Gastautor / 07.08.2010 / 20:48 / 0 / Seite ausdrucken

Das Ende des weißen Mannes in Afrika

Erich Wiedemann

Alan Paton, der große südafrikanische Schriftsteller und Anti-Apartheid-Kämpfer, hatte eine Vision: “Ich habe die große Angst in meinem Herzen, daß der weiße Mann eines Tages, wenn er uns zu lieben begonnen hat, herausfinden wird, dass wir begonnen haben, ihn zu hassen.”

So ist es gekommen. Die weißen Südafrikaner haben ihr Unrechtssystem liquidiert und die Macht an die Schwarzen abgegeben. Aber der Haß der Schwarzen auf die Weißen ist heute schlimmer als zu Alan Patons Zeiten, als es noch einen plausiblen Anlaß für ihn gab.

Rassenhaß hat in Südafrika nicht das Stigma des Unsozialen und Kriminellen. Wie schon in der Apartheid-Ära. Nur, dass heute die Rollen vertauscht sind. Sogar auf Veranstaltungen des regierenden „African National Congress“ (ANC) wird oft auch der alte Zulu-Kampfsong „Kill the farmer, kill the boer“ gesungen. Refrain: „Oh, bring mir ein Maschinengewehr.“

Das sei kein öffentlicher Aufruf zur Gewalt, sagt ANC-Generalsekretär Gwede Mantashe, das Lied sei Teil der afrikanischen Kultur und habe keine praktische Bedeutung. Er sieht auch keinen Zusammenhang zu den über 10.000 Überfällen auf Farmen, bei denen seit 1991 fast 2000 weiße Farmer, also durchschnittlich zwei in der Woche, ermordet wurden.

Die Folgen der Gewaltkriminalität sind politisch und volkswirtschaftlich verheerend: Seit 1994 haben 22.000 von 60.000 Farmern aufgegeben. Zum erstenmal seit Menschengedenken musste Südafrika letztes Jahr Nahrungsmittel einführen, weil die heimische Landwirtschaft die Bevölkerung nicht mehr ernähren konnte.

Die meisten Großfarmen wurden unter schwarzen Kleinbauern aufgeteilt. Doch die neuen Herren produzieren fast nur für den Eigenbedarf. Anfang des Jahres räumte auch das Landwirtschaftsministerium in Pretoria ein, dass neun von zehn umverteilte Farmen gescheitert seien.

Trotzdem geht die sogenannte Landreform weiter. In den nächsten Jahren sollen mindestens 15.000 weitere Großfarmen parzelliert und aufgeteilt werden. Fast hunderttausend landlose schwarze Bauern erheben vor Gericht Anspruch auf das Land von Weißen, mit dem Argument, es sei ihren Vorfahren gestohlen worden.

Südafrika ist kein Land zügelloser Gesetzlosigkeit, wie der friedliche Verlauf der Fußballweltmeisterschaft gezeigt hat. Aber bestimmte Formen von gewaltsamem Rechtsbruch werden von einem Großteil der schwarzen Bevölkerung nicht mehr als Verstoß gegen gesetzliche und gesellschaftliche Normen empfunden, sofern er sich gegen Weiße richtet.

Die radikale schwarze Elite hat Verständnis dafür. Faraday Nkoane, der Vorsitzende des “Uhuru Culture Clubs”, hat auf einer Massenversammlung zum „Tag der Menschenrechte“ zum „gerechten Diebstahl“ aufgerufen. Man solle nur noch Weiße, aber keine Schwarzen überfallen. “Weiße auszurauben ist kein Verbrechen denn ihr holt euch nur zurück, was euch gehört.”

Die Polizei sagt, sie bekämpfe die Kriminalität mit größter Härte. Aber nicht mit großem Erfolg. In der Regenbogenrepublik am Kap sterben jeden Tag durchschnittlich sechzig Menschen eines gewaltsamen Todes, fünfzigmal so viele wie in Deutschland.

