Günter Ederer / 14.03.2023 / 15:30 / Foto: Achgut.com / 71 / Seite ausdrucken

Das Manifest der Egoisten

Das „Manifest für den Frieden“ aber ist ein Manifest des „mir egal“, Hauptsache ich werde nicht allzu sehr belästigt.

Ein „Manifest für den Frieden“ unterschreibe ich sofort. Wer ist denn so unverantwortlich und will den Krieg? Ich habe auch einen Horror von der Vorstellung, dass Atomwaffen in die Hände ruchloser Verbrecher gelangen, um sich selbst an der Macht zu halten – Nordkorea und der Iran sind solch irre Regime, denen ich das zutraue. Leider droht auch Russlands Diktator Putin mit dieser tödlichen Waffe, sollte er seine schräge Weltsicht nicht durchsetzen können. Über 600.000 Deutsche haben ein „Manifest für den Frieden“ unterschrieben. Aber haben sie auch den Text gelesen und verstanden, was da zwei Frauen und ein ehemaliger Bundeswehrgeneral als Friedensmanifest ausgeben? Ja, ich sehne mich auch nach dem Frieden in der Welt und besonders für die vom täglichen Tod bedrohten Menschen in der Ukraine. Aber dieses „Manifest für den Frieden“ der sich selbst darstellenden Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht hätte ich nie unterschrieben, denn es ist kein Beitrag für den Frieden, sondern die schamlose Ausnutzung der Angst vor dem Krieg.

Unterwerfung aus Angst

Es mag sein, dass sowohl unter den weitgehend prominenten Erstunterzeichnern und noch mehr unter den über 600.000 MitunterschreibernMenschen sind, die lähmende Angst vor einem Krieg oder sogar Atomkrieg haben. Aber während in dem besagten Text noch festgestellt wird, „die von Russland brutal überfallene ukrainische Bevölkerung braucht unsere Solidarität“, wird der Ukraine geraten, sich doch nicht zu wehren, wenn sie so langsam von der Landkarte durch Bomben getötet, von einer Soldateska vergewaltigt, ihre Kinder zur Zwangsumerziehung entführt werden. Was ist das für ein Frieden?

In dem ganzen Manifest findet sich kein Wort an Putin adressiert, mit dem Vernichtungsfeldzug aufzuhören. Dagegen wird der ukrainische Präsident Selenskyi angeklagt, er mache aus seinem Ziel kein Geheimnis, fordere er jetzt auch noch Kampfjets, Langstreckenraketen und Kriegsschiffe. Ja, sowas: Da wird ein Staat brutal überfallen und jetzt erhoffen die vom Tod bedrohten Menschen auch noch die Hilfe, die es ihnen ermöglicht, sich zu wehren! In dem Papier, das nicht dem Frieden, sondern der Unterwerfung unter eine Diktatur dient, wird festgestellt, dass, je erfolgreicher die Ukraine den Aggressor vertreiben würde, um so größer die Gefahr eines 3. Weltkrieges samt Atomschlag sei. Was für eine Logik: Die neue Weltordnung heißt also: Wer Atomwaffen hat, kann um des lieben Friedens willen die Grenzen und Einflusssphären seines Unrechtsstaates beliebig ausdehnen.

Das Recht der Atombombe

Diese Logik wird auch in dem Schrieb bemüht – es fällt mit schwer, ein solch oberflächliches Pamphlet als Manifest zu bezeichnen – wenn der amerikanische General Milley zitiert wird:

„Die Ukraine kann zwar – unterstützt durch den Westen – einzelne Schlachten gewinnen, aber gegen die größte Atommacht der Welt keinen Krieg.“ Da wird das ganze Elend dieses Krieges, der in Russland noch nicht einmal so genannt werden darf, sichtbar. Von Anfang an war es für die wenigsten im Westen vorstellbar, dass die Ukraine nicht in wenigen Tagen besiegt sei, egal ob von Militärs, Politikern oder auch nur Stammtischstrategen. Mit Bewunderung und Erstaunen sehen wir aus sicherer Entfernung zu, wie die Ukrainer sich wehren, als motivierte Kämpfer bereit sind, für die Existenz und Freiheit ihres Landes unsägliches Leid zu ertragen oder sogar zu sterben.

