Chaim Noll / 16.12.2021 / 06:15 / Foto: Freud / 126 / Seite ausdrucken

Das Märchen von der „Mehrheit“

Unsere Regierenden fühlen sich und die Mehrheit erklärtermaßen von der Tyrannei einer Minderheit bedroht. Aber sind denn diese Mehrheits-Politiker wirklich von einer Mehrheit der Bürger gewählt worden?

Neuerdings bringen Politiker gern die „Rechte der Mehrheit“ ins Spiel, um unliebsame Gruppen einzuschüchtern. „Mehrheit“ – in einer Demokratie ein gewichtiges Wort. In der Schule haben wir gelernt, dass in demokratischen Staaten nicht mehr Alleinherrscher oder Cliquen von Mächtigen, sondern „Mehrheiten“ unsere Geschicke bestimmen. (Semantische Probleme beginnen bei der Frage, ob das Wort „Mehrheit“ den unbestimmten oder bestimmten Artikel erfordert, ob es also „die Mehrheit“ oder „eine Mehrheit“ heißen muss, da Mehrheiten ständig wechseln. Politiker bevorzugen „die Mehrheit“ – es klingt so schön absolutistisch.)

Besonders beunruhigt zeigen sich Politiker über den zunehmenden Einfluss von Minderheiten, die in den sozialen Netzwerken kommunizieren, sich gegenseitig informieren und – hier wird es gefährlich – zu gemeinsamen Handlungen aktivieren. Die Demo-Szene in Deutschland war längere Zeit ziemlich überschaubar: am 1. Mai die Linke in Berlin-Kreuzberg und anderswo mit dem üblichen Sachschaden in Millionenhöhe, dann natürlich (ja, man war geneigt, eine Art Naturrecht darin zu sehen) die Partyszene der jungen Männer, „arabischstämmig, nicht politisch organisiert, eher erlebnisorientiert“, mit den üblichen Mordaufrufen gegen Israel, die Juden und sonstigen Bekundungen ihrer Verachtung gegen den Rechtsstaat. 

Nun erscheinen plötzlich „Minderheiten“ auf der Bildfläche, aus der Mitte der Gesellschaft, erboste Bürger und solide Steuerzahler, mit denen man nicht gerechnet hatte. Sie protestieren gegen eine fahrlässige Flüchtlingspolitik, gegen mit Corona begründete Einschränkungen der bürgerlichen Freiheiten, überhaupt gegen den schleichenden Abbau ihrer Grundrechte. Gelegentlich kommt es zu Handgemenge mit der Polizei, dann ist von „aggressiven Minderheiten“ die Rede. (Eigentlich war das aggressive Auftreten Privileg muslimischer Milieus, gegen die wenig unternommen wurde. Die geringe Aufklärungsrate und oft lächerlich sanften Gerichtsurteile haben andere aggressive Gruppen, etwa Neo-Nazis oder Rockerbanden, eher ermutigt als abgeschreckt.) Die neue Protest-Szene aus der Mitte ist besonders beunruhigend, weil sich ihr fast jeder irgendwann anschließen kann und daher ihre Ressourcen fast unerschöpflich sind. Schon ihre Benennung macht Mühe: Neue Pejorative werden eingeführt wie „Querdenker“, weil sich die Protestierenden in keines der gängigen Muster deutscher Politiksprache einordnen lassen.

Wen hat denn die Mehrheit gewählt?

Gegen diese Minderheiten müsse man die Mehrheit schützen, finden viele Politiker, da diese in einer Demokratie das Vorrecht hat. Offen ausgesprochen wurde ihr Wunsch von einem tonangebenden, regierungsnahen Journalisten, dem Stellvertretenden Chefredakteur der Hamburger Zeit, Bernd Ulrich. Der befand – lehrerhaft, wie es zu seinem Blatt passt – in einer deutschen Talkshow: „Man muss jedenfalls mal anerkennen, dass zwei Drittel bis drei Viertel der Deutschen sich in den letzten zwei Jahren fast überwiegend vernünftig verhalten haben – und solidarisch. Die wurden nur nicht vor der unvernünftigen Minderheit geschützt (…) Die wichtigste Regel in der Demokratie ist die Mehrheitsregel, und die Mehrheit muss das, was sie sich selber vornimmt, wo sie die Leute für gewählt haben, dann auch durchsetzen, damit das Projekt überhaupt gelingt.“

