Jesko Matthes / 14.09.2018 / 15:00 / 15 / Seite ausdrucken

„Das ist staatszersetzend.”

Es war eine der Nachrichten am Freitagmorgen. „Bundesinnenminister Seehofer bezeichnet Verhalten der AfD als staatszersetzend“ titelte beispielsweise die Welt und schrieb weiter:

„Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) sieht die AfD als Gegner des deutschen Staates. „Die stellen sich gegen diesen Staat“, sagte Seehofer der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. „Da können sie tausend Mal sagen, sie sind Demokraten.“ Zum Versuch, den Haushalt von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier diese Woche im Bundestag zum Debattenthema zu machen, sagte Seehofer: „Das ist staatszersetzend.“ [...]

Seehofer nannte den Vorstoß der AfD-Fraktion vom Dienstag einen schäbigen „Frontalangriff“. Die AfD wollte über den Haushalt des Bundespräsidenten diskutieren, weil bei einem Konzert gegen Rassismus in Chemnitz, für das Steinmeier geworben hatte, auf der Bühne gewaltverherrlichende Texte gesungen worden seien.“

Analysiert man die Sprache Seehofers, so entstammt diese selbst totalitärem Vokabular. Das "Dritte Reich" kannte den Tatbestand der Wehrkraftzersetzung; wenig später arbeitete der Staatssicherheitsdienst der DDR mit dem Begriff der Zersetzung seiner Gegner.

Erst zusammenrotten, dann zersetzen

Seehofer reiht sich damit zwanglos ein in die kruden Begrifflichkeiten Angela Merkels und Steffen Seiberts von den 'Zusammenrottungen'. Auch dieser juristische Begriff existierte nur in der DDR, worauf Alexander Wendt die Verantwortlichen hingewiesen hat.

Ich weiß nicht, was Horst Seehofer für staatstragend hält. Zunächst wahrscheinlich sich selbst, eine kleine Weile auch vielleicht noch Hans-Georg Maaßen, bis Seehofer dann wieder einknickt, um in staatstragender Weise die Koalition zu "retten", respektive, vor der Bayern-Wahl, seinen Posten und die letzten Reste seiner zweifelhaften Reputation als Mann des grundsätzlichen Kompromisses mit Leuten, die er zuvor vehement als seine politischen Gegner brandmarkt. Ich weiß daher auch nicht, wie ernst man Seehofers verbale Injurien gegenüber der AfD nehmen sollte.

Ich weiß hingegen, dass das Amt des Bundespräsidenten unter besonderem strafrechtlichen Schutz steht. Man darf den Bundespräsidenten also nicht beleidigen oder verunglimpfen. Gleiches gilt für die Verfassungsorgane der Bundesrepublik selbst.

Angesichts der Äußerungen des Bundespräsidenten zugunsten einer Band, die gewaltverherrlichende Texte singt, auch solche, die Gewaltanwendung gegen den Staat befürworten, erscheint es nur umso absurder, dass Seehofer die AfD nun ausgerechnet wegen deren Kritik an Steinmeiers Konzertwerbung angreift.

Was unser Bundespräsident und sein tapferer Innenminister also ganz offensichtlich für staatstragend halten, lesen Sie im Zweifel hier.

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Leserpost

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Martin Wessner / 14.09.2018

Ich hätte niemals in meinem Leben gedacht, dass ich einmal in derartig interessanten Zeiten leben würde. Was wir sehen, dass ist im Kern eine bürgerliche, konservative Anti68ziger Konterrevolution und die heimische SED 2.0 (CDUSPDGrüneLinkspartei) reagiert darauf, als befände sie sich nicht in einer westlichen Demokratie, sondern im Venezuela eines Nicolas Maduro.

Andreas Rochow / 14.09.2018

Jede Opposition ist staatszersetzend! Das demokratische Fundament muss jetzt unbedingt verlassen werden, um die einzige Opposition namens AfD endgültig zu zersetzen! So hetzen gefühlte Demokraten und kuscheln mit gewaltaffinen Klimaaktivisten und Antifanten. Schämen sollten sie sich! Ihre Schlagseite lässt sich nicht mehr verheimlichen.

Silas Loy / 14.09.2018

Seehofer sollte sich vielleicht nur im Winter äussern, denn dann besteht wenigstens ein gewisser Bedarf an heisser Luft. Maassen konnte er natürlich vor den Landtagswahlen in Bayern nicht absetzen, so dumm ist er dann doch nicht, aber danach wird er es schon noch machen. Und wenn er einen Antrag der AfD im Bundestag für unzumutbar hält, dann sollte er das mit der angemessenen Diktion tun. Am besten vor Ort.  Zumal er selbst zu den “Staatszersetzern” zu zählen sein könnte seit seinem Versagen als Ministerpräsident von Bayern und Herr über die Polizei des angeblichen Freistaats in der Nähe der entscheidenen Grenze im September 2015. Vergessen ist auch nicht sein folgender Verzicht auf die Organklage der bayerischen Landesregierung gegen die Bundesregierung vor dem BVerfG trotz qualifiziertem Gutachten eines ehemaligen Richters eben jenes Gerichts. Es braucht auch in Bayern eher keine AfD, um den Staat zu “zersetzen”.

Dietrich Herrmann / 14.09.2018

Ich glaube auch, dass das Schattenboxen ist vom Seehofer. Darin ister ja Profi.  Allerdings in echt findet die Zersetzung des Staates und die Unterminierung des Grundgesetzes durch die ehemaligen Volksparteien CDU und SPD, namentlich durch deren eingebildete Spitzenpolitiker. Und Steinmeier gehört dazu.