Ein „Manifest für die Freiheit“ der Ukraine würde ich auch sofort unterschreiben. Darin müsste dann stehen, was die Beteuerungen der westlichen Staaten und ihrer Verantwortlichen auf den vielen bilateralen Treffen und multinationalen Konferenzen wert sind, in denen die Solidarität mit der Ukraine betont wird. Mittlerweile haben alle wichtigen und weniger wichtigen Staatschefs auch beteuert, sie werden die Ukraine unterstützen so lange das nötig ist und mit allem Material (Waffen) helfen, damit Putin den Krieg nicht gewinnt oder je nach semantischer Vorliebe, „damit die Ukraine den Krieg gewinnt“.

So lernen wir alle, dass Leopard, Puma, Gepard etc. nicht nur Großkatzen sind, sondern Panzer, und wir diskutieren, was davon geliefert werden kann oder soll. Nicht diskutiert wird, wie viele ukrainische Soldaten und Zivilisten sterben, weil die Staaten erst herausfinden müssen, wer zuerst zuckt, und wieder eine Waffengattung bewilligt. Ist das nicht ein zynisches Verhalten? Wir, also der Westen, lässt sich viel Zeit, unter anderem auch, um nicht als Kriegsteilnehmer wahrgenommen zu werden, bis wir jene Waffen liefern, die es der Ukraine ermöglichen, entweder besetztes Land zurückzuerobern oder neue Angriffe abzuwehren. Wenn dazu Langstreckenraketen, Flugzeuge und Schiffe nötig sind, dann sollte das auch gemacht werden und nicht erst zu einem Zeitpunkt, wenn die ganze Ukraine so aussieht wie Mariupol und weitere zehn Millionen Ukrainer das Land verlassen mussten.

Der Preis der Freiheit

Die Furcht, aus dem Überfall Russlands auf die Ukraine könne sich sogar ein 3. Weltkrieg entwickeln, ist nicht unbegründet. Natürlich ist die NATO an dem Krieg beteiligt. Denn längst ist deutlich, dass es nicht darum geht, ob die Krim von Moskau oder Kiew regiert wird und ob vier Provinzen (Oblast) Russland überlassen werden. In Moskau hat der KGB-Agent Wladimir Putin eine Diktatur etabliert, es geht längst darum, ob „der Westen“ bereit ist, knapp 50 Millionen Menschen dieser Diktatur auszuliefern. Und es geht darum, wie viele Machthaber in dieser Welt zuschauen, ob der Westen bereit ist, für Menschenrechte und Demokratie zu kämpfen oder ob wir ein Jahrhundert der autoritären Regime beginnen. Und es ist keineswegs so, dass die Zahl der Staaten und der Menschen, die in einer freiheitlichen Demokratie leben, zunimmt.

So hat der „Westen“ zugeschaut, als unter dem Bruch bestehender Verträge die Volksrepublik China die Demokratie in Hongkong beseitigte. 7 Millionen Menschen haben ihre Freiheit verloren, ohne das Peking dafür einen Preis zahlen musste.

Auf dem Egotrip

Das „Manifest für den Frieden“ ist deshalb so peinlich, weil es keinen Unterschied macht, ob wir – und damit meine ich zuerst die Deutschen, dann die Europäer und schließlich die ganze demokratische Welt, einen Staat unterstützen, der genau darum kämpft, dass seine Bürger in einer Demokratie mit Presse- und Meinungsfreiheit leben können und in Gefahr ist, von einer brutalen Diktatur unterjocht zu werden. Ich unterstelle den beiden Initiatorinnen keine hehren Motive oder Naivität. Sie sind beide intelligent genug, um zu wissen, dass ihr Papier nicht dem Frieden und schon gar nicht der Freiheit hilft. Für Sahra Wagenknecht ist das die Chance, ihrem politischen Traum ein Stück näher zu kommen, eine eigene Partei als Plattform für ihren wirtschaftliche Erfolg zu schaffen. Das Manifest sichert Talkshowauftritte und die helfen, ihre Bücher zu verkaufen und Vorträge zu generieren. 

