Das finale Geschenk der Union – und ihr Ende

Der Schlamassel, in den sich Friedrich Merz samt seiner Partei manövriert hat, ist nicht wiedergutzumachen. Für Lars Klingbeil könnte bald Weihnachten, Ostern und Ramadan gleichzeitig sein.

Noch ist die Bitternis der Unions-Wähler (und auch der Parteibasis) über die enorme Wählertäuschung der Parteispitze und deren blitzartige Verwandlung in die „Schuldenunion“ nicht verraucht, da kommt schon die nächste Befürchtung auf: Werden sich die einstigen Hoffnungsträger Friedrich Merz, Carsten Linnemann und Thorsten Frei jetzt auch in Sachen Migrationspolitik über den Tisch ziehen lassen? Warum eigentlich nicht? Die derzeitige Konstellation und die daraus denkbaren Szenarien sprechen eher dafür als dagegen. Und es könnte sogar noch schlimmer kommen.

Der Grund ist ein simpler: Die Union hat keine Trümpfe mehr in der Hand. Mit der Zustimmung zur Schulden-Billion hat sie den letzten aus der Hand gegeben. Grund dafür ist schon mal die Brandmauer. Und genau dieselbe könnte im weiteren Verlauf die Klingbeil-SPD zum strahlenden Sieger emporheben. Man nenne mir einen Grund, aus dem die Sozialdemokraten sich jetzt auf eine Verschärfung der Migrationspolitik einlassen sollte, nur weil Merz, Frei und Linnemann dies ihren Wählern versprochen haben. Es gibt keinen, die „Sozis“ können sich zurücklehnen und den dreien von der Euro-Tankstelle zwei Optionen anbieten, in der festen Gewissheit, dass sie von beiden Optionen profitieren würden.

Option eins: Die CDU gibt nach, verzichtet auf alles: Auf Zurückweisungen an den Grenzen, Auslagerung der Asylverfahren, Abschiebungen in großem Maßstab, auch versprochene Revision des Ampel-Staatsbürgerschaftsrechtes. Eine solche Totalaufgabe der Union wäre nicht ausgeschlossen nach den Erfahrungen beim Thema Schuldenbremse. Nach der Devise: dann eben lieber jetzt alles abräumen, so weit wie möglich entfernt vom nächsten Wahltermin, wenn im Gegenzug erstmal die Kanzlerschaft für Merz winkt. Die SPD bliebe Siegerin auf ganzer Linie, könnte punkten und freudig den nächsten Wahlterminen entgegenfiebern.

Eine Minderheitsregierung von SPD, Grüne und Linke

Option zwei, und diese wäre jetzt, erstrecht nach dem Billionendeal, die noch attraktivere für die SPD: Die Union gibt sich hart, bleibt bei ihren Forderungen aus dem Wahlkampf. Ergebnis: Klingbeil und Freunde bleiben ebenfalls hart, es kommt keine Mehrheitskoalition zustande. Ohne sie jedenfalls nicht. Mit Grünen allein würde es der Union nicht reichen, nähme sie die Linke hinzu, bräuchten CDU/CSU bei der nächsten Wahl gar nicht mehr anzutreten. Die AfD kommt nicht infrage – Brandmauer!

Und dann? Einzig möglicher Pfad: Eine Minderheitsregierung: SPD, Grüne und Linke wählen Lars Klingbeil zum zehnten Kanzler der Bundesrepublik Deutschland. Wen sonst (mal abgesehen von Saskia Esken - kleiner Scherz)? Der zehnte Kanzler also, ein rundes Jubiläum. Und deshalb, zur Feier des Tages, dürfte sich Klingbeil vorkommen, als erlebe er Weihnachten, Ostern und Ramadan gleichzeitig. Und zwar nicht nur wegen seines noch vor wenigen Wochen undenkbaren Glücks der Kanzlerschaft. Nein, da ist dann noch mehr.

Der neue Kanzler der SPD dürfte, wenn er am nächsten Morgen erwacht, fünfmal blinzeln und sich noch eine Weile fragen: Träume ich oder wache ich? Denn: Welcher von Herzen ausgabenfreudige linker Regierungschef auf der ganzen Welt war jemals in der Lage (oder wird jemals in der Lage sein), dass er von einer konservativen, eigentlich doch auf Sparsamkeit erpichten Partei, die dann in der Opposition sitzt (!), mal eben eine ganze Billion Euro mit auf den Weg geschenkt bekommen hat? Die nämlich gehört dann Klingbeil und Esken und ihren Freunden, soweit sie in der Zuständigkeit des Bundes liegen.

Man will es offenbar nicht anders

Läuft es so, dann käme Freude auf: Nie war eine SPD an der Regierung befreiter von der Notwendigkeit des Sparens – mit herzlichem Dank an den spendablen Merz und seine Union. Und wir alle dürfen zuschauen und freundlich applaudieren: die Wähler der Union, der AfD, der FDP sowie alle diejenigen, die gleich zuhause geblieben sind, weil sie dem Braten sowieso nicht getraut haben, insgesamt also die überwiegende Mehrheit. Die darf dann nur noch in die Röhre schauen und dort den Braten bestaunen, der nur für die anderen ist. Alternativlos.

