Marcus Ermler / 19.05.2020 / 14:00 / Foto: Alternative libertaire / 33 / Seite ausdrucken

Das Israelbild von Götz Kubitscheks „Sezession“

„Wer den ,Zionismus‘ angreift, aber beileibe nichts gegen die ,Juden‘ sagen möchte, macht sich und anderen etwas vor. Der Staat Israel ist ein Judenstaat“, hat der Literaturwissenschaftler Hans Mayer einmal so passend geschrieben. Doch im Umfeld der AfD bewegen sich Gralshüter der einen „rechten“ Lehre, deren Bewertung des „Judenstaats“ bis in den offen zelebrierten Antizionismus abzugleiten vermag.

So der ehemalige Linke Jürgen Elsässer und sein Compact-Magazin. Die Antisemitismusforscher Marc Grimm und Bodo Kahmann bezeichnen Elsässers Postille in ihrer Publikation „AfD und Judenbild“ als „publizistisches Flaggschiff des antisemitisch grundierten Israelhasses“ in Deutschland. Und wie sieht es mit Björn Höckes Spiritus Rector Götz Kubitschek und dessen Theorieblatt Sezession aus? Ist auch die Sezession solch ein „publizistisches Flaggschiff des antisemitisch grundierten Israelhasses“? 

Juden als Diebe des palästinensischen Landes

Was zunächst überraschen mag: Bei der konkreten Darstellung Israels konvergiert die Sezession interessanterweise mit dem Framing progressiver Anti-Israel-Bewegungen. Im Mittelpunkt dabei immer wieder Sezession-Autor Martin Lichtmesz. So stuft Lichtmesz in seinem Artikel „Notizen über Israel und seine Parteigänger“ vom 30. Januar 2020 den Staat Israel als einen verspäteten „Siedler- und Kolonialstaat“ ein, der „auf der stupenden Idee beruht, ein vertriebenes Volk habe nach zwei Jahrtausenden ein Recht auf Rückkehr“. Was man überdies, so Lichtmesz weiter, „den 1948ff vertriebenen Palästinensern kategorisch verweigert“. Die antizionistische Schauergeschichte vom Juden als Dieb des palästinensischen Landes:

Dieser ‚identitäre‘ Staat wurde in einem Raum gegründet, der allen Hasbara-Mythen zum Trotz, die sich in den Köpfen vieler hiesiger Israelfans festgesetzt haben, blöderweise bereits besiedelt war. Er konnte sich nur durch Gewalt, Terrorismus, Krieg und ethnische Säuberung konstituieren […] Ohne diese militärische Kontrolle über den Gazastreifen und das Westjordanland könnte Israel nicht existieren. Die dort lebenden Palästinenser besitzen ‚keine Bürgerrechte und kein demokratisches Mitbestimmungsrecht über ihre Zukunft‘ (Pappe) – von der Gewalt, der Unterdrückung, den Schikanen und Massakern, denen sie seit Jahrzehnten ausgesetzt sind, ganz zu schweigen. Das relativiert das Bild der ‚einzigen Demokratie im Nahen Osten‘ doch erheblich.“

In seinem Text „Notizen über Israel (2): Die Versprechen des Daniel Pipes“ vom 18. Februar 2020 verbindet Lichtmesz die antizionistische Etikettierung vom Juden als Dieb des bereits von Palästinensern „besiedelten Gebietes“ mit dem vermeintlichen Mythos der einzigen Demokratie im Nahen Osten, die in ihrer Wirklichkeit als „ethnischer Siedler- und Kolonialstaat“ doch gar keine sei, um daraus zu schließen, dass die Juden doch selbst schuld sind an ihren Problemen:

Israels Sache sei nicht bloß, dem jüdischen Volk eine nationale Heimstatt zu schaffen, sondern Israel sei ein Vorposten der ‚westlichen Zivilisation‘, der ‚Demokratie und Menschenrechte‘, im Kampf gegen den ‚Islamismus‘ und so weiter. Wie ich bereits darstelle, muß dies als Mythos zurückgewiesen werden. Israels innen- wie außenpolitische Probleme sind das Resultat seiner Gründung als ethnischer Siedler- und Kolonialstaat auf besiedeltem Gebiet.“

Narrative der israelfeindlichen BDS-Kampagne

Was sich hierin zeigt, sind Narrative der israelfeindlichen BDS-Kampagne von einer Demokratie, die in Wirklichkeit doch gar keine sei, oder von „Gewalt, Terrorismus, Krieg und ethnische[r] Säuberung“ gegen „die dort lebenden Palästinenser“. Erzählungen von  progressiven Israelhassern, wie ich es unlängst im Achgut.com-Artikel „Anti-Israel-Forschung, finanziert vom Auswärtigen Amt“ aufgezeigt habe. Man erkennt also im Grunde ein rechtes Duplikat linken Antizionismus'.