Auch Alice Schwarzer ist mir bisher nicht als Expertin für die Sowjetunion, Russland oder China aufgefallen. Wohl aber hat sie es geschafft, immer im Gespräch zu sein. Selbst eine Steuerhinterziehung hat sie ohne großen Imageverlust überstanden, schließlich kämpft sie für die Gleichberechtigung. Bei der Veranstaltung vor dem Brandenburger Tor war dann auch ein überdimensionales Plakat zu sehen: „Emma für den Frieden“. Werbung muss halt auch sein. Und davon versteht Alice eine ganze Menge.

1979, ein paar Tage nachdem Khomeini in Teheran angekommen ist, war ich für das ZDF im Iran. Eines morgens saß dann Alice Schwarzer in der Hotellobby. Sie wolle zu Khomeini, um dort gegen den Kopftuchzwang zu protestieren. Meine Dolmetscherin versuchte ihr das auszureden, weil zwecklos und möglicherweise gefährlich. Nach ein paar Tagen flog sie unverrichteter Dinge zurück nach Deutschland. Aber mehrfach hörte und las ich dann von ihrer Reise gegen das Kopftuch. Marketing ist alles. Auch auf dem Podium der Protestveranstaltung am 24. Februar in Berlin agierte sie – strahlend, wie ein Conférencier – als ob es sich um ein lustiges Volksfest handele. In ihrer Rede wiederholte sie die stereotype Behauptung, es handele sich in der Ukraine um einen Stellvertreter-Kampf zwischen den USA und Russland. Ein Schuss Antiamerikanismus gehört halt auch dazu, um seine jahrelang gehegte Fehleinschätzung von Putins Russland zu übertünchen.

Auf einer Wellenlänge: AfD, Selbstdarsteller und Linksaußen

Diese Mischung aus Putin schonender Grundhaltung, aus antiamerikanischer Kapitalismusschelte und notorischer Selbstdarstellung beschert den Egodamen unwillkommene Verbündete, die auf derselben Welle Zustimmung erhoffen. Wurde doch sehr schnell bekannt, dass auch Tino Chrupalla, AfD-Co-Bundesvorsitzender, das Pamphlet mitunterzeichnet hat. „Alle, die ehrlichen Herzens sind, sind herzlich willkommen“, hatten Sahra Wagenknecht und ihr gleich gelagerter Ehemann Oskar Lafontaine verkündet. Aber nun stehen sie vor dem Dilemma, dass sie feststellen müssen, wer ehrlichen Herzens, antiamerikanisch und Russland schonend zwar die gleiche Gesinnung hat, aber unehrlich ist – unehrlich gegenüber wem? Und reicht eine AfD-Mitgliedschaft, als unehrlich abgewiesen zu werden? Am Erstunterzeichner Prof. Dr. Johannes Varwick wird diese Krux deutlich. Nachdem bekannt wurde, das Chrupalla unterschrieben hat, zog er seine Unterschrift zurück. Mit solchen Schmuddelkindern will er nichts zu tun haben. Das ändert aber nichts an der Übereinstimmung in der Beurteilung des Überfalls Russlands in die Ukraine. Er ist zwar Professor an der Universität Halle-Wittenberg, kommt aber trotz all seiner akademischen internationalen Studien zu derselben Einschätzung Russlands und des Krieges wie der Moskaus Propaganda hörige Handwerksmeister Chrupalla.

Kein Wunder, wenn Professoren der politischen Wissenschaften sich auf ihre Politikberatung mehr konzentrieren, als die brutale militärische Wirklichkeit zu realisieren. Sie wollen nicht zur Kenntnis nehmen, dass Putin eine brutale Diktatur geschaffen hat, die das eigene Land zu einem Paria der freien Welt macht. Varwick war von 2019 bis 2021 Präsident der Gesellschaft für Sicherheitspolitik. Dann trat er freiwillig ab. Ein Lehrstuhl, der das Verhalten von politischen Massenmördern untersucht, wäre dringend nötig, damit das, was heute in der Ukraine geschieht, nicht von akademischen Träumern in Talkshows ohne Widerspruch zerredet werden kann. 

