Dieter Prokop, Gastautor / 11.03.2020 / 15:00 / Foto: Tomaschoff / 26 / Seite ausdrucken

Das Fachkräfte-Paradies

Das „Fachkräfteeinwanderungsgesetz“ der Großen Koalition, das ab 1. März 2020 in Kraft trat, fasst unter „Fachkräfte“ auch den Krankenpfleger oder den Handwerker. Die Wirtschaftsjournalistin Heike Göbel stellte das Problem schon bei der Entstehung des Gesetzes dar:

„Mit diesem [dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz] wird ein auf Dauer angelegtes marktorientiertes Regelwerk geschaffen, das erstmals nicht nur Akademiker aus Drittstaaten wirbt, sondern den Qualifikationsbegriff sehr breit fasst. Zum Arbeiten oder zur sechsmonatigen Suche nach Arbeit dürfen künftig grundsätzlich alle kommen, die einen anerkannten Berufsabschluss haben, etwa Pflegekräfte oder Handwerker. IT-Spezialisten dürfen sogar ohne formalen Abschluss ins Land. Verlangt werden in jedem Fall (einfache) deutsche Sprachkenntnisse. [...] Ermöglicht wird die Einwanderung – unter engeren Voraussetzungen und zunächst auf fünf Jahre – überdies zur Ausbildung.“ (FAZ 20.12.2018, S. 15)

Zwar verlangt das Gesetz von Pflegekräften oder Handwerkern einen anerkannten Berufsabschluss. Aber was ist zum Beispiel mit „Krankenpflegern“ oder „Handwerkern“, denen irgendwelche Instanzen in fernen Ländern einen „Berufsabschluss“ bescheinigen, selbst wenn sie in diesen Berufsfeldern nur mal gejobbt haben? Werden damit nicht die Niedriglohnarbeiter nach Deutschland eingeladen, die die deutsche Industrie gern hätte? (Weil angeblich kein deutscher Arbeitsloser diese Jobs übernehmen will?)

„Ausbildungsduldung“ dank „Spurenwechsel“

Außerdem: Beim Selbstlob über dieses „Einwanderungsgesetz“ erwähnen die Politiker nicht, dass es ihnen auch um eine spezielle Regelung für abgelehnte Asylbewerber geht, „Spurenwechsel“ genannt. Sie wurde nicht in das ab 1.3.2020 geltende Gesetz aufgenommen. Sie gilt bereits ab dem 1.1.2020 als Ergänzung des Aufenthaltsgesetzes (als neuer § 60 d): als „Beschäftigungsduldung“ für abgelehnte Asylbewerber. Das sieht so aus: Jeder abgelehnte Asylbewerber, der eine „Duldung“ (eine Aufschiebung der Rückreise) bekam und einen gesicherten Lebensunterhalt hat, erhält mit dieser Ergänzung des Aufenthaltsgesetzes in Deutschland einen Aufenthaltstitel und wird damit zum „Erwerbsmigranten“.

Mit diesem „Spurenwechsel“ – mit beschönigenden Begriffen spart man nicht – erhält dieser abgelehnte Asylbewerber eine „Beschäftigungsduldung“. Der „Erwerbsmigrant“ kann dann auch nach zwei Jahren eine Aufenthaltserlaubnis, eine „Ausbildungsduldung“ erhalten. Das ist sicherlich sinnvoll, wenn ein abgelehnter Asylbewerber während der Zeit seiner Asylbewerbung eine Arbeit gefunden hat, an deren Fortsetzung auch der Betrieb, in dem er arbeitet, ein Interesse hat. Sinnvoll allerdings nur, falls er dort nicht als Niedriglohnarbeiter ausgebeutet wird.

Das aber ist das Problem: Sowohl beim „Fachkräfteeinwanderungsgesetz“ als auch bei der Ergänzung des Aufenthaltsgesetzes gibt es keine Garantie, dass das Ganze nicht zwecks Ausbeutung von Niedriglohnarbeit missbraucht wird. Man braucht nur zu relativieren, was „Fachkraft“ und „Qualifikation“ bedeutet. Schließlich nennt man ja heutzutage auch eine Großmarkthalle „Frischezentrum“, und sicherlich gibt es naive Leute, die glauben, im „Frischezentrum“ werde allen Kunden immer und überall nur frische Ware angeboten.

Allerdings wird gerade heute niemand so naiv sein, die Frage aufzuwerfen, warum denn Nahrungsmittel immer frisch angeboten werden müssen. Aber im Dritten Programm der ARD stellte doch tatsächlich zum Fachkräfteeinwanderungsgesetz eine junge Journalistin einer Landesministerin die Frage: „Warum können Handwerker nicht auch ohne Abschluss ins Land einreisen? Es ist doch egal, ob sie eine Prüfung gemacht haben oder nicht.“ Da stellt sich die Frage: Ist diese Journalistin eine Fachkraft?

Foto: Tomaschoff

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Gert Köppe / 11.03.2020

Solche Machwerke, wie das “Fachkräfteeinwanderungsgesetz”, dessen Regeln bewusst “breit gefächert” gehalten werden, dienen in Wahrheit nur dazu, die illegale Einwanderung weiterhin zu “Legalisieren” und damit ungehindert weiter zu betreiben. Eine ausgeklügelte Merkel-Variante von “Schleppertum”, für das man keine Boote braucht und die Regelung der Einwanderung über sichere Drittstaaten umgehen kann. Ist doch toll, so lange es keiner merkt!