Marcel Seiler / 14.09.2018

Möglicherweise handelt der Bundespräsident ja auch genauso, wie er die Sache sieht, weil er nicht merkt, wie “zersetzend” die Gewalt der Antifa und solche Liedtexte in der Tat sind. Das hätte den Vorteil, dass man ihm dann nicht vorwerfen kann, er sei böswillig oder parteiisch. Aber wie soll man dann die Sache erklären, ohne in die Nähe von § 90 StGB zu geraten? Gibt es irgendwelche Begründungen des Bundespräsidenten selbst dazu?

Roger Feldkamp / 14.09.2018

Man fasst sich nur noch verständnislos an den Kopf, wenn man die hochwohlmögenden Repräsentanten unseres Gemeinwesens, das immer mehr allerorten und allenthalben einem veritablen Failed State sich annähert, in ihren bizarren Verlautbarungen und diffusen Schwurbeleien öffentlich wahrnimmt. Die allgemeine Zerrüttung der Begriffe und die zügellose Verwahrlosung des - etwa vor der abstrusen Forderung eines zu führenden Negativbeweises nicht mehr zurückschreckenden -  Denkens macht bei unseren vermeintlichen “Eliten”, indes intellektuell minderbemittelt einherkommenden Funktionsträgern offenkundig rasante Fortschritte. Nicht mehr ein wiederholt skandalöses Verhalten unseres höchsten Repräsentanten im Staate darf folgerichtig Stein des öffentlichen Anstoßes sein, sondern die sich wider ein derart hochgradig verfehltes und amtsunangemessenes Verhalten richtende Kritik wird dann auch noch ausgerechnet vom obersten Hüter der Verfassung in Gestalt des Innenministers im schönsten DDR-Sprech als “staatszersetzend” verunglimpft. Danebener und wahnwitziger geht`s eigentlich kaum noch. Wer schützt uns vor solch` auch noch respektabel sich wähnenden Zerrgestalten an der Spitze unseres Staates, die nur noch als solide Zerstörer der öffentlichen “Ordnung” in Erscheinung treten und ihren traurigen, allein noch der wohlgefälligen Machterhaltung geschuldeten Beitrag leisten.

Karla Kuhn / 14.09.2018

„Das ist staatszersetzend.“ [...] Kritik am BP ist also “staatszersetzend” ? Seehofer meint mit der Kritik NICHT etwa die Türkei. Nein, die böse AfD “zersetzt” in seinen Augen den Staat.  Nach seinen Worten müßten ALLE Wähler der Afd “Staatsfeinde” sein, denn sie wählen eine “zersetzende” Partei. Na da hoffe ich doch, daß die AfD viele Wähler durch diese Aussage dazugewinnt. Ich möchte wirklich gerne wissen, WARUM so kurz vor der Wahl Seehofer sich so äußert.  Will er Markus Söder damit schaden ?  Wenn nicht AfD, so wird vielleicht mancher Wähler jetzt die “Freien Wähler ” wählen, die nämlich eine sehr konservative, bürgernahe Politik machen. Seehofer und alle CSU/CDU ler sollten sich mal auf YouTube die HERVORRAGENDEN und INTELLIGENTEN, zum Teil sehr deftigen, aber realistischen Reden von Strauß anhören.  Die Reden von Strauß sind SCHMANKERL vom FEINSTEN !!  Eben habe ich mir auf YouTube seine Rede vom 07.10. 1986, die auf Tagesschau ausgestrahlt wurde. HEUTE wäre das wahrscheinlich gar nicht mehr möglich. ” ...... buntgeschmücktes Narrenschiff UTOPIA (leider heute nicht mehr Utopia), in dem ein GRÜNER und zwei ROTE die Rolle der Faschingskommandanten übernommen haben.”  HERRLICH. Sind diese Reden auch “staatszersetzend?”  “Seehofer reiht sich damit zwanglos ein in die kruden Begrifflichkeiten Angela Merkels und Steffen Seiberts von den ‚Zusammenrottungen‘. Auch dieser juristische Begriff existierte nur in der DDR, worauf Alexander Wendt die Verantwortlichen hingewiesen hat.”  ZUSAMMENROTTUNG. Na ja die ehemalige DDR Agit Propagandistin kennt das Vokabular wahrscheinlich noch von früher, und Seibert ? Wessen Brot ich eß, dessen Lied ich sing ?  “Angesichts der Äußerungen des Bundespräsidenten zugunsten einer Band, die gewaltverherrlichende Texte singt, auch solche, die Gewaltanwendung gegen den Staat befürworten, erscheint es nur umso absurder, dass Seehofer die AfD nun ausgerechnet wegen deren Kritik an Steinmeiers Konzertwerbung angreift.” ABSURD !! Sehr gut !

Andreas Mertens / 14.09.2018

Den Begriff “Staatszersetzung” habe ich zuletzt von einem Minister .... der DDR gehört. Das war Erich Mielke! Wenn man zudem noch für eine Kanzlerin tätig Ist die unter besagtem Regime eine Spitzenposition im FdJ innehatte ( Agitation & Propsganda), was den Bereich Zersetzung (von Staatsfeinden) beinhaltete, dann sollte man seine Äusserungen mit seiner Chefin absprechen.

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