Immer dabei und daneben: Merkels General

Stolz verweist das Duo Schwarzer-Wagenknecht auf den Brigadegeneral in Ihren Reihen. Dr. Erich Vad wird immer auch als Berater der Kanzlerin Angela Merkel vorgestellt. Doch was da als Kompetenzhintergrund vermittelt werden soll, ist in Realität ein Grund festzustellen, dass dieser General Vad offensichtlich mitverantwortlich ist für den Schlamassel, den Merkel in den Beziehungen zu Russland hinterlassen hat. Er bietet sich als Zeuge an, dass die Kanzlerin 2008 in Bukarest dem amerikanischen Wunsch, die Ukraine und Georgien in die NATO aufzunehmen nicht gefolgt ist und sich auch danach einer militärischen Hilfe für die Ukraine versagt hat.

Der US-republikanische Senator und Trump-Gegner John McCain hat damals Merkel vorgeworfen, sie habe wohl vergessen, was die USA auch militärisch für die Bundesrepublik Deutschland geleistet hat. Er wurde deshalb als Kriegstreiber beschimpft. Leider ist er zu früh gestorben, um die zweifelhafte Politik eines Trump weiter bekämpfen zu können. Merkel-Berater Vad ist heute noch stolz, dass er damals in Bukarest dabei sein konnte und hält die Merkel-Haltung immer noch für richtig.

Vad hat noch vor einem Jahr, kurz vor der russischen Invasion, behauptet, die Ukraine wäre in wenigen Tagen besiegt. Varwick als Präsident der Gesellschaft für Sicherheitspolitik, Vad als Kanzlerin-Berater und die AfD als politischer Kreml-Arm, kein Wunder, dass Putin glauben konnte, er werde seine imperialen Gelüste wieder um einen weiteren Landgewinn ohne viel Gegenwind stillen können. Wenn das für ihn schiefgegangen ist, dann nur, weil die USA und Großbritannien nach der Okkupation der Krim und dem Überfall im Donbass die ukrainische Armee ausgebildet und mit Waffen unterstützt haben. Hätten sich die deutschen Appeasement-Strategen durchsetzen können, müssten wir in der Tat nicht mehr von einem Krieg in der Ukraine sprechen. Längst würden wir über die Aggression Russlands debattieren, ob und wie die Sanktionen aussehen dürfen, wenn die russischen Truppen, die in Transnistrien schon stationiert sind, auch den Rest von Moldau besetzen. Als Nächstes müssten wir dann das Baltikum opfern, um einen 3. Weltkrieg zu verhindern. Dafür würde dann der Satz aus der Merkel-Ära herhalten: „Diese Völker müssen sich halt ihrer geographischen Realität stellen.“

Talkshow-Marketing

Jetzt, nachdem sich der erste Hype nach dem Manifest gelegt hat, lässt sich feststellen, für die beiden Damen hat sich die Initiative gelohnt. Für Sahra Wagenknecht mehr als für Alice Schwarzer. Keine Talkshow mehr, in der Sahra nicht entweder selbst auftrat oder wenigstens Gegenstand hitziger Wortgefechte war. Für Schwarzer blieben meist sarkastische Bemerkungen, weil sie sich strahlend tänzelnd auf der Bühne präsentierte, als ob gleich nach dem gemeinsamen Schunkeln ein Volksfest beginnen würde. Sahra Wagenknecht nutzte die Gunst der Aufmerksamkeit, um bekanntzugeben, dass sie nicht mehr für die Partei „Die Linke“ antreten werde. Alles deutet darauf hin, dass das „Manifest für den Frieden“ vor allem dazu diente, das eigene Profil zu stärken, entweder für eine weitere Partei oder als Publizistin. 