Jochen Becker / 11.03.2020

Man sollte sich doch keine Illusionen machen, dass der Zuzug von Migranten und Fachkräften in erster Linie dem Lohndumping dient. Alle Einlassungen über Menschlichkeit “Geflüchteten” gegenüber oder dem demografischen Wandel sind nur Verschleierungen. Es soll unser großartiger Niedriglohnsektor befeuert werden, die Arbeitgeber wollen die lästigen Kosten der Arbeit loswerden. Der gehypte Fachkräftemangel existiert nur, weil keine angemessenen Gehälter gezahlt werden. Die deutsche Fachkraft ist ab 40 Jahren unrentabel. Ich habe im Ausland Fachkräfte mit Uniabschluss gehabt, die einer deutschen Sekretärin nicht das Wasser reichen können und Handwerksmeister, die an Aufgaben des zweiten Lehrjahrs gescheitert sind. Die kommende Industrie 4.0 braucht keine Handlanger,die ihre Transferleistungen des Sozialstaats nach Hause schicken.

Sabine Lotus / 11.03.2020

Frau Kuhn, danke! Einfach so mal danke.  Oft kann ich Ihre Posts schwer lesen (sie schreien manchmal so ;) aber es tut so gut, Ihre Stimme zu lesen. Sie zahlen denen nix? Sie sind meine Heldin des Tages…ach der Woche…desMonats. Von ‘denen’ fliegen hier gerade 3K unbezahlter Rechnungen bei mir herum.Geld das die mir überschulden und nicht rausrücken. Und ich horte Pasta. Karla ist die Beste!

HaJo Wolf / 11.03.2020

Die rechtsbrecherische Person auf dem Kanzlersitz und ihre Helfershelfer schrecken vor nichts mehr zurück. Skrupellos, rücksichtslos, kriminell.

Marek Kowalski / 11.03.2020

Schon lange darf sich ein Spanier der paar Monate auf dem Bau gearbeitet hat Maurer nennen,der Michel muss 3 Jahre lernen. Meinem Vater hat man 1980 den Abschluss übrigens nicht anerkannt,aber meine Eltern meinten das im Heim komischerweise alle Ingen. und Lehrer waren-denn danach wurde das Arbeitslosengeld berechnet…

Johannes Schuster / 11.03.2020

Anders gefragt, was ist eine Ausbildung heute wert, wenn ich mich in Automatikgetrieben besser auskenne als ein Mechaniker ? Beispiel Vorwärmrelais VAG: Tausch kostet 90,- €, ich bau das Ding aus zwei handelsüblichen Relais plus 2 Hochlastwiderständen auf (VAG Relais haben einen anderen Spulenwiderstand—Steuergerät (!)): mit Gehäuse: 7,00 €. Wenn man weiß, wie es geht, kann man die Vorspur auch mit drei Getränkeflaschen einstellen. Ein Geselle darf keine Bremsen endabnehmen, ich bei mir schon. Was lerne ich daraus: Eine Ausbildung macht keine Fachkraft. Ich kenne Leute, die haben den Meister und können trotzdem nicht am Einschaltsignal auf dem Oszillogramm bestimmen, ob im Getriebe ein Magnetventil öffnet oder nicht.  Güte von Schrauben, Anzugsdrehmomente ohne Leitfaden von VAG (Aussprache: Fack) vergesse man es. Kommt ein Elektroniker und fragt mich, ob ich sein Radio haben will, er habe keine Bauteile gelernt, sondern Platinentausch. Wow…. Kommt ein Syrer, ....Multimeter, was ist das…, nimmt den Finger, macht ihn feucht und huscht über die Phase um zu sehen, ob Saft drauf ist.  BER- lauter ausgebildete Fachkräfte, Stuagett 21, dito. Airbus A 380 - Rentabilität - Fachkräfte, A 400 dito.  Echte Fachkräfte: Siemens - Trans Rapid: geschrottet. Rockwell MBB- X31 - nie zur Fertigung in DE gekommen. Und nicht zu vergessen: die DDR - Physiker - Fachkräfte ! allesamt ! Zum Trabi hats gereicht….. Deutschland braucht sich nicht mehr aufblasen.

R. Schäfer / 11.03.2020

Ich könnte der Journalistin bei Gelegenheit auch mal ihr Auto reparieren. Hab ich nicht gelernt, aber ist ja egal. Ausbildung dauert auch nur unnötig und kostet den Betrieb Zeit und mich obendrein Geld. So gesehen stimmt es dann ja auch, daß seit 2015 verstärkt Fachkräfte nach Deutschland kommen. Prima! Ich denke, in Kürze haben wir dann auch den Anschluss an die Weltspitze geschafft. Amazon, Apple und Google, aufgepasst!!

Uwe Müller / 11.03.2020

Es ist Unfassbar es werden immer mehr Türen geöffnet für Sozialhilfe Empfänger.  Der Spurwechsel erfolgt nach sechs Monaten Abschieben ist nicht möglich das Herkunftsland ist froh über Western Union Geld für Familien zu bekommen. 

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