuchen, Vertrauen in die Institutionen zu schaffen, wird nach hinten los gehen und genau das Gegenteil verursachen. Nicht das Misstrauen der Menschen in die Institutionen steht am Anfang, sondern umgekehrt.

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Mehr von Stefan Klinkigt, der die Groteseken und Karikaturen in unserer Galerie oben gezeichnet hat, finden Sie hier.

Foto: Stefan Klinkigt

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