Aber nicht nur sie missbraucht den Ukrainekrieg als Selbstdarstellungsbühne. Unter den 69 Erstunterzeichnern finden sich mehrere Namen, die immer dabei sind, wenn es gilt, sich öffentlichkeitswirksam in Szene zu setzen. Um einige zu nennen: Peter Gauweiler, CSU, Wolfgang Grupp, der Unternehmer mit dem Affen, Margot Käßmann, die Theologin, für die Frieden ohne Freiheit akzeptabel ist, Oscar Lafontaine, der schon in vielen Parteiämtern Unfrieden gestiftet hat, Martin Sonneborn und Jürgen Todenhöfer, die ihr Ego befriedigen, indem sie Miniparteien für sich gegründet haben – und Franz Alt, der die Welt schon mal mit Schilfgras retten wollte. 

Es ist so einfach, sich für den Frieden einzusetzen. Da fühlt man sich doch gleich als besserer Mensch. Wer sich dagegen für die Waffenlieferungen einsetzt, ist ein Kriegstreiber, zumindest ein naiver Mitmensch, der noch nicht verstanden hat, dass in der Ukraine ein Stellvertreterkrieg der Amerikaner stattfindet. Da treffen sich dann die Anhänger der AfD mit den Manifestfriedensanhängern aller Schattierungen. In dem Schwarzer-Wagenknecht Papier kommt das Wort „Freiheit“ nicht vor. Deshalb beantworten sie auch weder bei ihren Kundgebungen noch in den Talkshows die Frage: „Wieviel Millionen Ukrainern sie dem blutigen Unterdrückungsregime Putins ausliefern wollen. Wie viele Frauen als Kriegsbeute vergewaltigt, wie viele Kinder entführt, wie viele Zivilisten erschossen werden dürfen, damit Putin aufhört, Städte zu zerstören. 

Die Kraft, die die Ukrainer aufbringen, um sich die Freiheit zu erkämpfen und zu erhalten, wird weder von den Manifestunterstützern noch von der AfD zur Kenntnis genommen. Da werden alle möglichen zweifelhaften Motive unterstellt. Über die amerikanischen Machtgelüste habe ich schon geschrieben, aber auch über ukrainische Nazis, Lobbyisten der Waffenindustrie etc. wird spekuliert. Die sogenannten Intellektuellen haben schon während des Maidan-Aufstandes und der orangen Revolution in Kiew nicht wahrhaben wollen, dass es im Kern den Ukrainern darum ging und geht, nicht von einem stalinistischen System unterjocht zu werden.

Dass da alle möglichen Typen – von ukrainischen Nationalisten bis hin zu Kriminellen, wie dem russischen Bandenchef Jewgeni Prigoschin – mitmischen, ist unvermeidbar, darf aber nicht dazu führen, dass es der überwiegenden Mehrheit, nicht nur den Ukrainern, darum geht, in Freiheit zu leben. Und die musste und muss weltweit erst erkämpft werden. Es macht nachdenklich, wie viele Deutsche bereit sind, für einen Scheinfrieden die Freiheit zu opfern.

Die Biedermeier-Intellektuellen

Über 30 der Erstunterzeichner arbeiten in Medienberufen. Sie alle haben in dem Manifest nicht vermisst, dass von dem Kampf für die Freiheit nicht die Rede ist. Vielleicht wäre es an der Zeit, Max Frischs Drama: „Biedermann und die Brandstifter“ öfter zu spielen. Nicht nur damit das Publikum über die schleichende Gefahr ahnungsloser Bequemlichkeit nachdenkt, sondern mancher gutbezahlter Schauspieler beim Einstudieren der Rolle nachdenkt, bevor er ein Manifest der Unterwerfung unterschreibt. Der eingekuschelte Biedermeier war schon immer eine deutsche Spezialität.

Es blieb der Satire-Sendung „heute show“ vorbehalten, Interviews mit Teilnehmern der Demonstration für das Manifest der Egodamen auszustrahlen. Es waren hauptsächlich ältere Mitbürger, viele aus dem Osten der Republik, die Angst haben, dass sich der Krieg bis hin zu einem Atomkrieg ausweitet. Diese Angst ist nicht unbegründet. Auch ich traue Putin zu, jede Steigerung der Kriegshandlungen zu befehlen, sollte eine Niederlage drohen oder gar sein Regime gefährdet sein. Aber das darf nicht dazu führen, ihm Millionen Menschen auszuliefern, nur weil er Nuklearwaffen besitzt.