Bereits im Jahr 2010 hat sich Lichtmesz übrigens ähnlich in einem Leserbrief bei einem der Wissenschaftsblogs des Verlages „Spektrum der Wissenschaft“ positioniert. Dabei mahnte er eine vermeintliche „Ghettoisierung“ der Palästinenser an und sprach in der Folge sein „Unbehagen“ gegenüber dem „Gebilde“ Israel „wegen der Erfahrung Hitler“ aus:

Angesichts bestimmter Maßnahmen Israels (Siedlungspolitik in den besetzten Gebieten, Tötung von Zivilisten, Mauerbau, Ghettoisierung, etc) und so manchen unverblümten Kriegs- und Vertreibungsphantasien, die ich aus dem Munde rechtsgerichteter Israelis gehört habe, empfinde ich alles andere als ‚Neid‘ auf soviel nationales Selbstbewußtsein, sondern eher ein profundes Unbehagen und einen Grusel angesichts solcher Hybris, und das, Überraschung, exakt wegen der Erfahrung Hitler und der nationalistischen Exzesse in Deutschland. Israel ist in meinen Augen in seinem jetzigen Zustand ein absolut prekäres und problematisches Gebilde.“

Der Vergleich mit dem Dritten Reich ist kein einmaliger Ausrutscher. Nachdem der langjährige Sezession-Autor Siegfried Gerlich in einem Beitrag vom April 2018 den Antizionismus dezidiert als einen Versuch entlarvte, einen „ehrbaren Antisemitismus“ zu konstruieren, der „sorgfältig zwischen ‚Juden‘ und ‚Zionisten‘ [zu] unterscheiden“ versucht, kritisierte Lichtmesz diese Darstellung, in der „die Juden eine Art Herrenvolk [sind], dem das Land aus diesem und jenem Grund zusteht“.

Israel betreibe Kolonialismus mit „massiven Schurkereien“

Ein ebenso beliebtes antizionistische Narrativ ist jenes, dass von Israel und den Juden ein besonders „menschenrechtliches“ Verhalten als „Lehre aus dem Holocaust“ erwartet. Was bei Lichtmesz in seinem Text „Notizen über Israel und seine Parteigänger“ dann so klingt, dass „ein Land mit westlichen Ansprüchen“ wie Israel es „sich auch gefallen lassen [muss], mit westlichen Maßstäben gemessen zu werden“. Doch die „Politik in den besetzen Gebieten“ stelle „die Tatsachen geradezu auf den Kopf“, so habe Israels „Geschichte des Kolonialismus immer wieder den Vorwand zu massiven Schurkereien geliefert, von denen auch Israel nicht freigesprochen werden kann“. 

Auch die „Zionismuskritik“ der Sezession spiegelt ein vertrautes antizionistisches  Weltbild der Linken wider: Vom Juden, der seine Opferrolle selbst und zu seinem  eigenen Vorteil konstruiert. So schreibt Benedikt Kaiser in einer Buchrezension von Ilan Pappes „Die Idee Israel – Mythen des Zionismus“ dem Buch eine „kluge Zionismuskritik“ zu, in der das „identitätsstiftende Narrativ von den sich selbst schützenden Israelis gegen eine von Anfang an feindliche Umgebung […] vor allem dem Schließen der eigenen Reihen und der Setzung selektiver Geschichtsschreibung dient“. Dies habe „mit dem ehernen Gründungsmythos und weiteren fundamentalen Legenden des Zionismus nicht viel gemein“, jedoch pflege Israel diesen Mythos mittels eigener „islamischer Dämonen“:

Zu guter Letzt kann mit Pappe auch die derzeitige israelische Aggression gegen das säkulare Syrien begründet werden: Die direkte Stärkung neofundamentalistischer Terrorgruppen wie der Al-Qaida-Filiale ‚Nusra-Front‘ sorgt dafür, daß aus dem Staatszerfall Syriens ein neuer ‚islamischer Dämon‘ (Pappe) hervorgeht. So könne Israel auch zukünftig einen weiteren liebgewonnenen Mythos pflegen: Jenen von Israel als ‚Hort der Stabilität‘ inmitten arabisch-muslimischer Barbarei.“