Denn dass Merz in dem Fall aus der Opposition heraus irgendwas bewirken könnte, darf er sich gleich abschminken. Warum? Jeder ahnt es, genau: Die Brandmauer. Würde die Union irgendetwas ablehnen, was die rotgrünrote Minderheitsregierung begehrt, etwa eine deutliche Erhöhung des Bürgergelds (wir haben’s ja, juhuu), die Einbürgerung nach einem Jahr schon, oder ähnliche Geschenke – sie stünde umgehend im Sperrfeuer der anderen „demokratischen“ Parteien und der ihnen wohlgesonnenen Medienwelt. Weil nämlich die AfD ebenso dagegen stimmt. Und das riecht unmittelbar nach „Zusammenarbeit“, oder gleich nach „Kollaboration“ mit den „Faschisten“.  

Die Unionsspitze hat sich durch ihren faulen Deal mit der Billion, ihren beispiellosen Wahlbetrug in eine Zwickmühle gebracht. Ich bin neugierig, wie sie aus der wieder herauskommt. Ginge es mit rechten Dingen zu, gäbe diese Situation – mal wieder – Anlass genug, sich die unmittelbaren Auswirkungen der Brandmauer zu vergegenwärtigen. Die letzten Umfragen zeigen: Sie beschleunigt den Überholprozess der AfD vor die Union. Man will es offenbar nicht anders.

 

Ulli Kulke ist Journalist und Buchautor. Zu seinen journalistischen Stationen zählen unter anderem die „taz“, „mare“, „Welt“ und „Welt am Sonntag“, er schrieb Reportagen und Essays für „Zeit-Magazin“ und „SZ-Magazin“, auch Titelgeschichten für „National Geographic“, und veröffentlichte mehrere Bücher zu historischen Themen. 

 

Foto: Sandro Halank, Wikimedia Commons, CC BY-SA 4.0, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

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Leserpost

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Donatus Kamps / 24.03.2025

Ich habe jedenfalls bisher nicht verstanden, warum Fritze Merz und seine Komplizen als Panzerknacker in einer Überraschungsaktion im Parlament den Tresor mit den Ersparnissen der Bevölkerung geknackt haben - mit enormen Kollateralschäden an Demokratie, Gesellschaft, Partei und dem Ansehen von Fritze Merz höchstselbst. Nicht erst seit Hannibal wissen wir: eine Schlacht zu gewinnen bedeutet nicht, einen Krieg zu gewinnen - und bei Hannibal war das Kriegsziel bekannt und offensichtlich. Bei Fritze Merz hingegen liegt bis heute im Dunkeln, was überhaupt sein Kriegsziel ist. Was wollte er mit dieser Aktion bezwecken? Wo will dieser Mann hin? Weiß das überhaupt die CDU? Ich bin gespannt auf die Auflösung des Rätsels.

Rolf Mainz / 24.03.2025

Auf jeden Fall steht fest, dass die SPD (wie die Grünen ebenso) das Ende Deutschlands forcieren. Wer ein Ende der Migrationskatastrophe bewusst blockiert, der kann keine anderen Gründe haben. Wenn die Sozialisten glauben, sie könnten sich ihr künftiges Wahlvolk importieren, dann werden sie - und das ganze Land - letztlich konsterniert feststellen, dass jene Neubürger sich stattdessen flugs für eine islamische Partei Deutschlands entscheiden werden, sobald jene in Kürze konstituiert werden wird. Die deutschen Linken haben nichts aus 1933 gelernt, sie werden erneut kaltgestellt werden, diesmal unter der Halbmondflagge. Viel schlimmer allerdings, dass dies das Ende eines Landes, einer Kultur bedeuten wird, wie wir sie bis vor wenigen Jahren noch als deutsch kannten und schätzten. Was selbst Herr H. nicht schaffte, das werden dann Frau M. und Genossen (m/w/d) geschafft haben.

D.Kempke / 24.03.2025

Interessanter Gedankengang. Option 2 wird aber nicht passieren. Zum Einen scheut man in Deutschland eine Minderheitenregierung wie die Pest. Viel zu riskant, dann von der Opposition vorgeführt zu werden. Zum Anderen ergäbe das wenig Sinn. Mit Merz als Marionette können sie jeden linken Schwachsinn durchsetzen und er muss die Verantwortung dafür tragen. Dazu können sie bei RotSchwarz alle wichtigen Ministerien besetzen. Und als Bonbon zerlegt sich die Union auch noch dauerhaft. Warum sollte man darauf verzichten?

B. Gersfeldt / 24.03.2025

“...jetzt auch in Sachen Migrationspolitik über den Tisch ziehen lassen?” Selbstverständlich. Etwas anderes als ein “weiter so - und mehr davon” ist mit den Blockparteien undenkbar. War auch schon vor der Wahl klar.

Heinrich Bleichrodt / 24.03.2025

So sehr ich es bedauere und ich schätze die Achse ungemein, nachdem das Wort Ramadan im Zusammenhang mit Weihnachten und Ostern benutzt wurde, ist die Achse für diese Woche geblockt. Sie haben sich ins Klingbeilsche Lotterbett gelegt. Kultureller Verfall frisst sich offenbar wie Säure in Journalistenhirne. Bin gespannt.

Norbert Hamann / 24.03.2025

Erinnerungen an schlechte Western kommen bei mir hoch: Ein etwas trotteliger Revolverheld hat gerade eine Bank ausgeraubt. In dem Moment, in dem er die ausgeraubte Bank verlässt, läuft ihm eine andere Räuberbande über den Weg. Die haben noch fettere Knarren und nehmen dem dumm aus der Wäsche schauenden Bankräuber die ganze Beute ab. . . . Anständige Räuber, die sich mit geraubten Millionenbeträgen begnügen, bitte ich um Verzeihung, dass ich sie mit Politikern der Altparteien vergleiche.

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