Die Fehler im Umgang mit dem russischen Diktator haben über ein Jahrzehnt des Wunschdenkens vom netten Nachbarn Putin zu diesem Krieg geführt. Jetzt hat er den Überfall zu einem Stellvertreterkonflikt aufgeschaukelt, in dem Ukrainer und Russen den Preis mit ihrem Leben bezahlen müssen. Es ist aber nicht der Stellvertreterkrieg zwischen der Ukraine und Russland, sondern es geht um den jahrhundertealten Konflikt zwischen Freiheit und Diktatur, zwischen freien Staaten und autoritären Regimen.

Was ist ein Frieden ohne Freiheit wert?

„Nie wieder“, lautet eine Lehre der deutschen Überlebenden des 2. Weltkriegs. „Nie wieder“ auf einen Gewaltherrscher reinfallen? „Nie wieder“ politischen Rattenfängern folgen? „Nie wieder“ zuzulassen, wenn Völker oder auch nur Minderheiten verfolgt und getötet werden? Zurzeit erleben wir, wie die ukrainischen Soldaten an der Front und die Zivilbevölkerung im Bomben- und Raketenhagel „nie wieder“ in einer Diktatur leben wollen.

Das „Manifest für den Frieden“ aber ist ein Manifest des „mir egal“, Hauptsache ich werde nicht allzu sehr belästigt. Den verängstigten Demonstranten vor dem Brandenburger Tor kann man es nicht verübeln, wenn sie aus Angst vor dem Krieg verwirrt, Opfer und Täter durcheinanderbringen. Die wenigsten dürften Timothy Snyders erschütterndes Buch: „Bloodlands Europa zwischen Hitler und Stalin“ gelesen haben, das den Leidensweg der Ukraine unter den Massenmördern der Geschichte eindrucksvoll belegt. Die sogenannten Intellektuellen aber, viele davon mit dem Titel Professor, darf man vorwerfen, dass sie bei der Unterzeichnung dieses Pamphlets, vor allem an sich selbst und ihren Bekanntheitsgrad gedacht haben, ohne sich intensiv mit der Geschichte der Ukraine und deren Drang nach Freiheit informiert zu haben. Es ist deshalb ein Manifest der Egoisten, nicht wichtig genug, um in allen Talkshows gewürdigt zu werden.

Foto: Achgut.com

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Leserpost

netiquette:

T. Schneegaß / 14.03.2023

@Hubert Bauer: Sie hätten was anderes gefunden, wetten…. Und nach diesem Krieg, falls die Welt dann noch existiert, finden sie wieder was anderes, wetten….

Edgar Jaeger / 14.03.2023

Das Ziel Selenskyis ist es die Ukraine wieder in in den Grenzen von 1992 zu etablieren. Das ist sein gutes Recht isbesondere weil Rußland die Inetgrität der Ukraine im Budapester Memorandum garantiert hat. Dazu hat er Recht und er weiß was die Armee braucht um dieses legitime Ziel zu erreichen.  Von Selenskyi habe ich keine terriotalen Ansprüche an Rußland vernommen ebensowenig eine Forderung nach Atomwaffen. Warum wird immer wieder von einem Stellvertreterkrieg gesprochen? Die Ukraine hat durch die Abwehr des russischen Angriffs auf Kiev den Krieg gewonnen, ja ich würde sogar sagen, daß erst durch diesen Sieg sich die Ukrainer vereinigt haben und es unerheblich ist ob sie russisch sprechen oder ukrainisch. Die Verteidigung Kievs haben die Ukrainer ganz alleine geschafft ohne die Hilfe der USA. Starlink bekamen Sie erst später. Oder glaubt jemad ernsthaft die 5000 SWtahlhelme von Frau Lambrecht haben dieses wunder vollbracht? Diejenigen, die sagen die Ukraine können den Krieg gegen Rußland nicht gewinnen unterliegen offensichtlich dem Irrtum Selenskyi wolle wie Napoleon oder der Schnauzbart in Moskau einmarschieren. Es gibt genügend Präzedenzfälle wo ein Volk oder Nation sich gegenüber einer erdrückenden Großmacht durchsetzte will es für das was sie für Freiheit hält gekämpft hat. In neuerer Zeit wäre da Vietnam, Afghanistan (sowohl gegen die Sovjetunion als auch gegen die NATO) aber auch Israel zu nennen. Der Schlüssel zum Frieden in der Ukraine liegt leider im Kremel. Erst wenn Putin (und Kyrill der Metropolit von Moskau) einsehen, dass er die Ukraine verloren hat wird er einlenken. Denn wenn die Ukraine fällt wird er weitermarschieren. Erst nach Moldavien, dann vielleicht ins Baltikum wobei er den NATO beitritt Finnlands als berechtigten Grund anführen kann. 