„Israel-Partisanentum als Instrumentalisierung des Holocaust“

Sucht man nach den Gründen für dieses Israelbild der Sezession, wird man fündig bei der Bewertung des Holocaust durch das Theorieblatt. Kubitschek selbst räumt in  seinem Artikel Israel und Deutschland vom 11. Februar 2020 freimütig ein, dass man als „deutscher Patriot […] Israel nicht bedingungslos unterstützen“ kann und dies auch nicht „moralpolitisch mit Auschwitz und der deutschen Schuld“ erzwingen könne. 

In seinem Beitrag „Notizen über Israel (2): Die Versprechen des Daniel Pipes“ umrahmt Martin Lichtmesz dies mit dem Begriff „Holocaust-Religion“, in der sich „der ‚Schuldkult‘ […] affirmiert und perpetuiert“. Diesbezüglich diagnostiziert Lichtmesz in seinem Text „Notizen über Israel und seine Parteigänger“ ein Framing „der vom ‚Neokonservatismus‘ geprägten Ära George W. Bush“, die eine „partikularistische“ Rechtfertigung, „warum gerade dieses Land [Israel] besonderer Unterstützung bedürfe“, ableite „von einer postulierten Sonderstellung des Holocaust und damit auch des jüdischen Volkes in der menschlichen Geschichte“.

Benedikt Kaiser sieht in dieser „Anpassung an die Politik und Geisteshaltung der israelischen und US-amerikanischen Rechten“ das Werk „strukturelle[r] Opportunisten“.  Jonas Schick wirft diesen Teilen der deutschen Rechten vor, dass sich bei diesen „seit geraumer Zeit ein neokonservativer Hang zur Israel-Apologetik“ zeigen würde.  Lichtmesz umreißt dies als „Israel-Partisanentum“. Kubitschek wiederum widerspricht  diesem vermeintlichen „Israel-Partisanentum“ in seinem Artikel „Die peinlichen Musterschüler“ vom 24. Januar 2020, da es eine „Instrumentalisierung des Holocausts gegen nationale, rechte Positionen“ sei, die man nicht dadurch versuchen sollte  dergestalt „zu drehen, dass man sich an die Spitze einer bedingungslos israelfreundlichen Politik setzt und Auschwitz als Argument […] verwendet“.

Delegitimierung der Heimstatt jüdischen Lebens 

Artur Abramovych, stellvertretender Vorsitzender der „Juden in der AfD“, kritisierte  Kubitscheks Artikel in einer Replik scharf, die die Sezession sich übrigens weigerte zu veröffentlichen. So sei Kubitscheks Kritik am „Zionismus der politischen Rechten schlichtweg als Desinteresse an jedweder Aussöhnung zwischen Deutschen und Juden [zu] interpretieren“. Abramovych konstatiert:

Aber offenbar wünscht sich Kubitschek nichts weiter, als dass man ‚moralpolitische Verweise auf die ‚deutsche Schuld‘ künftig unterlassen sowie das ‚Gängelband‘ lockern möge, und pfeift zugleich darauf, was die Juden dazu zu sagen haben.“

In dieser Delegitimierung der Heimstatt jüdischen Lebens, die doch nur eine Chiffre für die Delegitimierung jüdischen Lebens an und für sich ist, nähert sich die Sezession  verdächtig dem linken Israelhass an, der gerade und besonders von der BDS-Kampagne zelebriert wird. Was gleichermaßen fatal ist, da es Judenhassern  von rechts erlaubt, sich in einem unheilschwangeren Schatten sogenannter „Israelkritik“ zu sammeln.

Eine zweigeteilte Langfassung dieses Artikels findet man bei Philosophia Perennis (Teil 1 und Teil 2), die insbesondere weiterführende Informationen zur Causa „Siegfried Gerlich“ enthält.