Wen aber hat „die Mehrheit“ gewählt? Die derzeit regierenden Politiker? Sie behaupten natürlich, sie seien von der Mehrheit der Bevölkerung gewählt und dadurch demokratisch legitimiert. Doch wenn man genauer hinsieht: Bei einer Wahlbeteiligung von 76,6 Prozent erhielten Bundeskanzler Scholz und seine Partei 25,7 Prozent der Stimmen, das sind unter Berücksichtigung der Wahlbeteiligung 19,7 Prozent aller wahlberechtigten Deutschen. 19,7 Prozent – ist das eine Mehrheit? Herr Ulrich von der Zeit hat offenbar eine Grundschule ohne Rechenunterricht besucht. Und will Olaf Scholz angesichts dieser 19,7 Prozent allen Ernstes behaupten, die Mehrheit der deutschen Bevölkerung stünde hinter ihm?

Die führenden Politiker der Grünen erhielten 14,8 Prozent aller abgegeben Stimmen, das sind, gerechnet auf die genannte Wahlbeteiligung, 11,3 Prozent der deutschen Wahlberechtigten. Die Freien Demokraten mit ihren 11,5 Prozent wurden sogar nur von 8,8 Prozent aller Wahlberechtigten gewählt. (Und selbst wenn wir diese Zahlen im Sinne der vom Wähler nicht beeinflussbaren Koalitionsbildung addieren, kommen wir auf gerade mal 39,8 Prozent aller deutschen Wahlberechtigten, die überhaupt irgendwen gewählt haben, der in dieser Regierung sitzt). In Wahrheit erweisen sich die führenden Politiker auch nur als Vertreter von Minderheiten und die durch die Koalition zusammengeschusterte „Mehrheit“ als notgedrungener, brüchiger Zusammenschluss schmaler Wählergruppen.

Die Herrschaft der Mehrheit ist ein Märchen. In Wahrheit herrschen kleine Kreise, gewählt von Minderheiten. Wenn nun also gegen andere, den Regierenden unliebsame Minderheiten vorgegangen wird, steht nicht, wie behauptet, „die Mehrheit“ dahinter, sondern besondere Gruppeninteressen. Und die sich Regierung nennenden Interessenvertreter können alles Mögliche zur Legitimation ihrer Übergriffe gegen andere Gruppen ins Feld führen, aber nicht den Willen der Mehrheit.

Von Chaim Noll ist soeben in der Achgut-Edition erschienen: Der Rufer aus der Wüste – Wie 16 Merkel-Jahre Deutschland ramponiert haben. Eine Ansage aus dem Exil in Israel“. Mit einem Vorwort von Vera Lengsfeld. Hier im Achgut.com-Shop sofort bestellbar.

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Bernd Schreller / 16.12.2021

In 2021 218 mal mehr Fälle von Myokarditis als in 2020 lt VAERS (offiziell Meldestelle für Imofnebenwirkungen der USA)

S. Marek / 16.12.2021

32.649 Todesfälle 3.003.296 Verletzungen nach COVID-Spritzen in der europäischen EU Datenbank EudraVigilancefür unerwünschte Wirkungen - junge, zuvor gesunde Menschen leiden weiter.  Stand 15. Dezember 2021 3:15 pm .      Hier sind die zusammengefaßten Daten bis zum 4. Dezember 2021:    1.)  Gesamtreaktionen für den mRNA-Impfstoff Tozinameran (Code BNT162b2,Comirnaty) von BioNTech/ Pfizer: 15.061 Todesfälle und 1.399.513 Verletzungen.  2.)  Gesamtreaktionen für den mRNA-Impfstoff mRNA-1273(CX-024414) von Moderna: 9.084 Todesfälle und 409.189 Verletzungen.    3.)  Gesamtreaktionen für den Impfstoff AZD1222/VAXZEVRIA (CHADOX1 NCOV-19) von Oxford/ AstraZeneca: 6.515 Todesfälle und 1.088.775 Verletzungen.    4.)  Gesamtreaktionen für den COVID-19-Impfstoff JANSSEN (AD26.COV2.S) von Johnson & Johnson: 1.989 Todesfälle und 105.819 Verletzungen.

