Das Märchen vom günstigen Solarstrom

Der Mythos, Solarenergie sei hierzulande besonders preisgünstig wird wieder besseres Wissen gepflegt. Man greift zu faulen Tricks und lässt die Kosten für die Backup-Stromlieferanten weg, die einspringen müssen, wenn die Sonne nicht scheint.

Folgt man Wirtschaftsminister Habeck, so kommt die Energiewende in Deutschland gut voran: In der letzten Ausschreibungsrunde der Bundesnetzagentur erfolgten Zuteilungen von 2234 Megawatt Solaranlagen auf Freiflächen für Anlagen größer als 1 MW. Gleichzeitig hatte Wirtschaftsminister Habeck eine frohe Botschaft zu verkünden: "Auch in Deutschland kann Solarstrom also sehr kostengünstig erzeugt werden", erklärte der Minister zum Ergebnis der im April erfolgten Ausschreibungsrunde .

Die durchschnittliche Vergütung beträgt jetzt 5,11 €-Cent je Kilowattstunde Strom. Der Durchschnitt der letzten 5 Jahre betrug 5 €-Cent/kwh. Auf den ersten Blick erscheint dieses Niveau tatsächlich beeindruckend, die aktuellen Stromerzeugungskosten von Gas- und Kohlekraftwerke betragen zur Zeit 6 bis9 €-Cent je Kilowattstunde (einschließlich CO2-Preis). Kommt jetzt die Energiewende in Deutschland nicht nur gut, sondern auch noch günstig voran? Doch leider: Der Vergleich dieser Einspeisevergütung für Photovoltaikstrom  mit den Stromerzeugungskosten von regelbaren Kraftwerken (Gas, Kohle, Kernenergie) ist irreführend.

Er lässt außer Acht, dass der Ausbau erneuerbarer Energien mit ihrer volatilen Stromerzeugung gleichzeitig immer auch den Bedarf an stabiler und regelbarer Stromerzeugung steigen lässt, um diese Volatilität auszugleichen. Jeder Zuwachs an erneuerbaren Energien lässt daher gleichzeitig zusätzliche Investitionen und Kosten massiv ansteigen, um volatilen Strom zu zuverlässigem Strom zu machen. Diese gleichzeitig anfallenden, zusätzlichen Investitionen und Kosten für die Erzeugung zuverlässigen Stroms nenne ich Integrationskosten.

Sie umfassen Kosten für zusätzliche Speicherkapazitäten, den Bau und Betrieb von Ausgleichskraftwerken bei fehlender Sonneneinstrahlung, Netzverstärkung und Netzausbau, Ausgleichszahlung für nicht produzierten Strom, der nicht benötigt wird, sowie Eingriffskosten zum Erhalt der Netzstabilität. Allein die Kosten zum Erhalt der Netzstabilität betrugen laut Bundesnetzagentur in 2022 rund 4 Milliarden Euro.

Kosten würden Deutschland als Wirtschaftsstandort abschaffen

Doch das ist erst der Anfang. Setzt unsere Ampelregierung die Energiewende wie geplant um, steigen Investitionen und Kosten für die Bereitstellung von zuverlässigem Strom in ganz neue Dimensionen

In einer kürzlich von Robert Idel von der Rice Universität in Houston gemachten Studie werden diese notwendigen Integrationskosten für Texas und Deutschland beziffert. In Texas wäre ein auf 100 Prozent Wind- und Solarenergie basierendes Stromversorgungssystem doppelt so teuer wie Gas  und Kernenergie. In Deutschland wäre ein auf 100Prozent Wind- und Solarenergie basierendes Stromversorgungssystem wegen der geringeren Solareinstrahlung und der kleineren Windhöffigkeit viermal so teuer.  Eine solche Verteuerung der Integrationskosten, etwa durch die dramatisch steigenden Speicher- oder Wasserstoffkosten sowie die Kosten des Leitungsbaus werden Deutschland als Wirtschaftsstandort abschaffen.

Die Ursachen für die erhöhten Kosten liegen vor allem in unterschiedlich hohen Integrationskosten. Kombiniert man Wind und Solar, so ergänzen sich beide Produktionsarten komplementär und senken dadurch die gemeinsamen Integrationskosten. Aber die Kosten steigen trotzdem auf über das Vierfache gegenüber regelbaren konventionellen Stromerzeugungen.

