Chaim Noll / 07.09.2020 / 06:25 / Foto: Bundesregierung.de / 203 / Seite ausdrucken

Das kalte Herz

Ja, ich habe die Fahnen der „Reichsdeutschen“ vor dem Reichstag gesehen. Doch darum geht es nicht. Es geht um den infamen Versuch deutscher Politiker und der mit ihnen verbündeten Medien, die vielen, vielen Tausende, die an den vergangenen Wochenenden in Berlin auf die Straße gingen, um gegen das Ersticken der Demokratie in Deutschland zu demonstrieren, auf diese paar hundert „Reichsdeutsche“ zu reduzieren.

Und sie dadurch zu verleumden, als „rechtsradikal“, geistig verwirrt, Anhänger von „Verschwörungstheorien“ darzustellen, als Außenseiter, die man nicht ernst nehmen muss. Es lässt sich in den Alt-Medien nachlesen oder anschauen: das ganze Arsenal der Arroganz einer angemaßten Elite. Dabei konnte, wer Augen im Kopf hat, sehen, dass die meisten Demonstranten normale Bürger waren, die sich Sorgen machen um die Zukunft ihres Landes und ihrer Kinder. Menschen, die bereits von der Wirtschaftskrise getroffen wurden, die noch viele treffen wird. Man hat auch die Regenbogenflagge auf den Demos gesehen, Plakate mit vernünftigen Forderungen, sogar eine Israel-Fahne. Trotzdem lesen wir in den linientreuen Medien fast nur von den „Reichsbürgern“, alle anderen Beteiligten werden mit Stillschweigen abgetan.

Das ist vielleicht die größte Schwäche des Merkel-Imperiums: die Verachtung, die Kälte. Angela Merkel ist jetzt, wo es darauf ankäme, Mitgefühl zu zeigen, Ansprechbarkeit für die rasant zunehmenden Probleme ihrer Mitmenschen, die falsche Frau. Im Doppelsinn des Wortes: Sie tut das Falsche und sie spielt falsches Spiel. Ihr Regierungssystem zeigt schon seit längerem einen zunehmenden Mangel an Empathie. Er betrifft alle: die genuinen Deutschen wie die Einwanderer, Christen wie Juden, Muslime wie Atheisten. Auch die Flüchtlinge aus dem syrischen Bürgerkrieg wurden nicht, wie von einer inszenierten „Willkommens-Kultur“ geheuchelt, aus Mitgefühl ins Land geholt, sondern aus der Fehlkalkulation deutscher Wirtschaftsbosse, sie könnten mit den „geschenkten Menschen“ die schwindende Manpower in ihren Fertigungshallen auffrischen. Oder aus den Tagträumen grüner LangweilerInnen, ihr eigenes ödes Dasein würde dadurch „bunter“. Was sich, das eine wie das andere, als naives Wunschdenken erwies.

Mit unterbewusst vibrierender Wonne

Die Kälte geht von der Kanzlerin aus. Man muss die Presse-Konferenz am 27. August gesehen haben, in der sie eiskalt, beherrscht, mit monotoner Stimme, doch mit unterbewusst vibrierender Wonne, neue, schmerzhafte, mit der „Corona-Gefahr“ begründete Verbote für ihre Steuersubjekte verfügte. Ihre Ausstrahlung ist längst eine hinter falscher Vernünftigkeit, „Besonnenheit“, sprachlicher Nichtigkeit nur noch schlecht verborgene Menschenverachtung. Sie kann nicht lieben. Nicht respektieren. Sie kann nur verwalten. Diese Frau ist unangefochten wie ein Eisblock. Und so ist der Machtapparat, den sie aufgebaut hat – es ist das, was sie am besten kann.

Sie hat ihr Land längst auf erschreckende Weise eingefroren und zentralisiert. Die Gewaltenteilung, eine Grundbedingung der bürgerlichen Demokratie, funktioniert nur noch rudimentär. Immerhin gab es noch ein paar unabhängige Richter, die wenigstens die größte Schmach verhindert haben: dass die Demonstrationen per Dekret eines von der letzten Diktatur geprägten Innensenators von vornherein verboten wurden. Wenn die Kaltherzige dazu wenigstens geschwiegen hätte. Nein, sie äußerte „Respekt“ für die dumme, zutiefst undemokratische Entscheidung.

