Deutschland wird immer stärker von Krisen erfasst, und die Neuwahlen sollten bekanntlich einen Politikwechsel bringen. Stattdessen spielt der neue Bundestag das gewohnte Staatstheater und ist bemüht, möglichst kleinkrämerisch "gegen rechts" zu kämpfen.
Gestern senkten nun auch die sogenannten Wirtschaftsweisen ihre Prognose für Deutschlands ökonomische Entwicklung in diesem Jahr auf Nullwachstum. Tags zuvor gab es die Berichte, dass Bundespolizei und Justiz die angeblich durchgreifenden Maßnahmen zur Eindämmung der illegalen Einwanderung mangels Kräftemangel gar nicht allzu lange durchhalten könnten. Derweil verschärft sich auch die Krise auf dem Wohnungsmarkt weiter. Hinsichtlich der Energiepolitik und der Energiepreise herrscht Unsicherheit und Unternehmen fehlen diesbezüglich belastbare Kalkulationsgrundlagen. Die Infrastruktur zerbröselt weiter. Gerade musste im Osten der deutschen Hauptstadt wieder vollkommen überraschend eine wichtige Verkehrsader gesperrt werden, weil eine Straßenbrücke akut einsturzgefährdet ist. Und die Messerangriffe und Gewalttaten nehmen so deutlich zu, dass sich die Bürger in immer mehr Orten unsicher fühlen. Dann sind auch noch die Sozialversicherungen am Limit, wie auch die Gesundheitsversorgung. Und weiterhin soll man möglichst nicht darüber reden, dass das auch sehr viel mit der weiterhin laufenden illegalen Massenzuwanderung in die Sozialsysteme zu tun hat.
Wo die Unionsparteien vor dem 23. Februar 2025 durchaus markig auftraten beim Benennen dieser Probleme und dem Anprangern der fehlenden oder falschen Lösungsansätze, üben sie sich jetzt im nachträglichen Verstecken ihrer großen Wahlkampfworte. Offenbar sind ihnen eher die alten Versprechen peinlich, als der mehrfache Wortbruch. Der Bürger ist in ihren Augen wahrscheinlich selbst schuld, wenn er immer noch so naiv ist und den Wahlversprechen der Parteien noch einen Rest-Glauben schenkt.
Dumm nur für die Regierungsparteien, dass es da diese eine böse Partei gibt. Immer mehr der von den anderen Parteien Enttäuschten sind bereit die zu wählen, auch wenn sie vielleicht gar nicht daran glauben, dass das Spitzenpersonal dieser Partei das Land gut führen könnte. Aber die anderen Parteien demonstrieren Tag für Tag, dass sie sich gar nicht besser abwatschen lassen, als durch ein aufschreckendes AfD-Ergebnis.
Die Regierungskoalition kann unter diesen Bedingungen im eigenen Interesse keine nochmaligen Neuwahlen riskieren. Eigentlich wäre sie zum Erfolg gezwungen. In dem Rahmen, in dem sich die derzeitige deutsche Regierungspolitik zu bewähren hat, sollte kein Mangel an Dramatik herrschen. Aber wer am gestrigen Tag in den Bundestag geschaut hat - neben der Tagung der Ausschüsse zur Wahl ihrer Vorsitzenden gab es auch die mittlerweile sechste Plenarsitzung, u.a. mit der Befragung der Bundesminister Alexander Dobrindt (CSU) und Verena Hubertz (SPD) - sah und hörte zumeist ganz viel langweilig Erwartbares. Zuweilen garniert mit kleinlich-Peinlichem. Das parlamentarische Staatstheater wirkte in seinen Auftritten seltsam entrückt von den Problemen des Landes.
Plätze im Krisen-Dschungel
Bevor wir uns der konsequent irren Aufführung „parlamentarische Kleinkrämerei gegen rechts“ zuwenden, sind vielleicht ein paar Schlaglichter auf den Auftritt des CSU-Bundesinnenministers Alexander Dobrindt mit seiner SPD-Kollegin und Bundesbauministerin erhellend für die Einschätzung des Zustands der neuen Bundesregierung. Immerhin besetzen beide Minister zwei wichtige Plätze im oben angedeuteten deutschen Krisen-Dschungel.
Dobrindt ist seit Jahren immer wieder prominent präsent auf der Reichstags-Bühne, der Mann muss wohl keinem deutschen Leser noch eigens vorgestellt werden. Genossin Huberts hingegen ist vielleicht auch vielen Beobachtern der politischen Zeitläufte unbekannt geblieben, obwohl sie auch schon seit ein paar Jahren zum Bundestags-Ensemble gehört. Aber manches klingt in ihrer Biographie zunächst nicht SPD-typisch. Die Frau hat Betriebswirtschaftslehre studiert, einen Bachelor- sowie Masterabschluss und war Unternehmerin, weiß Wikipedia:
„Im August 2013 gründete Verena Hubertz mit ihrer Studienfreundin Mengting Gao in Berlin das Start-up AJNS New Media GmbH, das die App für die crossmediale Kochplattform Kitchen Stories entwickelte. Sie wurde dort Geschäftsführerin und verantwortete die Bereiche Geschäftsentwicklung, Finanzen, Personal und Recht. Die Plattform mit über 20 Millionen Nutzern und circa 60 Mitarbeitenden wurde 2017 zu 60 Prozent vom Bosch-Tochterunternehmen BSH Hausgeräte übernommen. 2019 wurden Hubertz und ihre Partnerin vom Kress Report als „Newcomerinnen des Jahres“ ausgezeichnet.