Darüberhinaus zeigt die Studie, dass die Integrationskosten überproportional ansteigen, wenn der Anteil von Solar- und Windstrom über 50 Prozent in Richtung 100 Prozent getrieben wird. Auf ein ähnliches Ergebnis kam schon 2017 Prof. Hans Werner Sinn, der zeigen konnte, dass ein Überschreiten der 50 Prozent Marke durch Solar - und Windstrom zu massiv steigenden Effizienzverlusten führt.

Der hochsubventionierte Anteil von Solar (12 Prozent)- und Windstrom (31 Prozent) betrug 2023 rund 43% an der Gesamtstromerzeugung. Der oft zitierte 55 prozentige Stromanteil erneuerbarer Energien enthält auch die steuerbaren Anteile von Biomasse- und Wasserkraftstrom. Die Bundesregierung subventionert allerdings Solar und Wind, um möglichst bald deren Anteil über  50 Prozent  an der deutschen Stromversorgungwachsen zu lassen und gerät damit zunehmend in die Kosten- und Effizienzfalle.

Kosten ungleich zwischen Land und Stadt sowie Ost und West verteilt 

Ein Teil der Integrationskosten findet sich in steigenden Kosten der Verteilnetze und der Hochspannungsnetze. Allein die vier Hochspannungsnetzbetreiber verdoppelten die Netznutzungsgebühr ab dem 1.1.2024 von  3,12 €ct/kwh auf 6,43 €ct/kwh.

Bei den 900 Verteilnetzbetreibern ist mittlerweile eine extreme Ungleichbehandlung entstanden. Die Netzverstärkung im ländlichen Raum für Windkraftanlagen und Photovoltaikanlagen, die erforderlich wird, um den Wind-und Solarstrom in die Ballungsräume zu transportieren, werden ausschliesslich von den Bewohnern des dünnbesiedelten ländlichen Raums getragen.

Das trifft insbesondere die Haushalts-und Gewerbekunden auf dem Lande in  Schleswig-Holstein und Ostdeutschland. Sie zahlen mehr als das Doppelte gegenüber manchen westdeutschen Städten. Ein schleswig-holsteinischer Haushalt (3500 kwh Verbrauch) zahlt zur Zeit 500 Euro pro Jahr für die Netznutzung, ein Haushalt in München oder Köln 150 Euro pro Jahr.

Der Landkreistag schlägt daher Alarm und sieht sogar die Akzeptanz der Energiewende im ländlichen Raum gefährdet: "Die Menschen und Unternehmen in den ländlichen Räumen sind daher durch die Energiewende in doppelter Weise betroffen. Sie haben einerseits die Lasten zutragen, die aus dem Ausbau von EE-Anlagen und den zum Abtransport der von Ihnen erzeugten Energie erforderlichen Leitungen resultieren. Und sie – und nur sie – müssen auf grund der bestehenden Regulierungssystematik über die Netzentgelte die energiebedingten Mehrkosten finanzieren." Die Bundesnetzagentur will nun einen Vorschlag machen, wie diese Kosten in die Ballungsräume verlagert werden können. 

Stromkosten zwischen Frankreich und Deutschland unterscheiden sich markant

Neben der Zunahme der Integrationskosten ist die Versorgungssicherheit das zweite große Problem der Energiewende, die Volatilität der Stromerzeugung in Deutschland ist beispielsweise deutlich größer als in Frankreich.  Zudem zeigt sich auch, dass die Börsenstrompreise in Deutschland beispielhaft im Zeitraum April 2024 zumeist doppelt so hoch waren wie in Frankreich. Nur dann, wenn es in Deutschland eine Überproduktion an Solar- und Windstrom gab wie am 6./7.4., 13./14.4., 29.4. und 2.5., ist Deutschland günstiger als Frankreich.  Dann wird der Strom zu negativen Preisen auch in die Nachbarländer exportiert und die dortigen Stromabnehmer bekommen vom deutschen Stromkunden Geld bezahlt, damit der überschüssige Strom abgenommen wird.