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dr. michael kubina / 19.05.2020

Staaten erlangen ihre Legitimität dadurch, dass sie entstehen und bestehen. Das Völkerrecht ist eine schöne Sache im Frieden, im Krieg spielt es kaum eine Rolle. Da geht es um die Macht, warum sollte man sonst einen Krieg führen? Auch Israels Legitimität gründet nicht in Auschwitz oder irgendwelchen historischen Ansprüchen auf diesen Landstrich, sondern darauf, dass es die Macht besitzt, zu existieren. Danzig müsste heute noch als souveräner Staat existieren, wenn das Völkerrecht eine Rolle spielte. Das Völkerrecht ist ein Mittel, bestehende Machtverhältnisse zu sichern, ohne reale Macht ist es bedeutungslos. Natürlich hat jedes Volk seine legitimatorischen Erzählungen und Mythen. Sie sind aber nur Erzählungen und Mythen. Ein Staat besteht solange er sich zu erhalten versteht, aber nicht weil er auf irgendwelche “historisch” begründeten “Ansprüche” aufbaut. Versuche, Israel (oder irgendeinen anderen Staat) als Staat “historisch” zu legitimieren, führen zwangsläufig dazu, dass dessen Gegner auf die gleiche Weise versuchen, den Staat zu delegitimieren.  Philosemiten und Antisemiten bedienen sich in der selben Werkzeugkiste, wie alle, die “historische” Legitimationen aufbauen wollen. Die völkisch-nationale Rechte versucht eine solche für “Deutschland” wieder aufzurichten, um sich der Selbstaufgabe des Staates entgegenstellen zu können, Sowohl ihr Antizionismus als auch ihr Antisemitismus sind Mittel zum Zweck, auch wenn vielen das kaum bewusst sein wird. Ich glaube, die meisten von ihnen sind nicht Antisemiten, weil sie Juden hassen, sondern weil sie meinen, dass die Existenz Israels (und die Notwendigkeit, diese zu verteidigen) mittelbar die Selbsterhaltungsfähigkeit des deutschen Staates untergraben hat und untergräbt. Ich glaube nicht, dass ihre Strategie funktionieren wird, da ich für den Willen zur Macht positive Ziele brauche und nicht Mythen. Ihr Antizionismus und Antisemitismus dient der Kaschierung des Verlustes an Selbstwertgefühl.

Johannes Schumann / 19.05.2020

Das mag ja richtig sein, aber daraus leiten sich keine Ansprüche ab. Der Ukraine ist die Krim zugefallen durch einen innersowjetischen staatlichen Akt. Russland hätte die Krim-Frage ja schon in den 90ern klären können und selbst wenn die Ukraine sich immer quer gestellt hat und hätte, gibt es ja keinen Grund, sich die Krim gewaltsan einzuverleiben. Aber er hat nicht gemerkt, dass er da einen Doppelstandard fährt: 1. Mit besetzten Gebiet meinte er das Westjordanland. Es gibt aber keinen Staat, dem Israel das weggenommen hat. Dieser Staat wollte sich 1948 ja gar nicht erst konstituieren, sondern die Bevölkerung setzte auf die arabische Nachbarn, die mit Waffengewalt Israel auslöschen wollten. 2. Tatsächlich besetzt sind die Golanhöhen, aber zwischen Syrien und Israel herrscht seit 1948 Krieg. Syrien erkennt Israel nicht an. Es ist absolut unüblich, während eines laufendes Krieges, eroberte Gebiete zurückzugeben. Syrien hat eigentlich jeglichen Anspruch auf die Golanhöhen mittlerweile verwirkt. Israel hat beim Sinai gezeigt, dass es Frieden haben will. 3. Das Gebiet gehörte mal einem jüdischen Staat, ist aber 2000 Jahre her. Sicherlich lassen sich daraus keine Ansprüche herleiten (macht Israel auch nicht), aber bei Russland wird das Argument, dass die Krim mal russisch wra, akzeptiert. Russland in Schutz nehmen, dass zweifelsfrei völkerrechtswidrig gehandelt hat, aber Israel umso schärfer moralisch angreifen. Und diesen israelbezogenen Antisemitismus sehe ich bei SED, bei so manchen AfD-Anhängern, und bei Leuten wie Elsässer. Und leider reicht so ein israelbezogener Antisemitismus bis weit in die Mitte hinein; das muss man konstantieren.