Wolfgang Brugger / 16.12.2021

Es stimmt, die Regierung wurde nicht von der schweigenden Mehrheit gewählt. Aber das nützt überhaupt nichts. Der Impfzwang für medizinisches Personal und Ärzte und sogar für Psychotherapeuten, die gar keine körpernahe Dienstleistung erbringen, wurde mit einer Mehrheit von 83 % beschlossen, die 16 % über der verfassungsändernden Mehrheit liegt und damit den durch die gewählten Repräsentanten vollzogenen Willen der riesigen Mehrheit des Volkes ausdrückt. Kein Richter wird das in Zweifel ziehen und anfechten. Und Lauterbach hat erkannt, dass die Impfungen nur eine Wirksamkeit von 35 Prozent haben, weshalb man auch bei einer Impfquote von 90 % keine Herdenimmunität erreiche, sondern die Impfpflicht benötige.  M. E. wären auch dann nur 35 % geschützt. Aber richtig. Je weniger die Impfungen wirken, desto mehr Menschen müssen geimpft werden, um überhaupt einen Effekt zu erzielen. So ist es “gerichtsfest” zur Freude der ganzen Impfmafia. Und die Impfpflicht für alle kommt, selbst wenn es kein einziges Coronavirus mehr gibt, vielleicht weil die Pandemie wegen der ungeimpften Fledermäuse wieder aufflammen könnte, aber in Wirklichkeit weil es überhaupt nicht um Corona geht, sondern um Pharmagewinne, Vernichtung von Geschäften zugunsten des Online Handels, divide et impera und Demokratieabbau zum Schutz von Volk und Staat gegen Unruhen, und vor allem um Erhöhung der Staatsverschuldung zur sicheren Anlage der Konzerngewinne in der entgleisenden Wirtschaftskrise.

Hans-Peter Dollhopf / 16.12.2021

Dieser Text liefert ein wichtiges und richtiges Argument im Abwehrkampf gegen die Hydra! Das Regime hat sich durch seine Absichten und Handlungen zwar bereits selbst delegitimiert. Aber die Bürger sind noch immer nicht bereit, das zu verstehen, zu akzeptieren und die Konsequenzen zu ziehen.

Peter Woller / 16.12.2021

Ja klar werden jetzt wir Menschen, die mit Lichtern und Fackeln durch die Straßen ziehen, von allen Seiten angegriffen. Wir sind die zweite Seuche. Wir sind Staatsfeinde. Wir sind Demokratiefeinde. Morgen werden wir Feinde der Menschheit sein. Und warum? Weil wir mit Lichtern und Fackeln durch die Straßen ziehen, und so der herrschenden Politik zeigen, dass es so auch nicht geht. Aber diese Damen und Herren fangen wie die Mimosen bei dem geringsten Widerspruch gleich an zu jammern und zu weinen, was wir doch für böse Rechte sind.

Reinhold R. Schmidt / 16.12.2021

Wer in einer freiheitlichen demokratischen Grundordnung (das ist das Gestaltungsprinzip der Bundesrepublik Deutschland) plötzlich nur noch von einem Mehrheitsprinzip spricht, ist ein Nicht-Demokrat. Ein Beispiel: Wir sitzen abends gemeinsam und gutgelaunt in der Kneipe, dann stelle ich in der Gruppe den Antrag, dass “Meier” heute die gesamte Rechnung zahlt und lasse darüber abstimmen - natürlich bekomme ich dafür sofort eine Mehrheit. Also eine “demokratische” Entscheidung, Allerdings dämmert es den meisten Teilnehmern sofort, dass da irgendetwas nicht in Ordnung ist. Ohne Minderheitenschutz, wie in der   freiheitlichen demokratischen Grundordnung festgelegt, sind sogenannte Mehrheitsentscheidungen eher ein Beispiel für Diktaturen mit gut funktionierender Propaganda (“Wollt ihr den totalen Krieg”).

Heinrich Wägner / 16.12.2021

Ausgezeichnet Herr Jürgen Matthes. Es ist kaum noch etwas hin zu zu fügen. Alles was ich in 40 Jahre DDR erlebt habe. Vom eingesperrten Mauer Soldaten der auch noch das Gekreische aus der Harfe seines Namen hören konnte. Die Mehrheit der Deutschen lebt gern auf Knien so lange sie Blockwart spielen dürfen. Für mich persönlich ,ich möchte es nicht aussprechen .  Ich werden gehen müssen nicht nur mit dem Gefühl sondern mit Gewißheit ,es hat sich nichts geändert bei den Menschen seid meiner Geburt. Es fühlt sich an wie ekelhafter Schleim .Sie brachte ihn mit aus dem Osten und der Westen sog ihn gierig auf. Der Weg in die Diktatur wurde freudig aufgenommen hatte man doch einen Helfer der bei Ulbricht und Honecker in die Lehre ging. Den beiden Hexenmeistern denen es gelang immer alles in der Hand zu haben ,daß es wie Demokratie aussah.  Bis auf das eine Mal. Aber diesen Fehler werden sie nicht noch einmal machen.

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