Die deutsche Zentrale, das Herz dieses zunehmend zentralistischen Systems, ist das Bundeskanzleramt in Berlin. Dort schlägt ungerührt, unablässig, um es mit einem Märchen von Wilhem Hauff zu sagen, „das kalte Herz“. Oder mit der Metapher eines anderen Märchendichters: Dort sitzt die Schneekönigin mit ihrem eiskalten Hof, ihren herzlosen Ministern, ihren gefrorenen Gefolgsleuten. Dort schalten und walten sie, eingesponnen in ihren Kokon, nennen die, von denen sie leben, „die Menschen da draußen“ und antworten auf deren Nöte mit Verleumdungen und Verachtung. Dort werden die Verwaltungsakte erlassen, die Verbote, Verordnungen, die Deutschland, das sich eben von zwei Diktaturen zu erholen begann, erneut in eine Eiswüste verwandeln.  

Nur Mitgefühl für sich und ihren Apparat

Vielleicht würden die Brüche, die Deutschland erneut in Stücke splittern lassen wie Eis unter Druck, nicht so schmerzhaft und zerstörerisch ausfallen, wenn die Verwaltenden dieses Landes menschlicher wären. Wenn die Herrscherin jetzt ein wenig Mitgefühl zeigen könnte, ein paar warmherzige Worte für die Zehntausende, die dieser Tage ihre Existenz verloren haben oder spürbar verarmt sind. Für die Millionen – von Schulanfängern bis zu pflegebedürftigen Senioren –, deren Leben über Nacht eingestürzt ist. Unter Quarantäne, Begegnungsverbote, Maskenzwang gestellt wurde. Eine Geste des Verständnisses für die Bedrückten, die es auf die Straßen treibt, um ihre Verzweiflung hörbar zu machen, würde genügen, um die Stimmung zu entspannen.

Doch dazu ist sie außerstande. Sie empfindet nur Mitgefühl für sich und ihren Apparat. Die auf Regierungskurs getrimmten deutschen Medien kritisieren unentwegt die Staatschefs anderer Länder, nur die Fehlstelle im eigenen sehen sie nicht, die seelenlose, kalte Kanzlerin und ihren Hof, die ihr eigenes Volk zur Verzweiflung treiben.

Foto: Bundesregierung.de

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herbert binder / 08.09.2020

Ihre Bemühungen in Ehren, lieber Herr Noll, und Sie haben das alles so märchenhaft schön, wahrhaftig und wunderbar beschrieben, aber diese Frau, ein solcherart zirkulierendes Phänomen, ein “Schmuckstück” dieses Kalibers in den Griff zu bekommen, sprachlich und auch sonst, es quasi zu “bändigen” - ja, man kann es versuchen, es wird m.E. nicht gelingen. Ich wüßte gar nicht, wo anzusetzen wäre. Es fehlen einfach die Kategorien. Um noch einmal, wieder einmal, das berühmte Märchen von Hans Christian Andersen ins Spiel zu bringen. Er hat es mit dem Satz ausklingen lassen (der allerdings so gut wie nie zitiert wird):  “Jetzt muß ich die Prozession durchhalten”. Und er (also sie) hielt sich noch stolzer [und das Gefolge hinterdrein trug die Schleppe, die…gar nicht da war]

Bernd Schreller / 07.09.2020

Entschuldigung, Herr Noll: es ist alles sehr sehr viel böser als Sie es hier beschreiben.

Karoline Kupfer / 07.09.2020

Herr Noll - wie immer großartig! Sie sprechen mir aus tiefster Seele - vielen Dank!

Silas Loy / 07.09.2020

Natürlich kann etwas nicht stimmen mit einer Frau, die inzwischen soviel persönliche Schuld auf sich geladen hat und weiterhin indolent in die Gegend glotzt, einer Frau, die ihre Fingernägel abkaut und seltsames Schiefdeutsch spricht, einer Frau die willkürlich Gesetze und Verträge bricht und dabei vom Rechtsstaat schwatzt. Der eigentliche Skandal ist aber doch wohl, dass sie sich das weiterhin erlauben kann. Ja, die gesamte Journobranche hetzt gratismutig gegen Trump, dabei sitzt das Politmonstrum gar nicht im Weissen Haus, sondern im Kanzleramt.  Die unfähigen deutschen Eliten, die nacheinander das Kaiserreich, die Weimarer Republik, Naziland und Stasistaat vor die Wand haben fahren lassen, stehen wieder in Treue fest zu ihren Spitzendioten und lassen auch noch die Bundesrepublik erledigen. Ob Mutti da nun kaltherzig ist oder nur autistisch? Sie ist einfach untragbar und das schon lange.