Frank Hennig hat hier das eindrucksvolle Beispiel erwähnt, dass dann österreichische Pumpspeicherwerke das Wasser aus den Oberbecken an der Turbine vorbeilaufen lassen, damit wieder Strom durch das Heraufpumpen verbraucht werden kann. Denn mit den negativen Strompreisen aus Deutschland verdient man beim Stromverbrauch klotzig Geld. Die Solar-und Windkraftbetreiber hingegen bekommen auch in diesen Fällen die garantierte Einspeisevergütung aus dem Bundeshaushalt. Minister Lindner beklagte bereits, dass diese Subvention in diesem Jahr voraussichtlich 19 Milliarden Euro betragen wird. 19 Milliarden für was?

Jedoch kommen aus Frankreich zunehmend Warnungen über eine kritische Lage in der Stromversorgung. Französische KKW können zwar über die Grenzen liefern, sogar mehr als bisher, aber seit Anfang März sind die Exporte über die Ostgrenzen in Richtung Belgien, Deutschland, Schweiz und Italien so groß, dass eine Gefahr für das französische Netz entsteht. Frank Henning wies darauf hin, dass laut Netzbetreiber RTE zeitweise die Exportmengen begrenzt werden müssten.

Die Netzstabilität in Deutschland hängt nun zunehmend von Importen ab. Am 28.4. kam es zu einer schweren Frequenzabweichung. Die Netzunterfrequenz betrug 49,825 Hz und es dauerte 12 Minuten bis der sichere Korridor wieder erreicht wurde.
Trotz aller Subventionen von bisher hunderten von Milliarden und weiter steigenden Kosten bleibt die Bundesregierung die Antwort schuldig, wie eine  gesicherte und wettbewerbsfähige Stromversorgung erreicht werden kann. Eine grundsätzliche energiepolitische Korrektur wird von Tag zu Tag dringlicher.

Fritz Vahrenholt ist Honorarprofessor an der Universität Hamburg im Fachbereich Chemie und war bis 1997 Umweltsenator der Freien und Hansestadt Hamburg. Von 1998 bis 2013 war er in Vorstandsfunktionen im Bereich der Erneuerbaren Energien bei der Deutschen Shell AG, der Repower Systems AG und der RWE Innogy. Er war bis Ende 2019 Alleinvorstand der Deutschen Wildtier-Stiftung.

 

Foto: Montage Achgut.com/KI

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Leserpost

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Michael Grieshaber / 15.05.2024

Gesamtkosten der Verfügung/ total cost of ownership/ TCO sind entscheidend, nicht die Kosten eines Elements im System. Der Strompreis ist das was der Kunde bezahlt. Grüne Logik: es wird billiger weil es teurer wird. Und: warum bekomm ich kein Geld, wenn es zuviel Strom gibt? Kurz: dummdumm.

Tomas Poth / 15.05.2024

Was man noch ergänzend hinzufügen muß, gleichzeitig wird der Raubbau an Umwelt und Ressourcen exponentiell gesteigert. Kämen wir mit ca. 80 GW installierter Leistung konventioneller Kraftwerke zur Versorgung aus, die auch immer im Stand By für die Dunkelflaute bereitstehen müssen, müssen Sonne und Wind noch auf ca. 400 GW (lt.Fraunhofer Institut) ausgebaut werden. Das bedeutet auch einen entsprechenden Materialverbrauch für Maschinen und Anlagen. Ganz zu schweigen vom Flächenverbrauch an Land und auf See. Das ist total unrealistisch und wird letztlich zu einer Verarmung bei uns führen, allerdings nicht für die dabei entstehende grün-feudale Elitenherrschaft. Auch auf diese Weise schafft Deutschland sich ab. Das ist offensichtlich gewollt!

Antti Stulzky / 15.05.2024

Speziell die garantierte Einspeisevergütung für unbegrenzt viel unerwünschte Solarenergie wird uns finanziell überfordern. Diesen Strom zeitgleich zur H2-Erzeugung zu nutzen, funktioniert bisher nur im Labor, aber nicht großtechnisch zu vertretbaren Kosten. Von der Unfähigkeit Deutschlands, große Infrastrukturprojekte zu stemmen, mal ganz abgesehen. Nicht mal SüdLink kommt in die Gänge. Allen Ernstes werden jetzt wieder oberirdische Leitungen diskutiert. Das wäre ja vernünftig, würde die bisherigen Planungen aber komplett kippen.