C. Nahstoll / 19.05.2020

Hier zeigt sich die Perversion unserer postmodernen, post-faktischen, am Individualismus krankenden Zeit: Wenn allein das Individuum Mensch selbst als neuer “Nabel des Kosmos” auf der Bühne der Wahrheit stehen soll, obwohl es ein logisch-inkonsistentes, seelisch-moralisch fragmentiertes und widersprüchliches Wesen ist – diese innewohnende innere Zerbrochenheit und Widersprüchlichkeit aber nicht mehr erkennen will/ kann – dann gibt es nur noch einen Weg der “Wahrheits”-findung: Tribalisierung. Egal, wie menschenverachtend und inkonsistent diese “Allianzen” auch sein mögen. Dann können rechts- und linksextreme Judenhasser (Antifa, BDS, Kubitschek) plötzlich genauso gut miteinander paktieren, wie radikale Islamisten, militante Feminist*innen und fanatische Öko-Sozialisten (schöner Gruß von dieser Stelle aus an das “Eichhörnchen auf Ecstasy” von Bündnis90/Die Grünen): Der gemeinsame Hass eint im Aktivismus, zumindest so lange wie das ‘primäre’ Hassobjekt noch existiert; alle Widersprüchlichkeiten der unheiligen Allianzen können (zumindest eine Zeit lang) ausgeblendet werden, obwohl einem Normaldenker bei soviel Menschenverachtung und dem Vakuum an gesundem moralischen Urteilsvermögen das Gehirn durchschmoren müsste. Zivilisatorisch sind das alles Rückschritte in eine prä-zivilisierte Stammeskultur, wo der Stamm gewinnt, der den größten Knüppel hat. Und: Viele machen mit, andere schauen zu, und Dritte machen ihren Bauch zu ihrem Gott (Konsum als Fehlversuch einer existenziellen Nihilismus-Kur). “Was ist Wahrheit…” (Pontius Pilatus).

Stefan Rimmele / 19.05.2020

Als Deutscher kann man eigentlich nur zwei Positionen zu Israel haben: Entweder man sympathisiert mit dem Staat. Oder man hält die Schnauze. Alles andere ist peinlich. Es gibt 7 Milliarden Menschen auf der Welt, da muss die Israelkritik nicht gerade aus dem Land kommen, in dessen Namen die industrielle Ermordung der Juden durchgeführt worden ist.

Johannes Schumann / 19.05.2020

Ich hatte erst gestern ein aufwühlendes Telefonat. Man redete über Corona, die Medien und dass man ständig als Verschwörungstheoretiker diffamiert wird, wenn man die Maßnahmen kritisch sieht. Dann sagte die Person: “Das kenne ich sonst nur bei als Antisemitismuskeule, wenn man Israel kritisiert.” Das hat er vor sich aus gesagt, aber Ende des Telefonats war er so erhitzt, dass er darüber nicht mehr reden wolle. (Er hatte doch angefangen). Warum wurde es emotional? Ich sehe es natürlich anders, ich bin für Israel. Ich kenne ja die Geschichte und unzählige Male wurde Israel nun schon angegriffen, weil die Araber den Juden nicht mal ein Stück wüstes Land gönnten (das ursprünglich vorgesehe Gebiet aus einem riesigen Stück Negev). Mein Einwand, dass in dem Gebiet schon immer viele Juden gelebt haben, dass Tel Aviv 1909 gegründet wurde, dass Jerusalem die jüdische Stadt schlechthin ist, gilt nicht. Israel besetze “fremdes Land”, und meint “Palästina”, und er versteht nicht den Unterschied zwischen dem Mandatsgebiet Palästina und den Leuten, die sich heute Palästinenser nennen, aber eigentlich Araber genannt werden müssten. Da wirkt hat die Arafatsche Begriffsokkupation voll gewirkt und unsere Medien haben ja auch immer freiwillig mitgemacht. Der Begriff “Palästinenser” wird gar nicht mehr hinterfragt. Dass es keinen Staat gab, den Israel hätte das Land hätte wegnehmen können (historische Fakten), sondern dass sich Syrien, Libanon, Israel, Jordanien und Irak aus dem zerfallenen Osmanischen Reich konstituierten, sind so einfach verstehbare Fakten, die man nicht hören will, denn es gibt ja keine objektiven Grund, warum man dann Juden nicht ihren eigenen Staat gönnen sollte. Dann schimpfte er auf die “besetzten Gebiete”, und wo es das noch gäbe im 21. Jahrhundert. Ich sagte kurz und trocken: Russland. Er rechtfertigte das russische Vorgehen, da ja die Krim schon zu Zeiten Katarinas russisch gewesen sei…