Michael Hoffmann / 07.09.2020

Mir wäre ihre Herzlosigkeit ziemlich gleichgültig, wenn sie sich wenigstens an die Verfassung und die Gesetze halten würde.

herbert binder / 07.09.2020

Bevor eine gewichtige Person öffentlich auftritt - vulgo1 herumgereicht wird bzw. vulgo2 sich gnädigst die Ehre gibt - geht sie gewöhnlich erst durch die Maske. So ganz offensichtlich auch die Dame all unserer Herzen, also (and better) known as Herzallerliebchen, oder volkstümlicher (sorry) ausgedrückt: Aller liebstes Herz. Genug der Verschwurbelung, jetzt aber hin zur realen Wirklichkeit. Auf TE gibt es heute ein Foto zu einem Artikel der Redaktion. Ich habe mir den Spaß gemacht, eine Teilmenge daraus zu zoomen. Unabhängig davon, daß die Bräunungspaste offensichtlich nicht ganz gereicht hat, aber dieses “Gesicht” repräsentiert 83 Millionen. Seid umschlungen. Und noch etwas fällt auf, ganz besonders sogar: Dazu schaue man ihr in die Augen. Kleines.     

Sascha Hill / 07.09.2020

Ohne diesen herrlichen Kommentar auf den letzten Absatz reduzieren zu wollen, doch genau dieser Absatz ist es, der mich an unserer Journaille momentan dermaßen aufregt, das ich ohne Blutdrucksenker keine Nachrichten schauen kann. @Frau Geiger Diese 72 % seien mal dahin gestellt. Die Umfrage-Erheber überlegen sich genau, wie sie Fragen stellen um ein gewünschtes Ergebnis zu bekommen. Wahr ist allerdings, das der Großteil der Deutschen durch die dürftige Qualität der Medien in eine falsche Sicherheit gewiegelt wurden. Ich glaube immer noch fest daran…. [Aluhut aufsetz] ...das es eine politische und mediale Verschwörung von Links-Grün gibt. Ziel ist es, die AFD klein zu halten und die Grünen zu pushen. Die Kinder der 68-er sitzen längst am Hebel der Redaktionsstuben und verbreiten ein Klima der Angst. Wer gegen diesen Weg ist, wird ohne Kompromisse vernichtet. Es wird keiner umgebracht, doch Jobverlust und Sozialer Abstieg steht diesem ziemlich nahe. Was hier momentan abläuft ist einer Demokratie nicht würdig. Daher regt es mich ungemein auf, wenn unser Medien die USA, Polen, Ukraine oder andere “Rechtspopulisten” diskreditieren.

Dr.H.Böttger / 07.09.2020

“Das kalte Herz”. Chapeau, Herr Noll.  Punktgenau getroffen. Das kalte Herz lebt leider nicht, wie sonst massenhaft üblich, in seinem engen, begrenzten Kreis seinen egomanischen Narzissmus aus, sondern als die Autoritätsspitze einer Mittelmacht mit 80 Mio Untertanen, die sie mit ihren Affekten entscheidend regiert. Weltgeschichtlich ist so eine Situation nichts neues. Nicht nur in den antiken Diktaturen der Cäsaren, Gottkönige, Pharaonen, bei den Azteken, Mayas usw. gab es diese Erscheinungen, auch in der europäischen Geschichte, im Mittelalter, aber auch in der weit näher liegenden Epoche des absoluten Monarchismus, mit Monarchen, die sich durchaus für sich eine “Aufklärung” leisen konnten, war die Wirkmächtigkeit der Persönlichkeitsstruktur des Monarchen vergleichbar mit der einer Merkel. Nicht zufällig soll sie ein Bild der Zarin Katharina II an der Wand haben. Die egozentrierte Volksverachtung eines Friedrich II sollte auch nicht vergessen bleiben.

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