Sam Lowry / 15.05.2024

Frage mal Rande: Warum nehmen Schiedrichter nicht einfach billigen Rasierschaum aus der Sprühdose??? So dumm kann doch keiner sein! Oder doch?

Wolfgang Richter / 15.05.2024

@ Frank Mora - “Für Photovoltaikanlagen werden riesige Flächen benötigt, die für Mikroklima,” - Oder ein Nachbar haut seinen ca. 50 Jahre alten Eichenbaum als Schattenspender für seine Terrasse weg, - gepflanzt mit dem damaligen Neubau mit den Kindern -, damit seine neu geplanten Solarplatten auf dem Dach zur hoffentlich monetär billigeren Versorgung seiner neuen Wärmepumpe anstelle der funktionierenden Gasheizung keinen Schatten abbekommen. Der Mann ist   85 Jahre alt. So wirken öffentliche Meinungsmedien (und die “Solidarspritze”).

A. Ostrovsky / 15.05.2024

@Hartwig Dorner : >>Noch schlimmer - ein 100% EE-basiertes Stromentsorgungssystem müßte von Wechsel- auf Gleichstromverbrauch umgestellt werden.<< # In Deutschland sind alle Entscheider-Posten von Ignoranten und Besserwissern besetzt. Sie könnten denen die perfekte technische Lösung kostenlos vor die Tür stellen, die würden es nicht einsetzen. Ich habe das mehrfach getestet.

Michael Anton / 15.05.2024

Die Energiewende ist das Projekt, eine bereits technisch überholte Idee, wie etwa die 1837 entstandene Telegrafie mit irrsinnigen Subventionen wiederzubeleben, obwohl es längst kabellose Übertragung gibt, die etwa 1920 zum Verfall der etablierten Telegrafengesellschaften geführt haben. Im gesamten Zeitraum wuchs weltweit das Eisenbahnnetz und die Entwicklung der Zeitungen. Schon längst zeichnet sich ab daß der Unterhalt des Bahnnetzes oder der Vertrieb papierner Zeitungen defizitär wird. Die Menschheit mußte bis 1864 warten, bis Maxwell die erste brauchbare Theorie lieferte. Die Entwicklung der Atommodelle seit Rutherford, die Experimente mit Supraleitungen und Forschungen wie Desy und Cern waren entstanden in der Suche nach brauchbaren Energiespeichern. Ohne die Entwicklung lückenlos nachzuvollziehen zu können, ist zu unterstreichen, daß es gelang die Übertragung sich nutzbar zu machen ( the medium is the message), die Speicherung und auch das gesamte Feld thermodynamischer Prozesse längst nicht verstanden und im “Einklang” ist, Theorien, wie eine einheitliche Feldtheorie sind keine abgeschlossenen Entwicklungen. Das Elektron ist das 5. Element, daß die Alchimisten gar nicht kannten und entdeckt wurde es von Henry, der als Meterologe als Vater des Wetterberichts gilt. Bei der Datenlage zu meinen, daß man ein Klima retten könne scheint mir unausgegoren. Wenn Ideen funktionieren, setzen sie sich wie Eisenbahn und Telegrafie durch. Dinge anzupreisen, die irrsinnige Subventionen auffressen, erinnert an Schlangenölverkaufer,die auf Elektrisiergeräte umschulten, um Mesmers magnetische Kuren anzupreisen. Die Grüne Partei sind maoistische Kommunarden mit Kompetenz in Werbung und Popkultur, nicht aber Radwege. Danke, daß ihr die Magnetschwebebahn verhindert habt, aber was dann kam, war ein Inferno aus Beton und Glas. Geschenke wie Murmeln für Yamomamis.  “Jedes Naturgesetz, daß sich dem Beobachter offenbart, läßt auf ein höheres, noch unerkanntes schließen” A.v. Humboldt

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