Ende 2020 gab Hubertz den Posten auf, um im Wahlkreis Trier als Direktkandidatin für den Bundestag anzutreten.“
Aber beider Auftritt blieb erwartbar. Ebenso waren auch die Fragen. Gut, Unterhaltungswert ist bei einer Ministerbefragung keine Kategorie. Aber die Sprechblasenkonstruktionen, die die Minister präsentierten, wenn sie nach konkreten Antworten gefragt wurden, klangen dann doch ziemlich abgenutzt. Genossin Hubertz sollte beispielsweise etwas dazu sagen, ob nicht Baukosten auch durch die Abschaffung preistreibender Auflagen, die der „Klimarettung“ dienen sollen, gesenkt werden könnten. Ihre Antwort:
„Wir werden nie die Menschen und den Klimaschutz gegeneinander ausspielen, denn es geht auch beides zusammen, ein nachhaltiges Bauen und ein bezahlbares Bauen.“
Brandbrief aus dem zu kleinen Fraktionssaal
Aber wie das gehen soll, hätte eben nicht nur der Fragesteller gern gewusst. Und als Alexander Dobrindt von einer Linken-Abgeordneten gefragt wurde, wo es denn angesichts seiner vollmundigen Erklärungen zu Grenzkontrollen, Zurückweisungen und mehr Abschiebungen noch ein Unterschied zur AfD gäbe, reagierte er etwas dünnhäutig. Er verwies darauf, dass die linke Genossin von AfD-Abgeordneten für ihre Frage Applaus bekommen hätte. Dann nutzte er schnell die Chance, sich als Vertreter der Mitte zwischen links und rechts darzustellen. Das aber dennoch nicht so klingen zu lassen, als wären die SED-Erben ebenso verabscheuungswürdig wie die AfD.
Diese Partei ist auch anderweitig wieder oder immer noch tagesaktuelles Thema im deutschen Parlament. Dort musste schließlich wieder die Brandmauer gegen die AfD verteidigt, sprich ihre Ausgrenzung zementiert werden.
Dazu gehörte, in den Ausschüssen, für deren Vorsitz die AfD als größte Oppositionsfraktion das Vorschlagsrecht hat, keinen der von ihr vorgeschlagenen Abgeordneten zum Vorsitzenden zu wählen. Für Grüne, Linke und SPD ist das eine gar nicht mehr diskutierbare Selbstverständlichkeit. Doch bei CDU und CSU gab es schon Stimmen, die fragten, ob es nicht sinnvoller wäre, die AfD im Bundestag wie eine normale Oppositionspartei zu behandeln. Die Ausgrenzung hat sie schließlich immer weiter gestärkt, als geschwächt. Jens Spahn, inzwischen Fraktionsvorsitzender hatte die Normalisierung im Umgang mit der bösen Partei auch schon ausgerufen und musste zurückrudern. Schließlich haben sich die Koalitionsparteien im Koalitionsvertrag versprochen, dass ihre Abgeordneten in der Regel gemeinsam abstimmen. Deshalb riefen die Christdemokraten ihre Abgeordneten in den Ausschüssen auf, die AfD-Kandidaten nicht zu wählen.
Noch kleinlicher und erbärmlicher ist das Schauspiel, das die Koalitionsparteien um die Verteilung der Fraktionssäle liefern. Die SPD-Fraktion wurde kleiner, landete auf dem dritten Platz, setzt aber durch, dass sie entgegen aller Gepflogenheiten ihren großen Saal behält und begründet dies damit, dass dieser nach Otto Wels benannt sei, dessen Name nicht durch eine AfD-Nutzung beschmutzt werden dürfe. Dabei könnten die Genossen einfach einen neuen und kleineren Raum nach Otto Wels benennen, denn diese Benennungen sind nicht statisch und Sache der Fraktionen, die die Räume nutzen.
Die deutlich erstarkte AfD-Fraktion muss sich derweil im früheren FDP-Fraktionssaal zu ihren Sitzungen treffen und dort ist es so eng, dass der Parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Fraktion, Bernd Baumann, jetzt in einem Brandbrief schrieb:
„Es bestehen erhebliche Zweifel, ob eine Zuweisung des bisherigen FDP-Saals an uns den Erfordernissen des Brand- und Arbeitsschutzes genügen würde.“
Bei der Verweigerung des Bundestagsvizepräsidentenamts oder der Ausschussvorsitzenden-Posten lässt sich noch treuherzig argumentieren, dass man Abgeordnete nicht zwingen könne, für einen AfD-Kandidaten zu votieren. Doch diese Ausrede gibt es für die Schikane mit dem Fraktionssaal nicht. Das ist wirklich nur noch kleinlich, peinlich und erbärmlich. Dieses ganz kleine Karo im Bundestag ist ein übles Zerrbild einer parlamentarischen Demokratie.
Peter Grimm ist Journalist, Autor von Texten, TV-Dokumentationen und Dokumentarfilmen und Redakteur bei Achgut.com.