Sabine Heinrich / 14.03.2023

Zunächst wollte ich diesen Beitrag gar nicht lesen, da mit der Großüberschrift und der nachfolgenden kleineren schon klar war, wohin der Hase des Herrn Ederer laufen würde. Ich habe viel zu wenig Ahnung von dem, was dem Überfall Russlands auf die Ukraine vorausgegangen ist. Deswegen will ich auch nicht auf den Inhalt dieses Textes eingehen. -  Ich gebe zu - mich interessiert seit Jahren viel mehr, was mit unserem einstmals schönen, wohlhabenden Land geschieht - das man noch bis vor ein paar Jahren als Demokratie bezeichnen konnte. Und ich sehe mit allergrößter Sorge, dass unser Land von strunzdummen, macht- und geldgierigen Politikermarionetten in einen 3. Weltkrieg (der Krieg gegen das eigene Volk wurde ja schon im März 2020 eröffnet) geführt wird. Was mich jedoch ganz gewaltig stört und abstößt, ist dieser geifernde, giftige Ton gegenüber Menschen wie z.B. Frau Wagenknecht, Frau Schwarzer und - natürlich der AfD. - Eigentlich widerstrebt es mir, persönlich zu werden - aber auch in meinem persönlichen Umfeld erlebe ich, dass sogar gebildete Menschen - besonders jedoch Männer um die 80 Jahre und darüber (wie Herr Ederer) - zunehmend intoleranter und feindseliger gegenüber Menschen werden, deren Ansichten ihnen gegen den Strich gehen.

Rainer Niersberger / 14.03.2023

In logischer Fortsetzung nicht nur dieses Artikels, sondern der mutmaßlichen Ziele einiger Beteiligter, die vom Sieg ueber Russland traeumen, hoffe ich, dass nicht nur die Anzahl der Kampfpanzern auf das militärisch Notwendige erhöht wird, sondern weitere Systeme in der entsprechenden Zahl geliefert werden.  Ein paar Hundert Panzer sollten es fuers Halten sein, eine Null noch hintendran fuers Gewinnen. Und Kampfjets in entsprechender Zahl sind fuer den Sieg essentiell, die massenwirksame Munition selbstredend auch. Die ein oder andere Rakete auf Moskau waere sicher auch hilfreich, wenn man in der “Sprache” Baerbocks und sicher auch des ukrainischen Regimes, ein ukr. General sprach bereits von Angriffen auf russische Gebiete, den Russen die Beine abschlagen will. Das Bild duerfte durchaus treffend gewaehlt sein. Da sollte man nicht kleckern, das Weltkriegsrisiko, so der Autor selbst, darf bei der offensiven Verteidigung der westlichen Werte, die sich seit Jahren, besonders bei Corona, in Sch’land bewährt haben, kein kleinkraemerisches Hindernis fuer die Verbreitung der Transformation sein. Und nach Russland schlagen “wir”, der Hegemon liefert die Waffen, seine Vasallen das Menschenmaterial, China die Beine ab usw, usw..  Das waere doch gelacht, wenn es nicht gelaenge, die westliche Zivilgesellschaft mit ihrem Wokismus zu einer one - world - Entitaet zu machen, unter guetiger Leitung der US - Elite und ihrer sattsam bekannten Helfer oder Verwalter, demokratisch, liberal und rechtsstaatlich wie immer natuerlich.  Es koennte allerdings auch ganz anders ausgehen. Im Unterschied zum Autor hoffe ich auf Mr. Trump oder jemandem Aehnlichen, jedenfalls keinen der elitengesteuerten, sogen Democrats.