Gudrun Meyer / 19.05.2020

1948 ist es auf israelischem Territorium tatsächlich zu ethnischen Säuberungen gekommen, deren Opfer Palästinenser waren. Fast gleichzeitig wurden im indisch-pakistanischen Grenzgebiet viele Millionen Menschen als Hindus von Muslimen oder als Muslime von Hindus vertrieben; gleichzeitig gab es Massaker vor allem an Hindus, aber auch an Muslimen, die wirklich alles, was in Israel und Palästina seit damals bis zum heutigen Tag durch israelische Täter geschehen ist, als total inkonsequente Nebensache dastehen lassen. Seit 1948 gab es auch sehr viele Kriege , Bürgerkriege, Massaker und Vertreibungen unter Muslimen. Die “Israelkritiker”, und hier auch die weniger extremen, beachten den palästinensischen Terror gegen israelische Zivilisten kaum oder gar nicht, obwohl er immer wieder aufflackert und regelmäßig der Grund für israelische Militäraktionen ist. Noch weniger begreifen diese “Intellektuellen” von rechts und links, dass Israel, weltweit gesehen, das Land ist, das sich die “Weltgemeinschaft jenseits der Zuordnungen” am allerwenigsten leisten kann. Ungeachtet dieser Tatsache sind unsere “Intellektuellen” zum großen Teil der Ansicht, Israel als kulturell abendländisches Land müsse beim Schuldkult gegenüber den Muslimen mitmachen. Dass die Israelis ins Meer getrieben würden, kurz nachdem sie damit angefangen hätten, wird nicht begriffen. Israel handelt nicht aus der Geschichte von 1948, sondern aus Gegenwartsbedingungen heraus. Irgendwie scheint diese kaum übersehbare Tatsache anstößig zu sein, rinks wie lechts.

Michael Hinz / 19.05.2020

Unser Thema heute - Diasporismus. “Der Diasporismus zielt darauf, die Verstreuung der Juden im Westen zu fördern, dabei insbesondere die Wiederansiedlung israelischer Juden europäischer Herkunft in den europäischen Ländren, wo es vor dem Zweiten Weltkrieg eine beträchtliche jüdische Bevölkerung gegeben hat. Der Diasporismus hat den Plan alles wiederaufzubauen, nicht in einem fremden und bedrohlichen Nahen Osten, sondern in ebenden Ländern, wo einst alles blühte, wobei die die Katastrophe eines Zweiten Holocaust abgewendet werden soll, der dadurch heraufbeschworen wird,  daß sich der Zionismus als politische und ideologische Kraft erschöpft hat. Der Zionismus hat es unternommen, jüdisches Leben und die hebräische Sprache an einem Ort wiederzubeleben, wo nahezu zweitausend Jahre weder das eine noch das andere mit wirklicher Vitalität existiert hat. ...” Na, wer hat’s gesagt - Kubitschek, Lichtmesz oder Höcke? Ne, falsch: Philip Roth, einer der genialsten jüdischen Denker und Dichter des letzten Jahrhunderts. (In: “Operation Shylock, S.45). Mich interessiert das Thema nur am Rande. Es geht mir hier um Vollständigkeit statt verlogener Einseitigkeit.

Harald Hütt / 19.05.2020

Sehr geehrter Herr Dr. Ermler, ich schlage vor, dass Sie nicht über Herrn Kubitschek sprechen, sondern den Versuch unternehmen, mit ihm zu reden. Als Leser der “Sezession im Netz” sind mir Ihre abschließenden Urteile und Schlußfolgerungen nicht plausibel und durch meine persönliche Erfahrung und Kenntnis der Artikel nicht gedeckt. Ich finde es sehr gut, ein erster wichtiger Schritt zur neutralen Meinungsbildung, dass Sie zu den Texten, die Ihre Argumente stützen sollen, “verlinken”. Ich halte den Dialog für geboten, sonst reihen Sie sich nur in die Gilde der Leute ein - und ein Herr Dr. Berger steht hier stellvertretend - die einen Nachweis - um jeden Preis - konstruieren wollen, dass das politische Vorfeld und die AfD Nationalsozialistischem Gedankengut anhängen. Auch PP, den Blog von Herrn Dr. Berger habe ich lange verfolgt. Ich empfehle eine vorurteilsfreie und argumentative Auseinandersetzung. Denn das Niveau, der von Ihnen in den Fokus gerückten Personen und deren Publikationen, ist nicht mit dem seichten Wasser der üblichen Empörungsindustrie zu vergleichen. Hier müssen Sie schon intellektuell in der Lage sein, mit dem Florett zu fechten, was ich Ihnen, wenn Sie aus Ihren Vorurteilen heraustreten sollten, zutraue.

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