finn waidjuk / 14.03.2023

Es läuft doch immer wieder auf das Gleiche hinaus: die eifrigsten Kriegstreiber sind immer und überall die, die im Traum nicht auf die Idee kämen selbst zu kämpfen. Und die wahrscheinlich noch in der Etappe die Hosen voll hätten. “Und doch ihr Wichte und Milchgesichter, ihr aufgeblasenes, schlappes Gelichter,........ ihr bleibt die Etappensäue”.

M. Posselt / 14.03.2023

Bei der “Achse” herrscht Meinungsfreiheit. Gut so! Deshalb kann ich auch offen sagen, dass dieser gratismutige Beitrag Ausdruck von Gesinnungsethik ohne ein Quantum Verantwortungsethik ist. Offenbar hat der Autor seine Gesinnungsethik aber nicht so weit getrieben, dass er (i) persönlich die Ukraine mit Geld oder der Waffe in der Hand unterstützt, oder (ii) seine jüngeren Angehörigen auffordert letzteres zu tun. Ich habe das “peinliche Pamphlet” mit den anderen finsteren und geltungssüchtigen Gestalten unterschrieben und habe die Ehre, mich als Friedenschwurbler oder Lumpenpazifisten bezeichnen zu lassen, wie es in den vom Herrn Autor bevorzugten Medien genannt wird.

Sepp Kneip / 14.03.2023

Dieser Artikel ist an Einfalt und Einseitigkeit nicht zu überbieten, Sechshunderttausend Menschen, die das Manifest für den Frieden unterstützen als Egoisten und Selbstdarsteller zu bezeichnen, ist zudem eine Verhöhnung dieser Menschen. In was für einer Welt leben wir eigentlich? Russland ist böse, die Nato ist gut? Putin ist der Kriegsteufel, Selensklj ist der Friedensengel? Diese Denkweise sollte man wirklich mal auf den Prüfstand stellen. Wer gegen diese Denkweise ist, instrumentalisiert diesen Krieg für egoistische Zwecke. So einfach ist das. Nein, diese Menschen handeln nicht nur für sich, sondern für alle, die in diesen Krieg hineingezogen werden können. „Davon hängt unser Leben ab“, so Selenskij über die Waffenlieferungen. Aber das Gegenteil ist der Fall. Wenn man die Sache realistisch sieht muss man feststellen, dass die vielen Waffen, die die Ukraine vor dem Krieg gehortet hatte, unsäglich viele Menschenleben forderten. Hat nicht Selenskij auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2022 damit geprahlt, dass die Ukraine kurz vor der Schwelle zu einer Atommacht stehen würde? War das nicht wie eine Einladung an Russland, in die Ukraine einzumarschieren? In eine Ukraine, die mit westlichen Waffen nur so gespickt war. Eine Falle? Jeder Krieg ist ein Verbrechen. Der Angreifer wird immer verurteilt, ohne Berücksichtigung der Umstände die zu dem Krieg geführt haben. Ja, Russland führt diesen Krieg, aber die Nato schürt diesen Krieg. Beides ist gleich schlimm und zu verurteilen. Was hat die Ukraine von ihrem aufgeblähten Waffenarsenal gehabt? Es ist versiegt. Alles im Siegestaumel verballert. Es wurde sicher kein Leben damit erhalten, aber viele Tote verschuldet. Haben sich nicht die Russen, sondern die Ukrainer und die Nato verzockt? Aber statt sich endlich auf Friedensgespräche einzulassen, lässt Sekenskij geächtete Streu- und Brandbomben vom Westen fordern. Dieser korrupte und gedungene Mann, der seine Luxusvilla(!) sogar an Russen vermietet, ist wahnsinnig.

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