Weil sie keine Zukunft für sich und ihre Kinder sehen, verlassen die Weißen in Scharen das Land. Sie suchen eine neue Heimat in Australien und Neuseeland oder in Europa, dem Kontinent, aus dem vor 350 Jahren die ersten Siedler kamen.

Es ist der letzte große weiße Exodus in Afrika. In den fünfziger Jahren räumten die britischen Farmer aus Angst vor dem Terror der Mau-Mau ihre Höfe im Hochland von Kenia. Als Angola und Mosambik 1975, ein Jahr nach der Nelkenrevolution in Lissabon, unabhängig wurden, treckten die portugiesischen Siedler zurück nach Europa. Ende 2004 flüchteten fast 20.000 Franzosen von der Elfenbeinküste nach Frankreich, nachdem marodierende Banden in der Hauptstadt Abidjan Jagd auf Weiße gemacht hatten.

Die katastrophalen Folgen der Afrikanisierung in Simbabwe hindern die Regierungen von Südafrika und des benachbarten Namibia, des früheren Deutsch-Südwest-Afrika, nicht daran, den gleichen Weg zu gehen. Wenn auch etwas behutsamer.

Die Enteignung der weißen Farmer hat Simbabwe ins Elend gestürzt. Die meisten Äcker liegen brach. Das Sozialprodukt hat sich in den letzten zehn Jahren halbiert.

Von ursprünglich 4500 weißen Landwirten haben 4200 mit ihren Familien das Land verlassen. Nur 30.000 von den vormals 200.000 Weißen sind geblieben. Für die meisten von ihnen ist die Ausreise beschlossene Sache. Simbabwe ist wirtschaftlich am Ende.

Es wird schlimmer kommen. Im Februar beschloß das Parlament in Harare ein Gesetz, das alle Firmen mit einem Wert von mehr als 500.000 Dollar zwingt, 51 Prozent ihrer Anteile an Schwarze abzutreten. Wer dann in Simbabwe investiert, muß wissen, dass gut die Hälfte seines Investments gleich vom Staat beschlagnahmt wird.

Jetzt leben noch etwa viereinhalb Millionen Weiße auf dem schwarzen Kontinent, die meisten von ihnen in Südafrika. Wenn man die Abwanderungszahlen der letzten zehn Jahre fortschreibt, werden es in zehn Jahren nur noch zwei Millionen sein. „Es ist das Ende des weißen Mannes in Afrika“, sagt Robert Mugabe, „wenn die Fremden erst mal weg sind, fangen wir erst richtig an, frei zu sein.“

Neue Fremde sind im Anmarsch. Afrika erlebt eine Sturmflut von Business, Investment und Einwanderern aus der Volksrepublik China.

Der »Einfall Chinas in Afrika ist die dramatischste und wichtigste Veränderung in den Außenbeziehungen des Kontinents seit dem Ende des Kalten Krieges«, sagt Christopher Clapham vom „Centre for African Studies“ in Cambridge.  Ein neuer Wettlauf um Afrika. Nur, dass diesmal nur ein einziger Wettbewerber am Start ist.

Das afrikanisch-chinesische Handelsvolumen hat in den ersten zehn Jahren des Jahrtausends jährlich 30 Prozent zugelegt. Es stieg allein von 2000 bis 2008 von zehn auf 106 Milliarden Dollar. Über tausend chinesische Unternehmen sind in fünfzig afrikanischen Ländern aktiv. Mit vierzig Staaten hat Peking bilaterale Wirtschaftsabkommen geschlossen. Dreißig von ihnen hat Peking die Schulden erlassen.

Die Chinesen sind überall. Sie reparieren Straßen, Brücken, Bahnlinien und Telefonleitungen, bauen Schulen und Krankenhäuser, bilden Fischer und Handwerker aus und helfen mit Ärzten und Ingenieuren aus, wo es klemmt. Sie bedienen auch das Imponiergehabe der Regierenden mit dem Bau von Prestigeprojekten. Präsidentenpaläste für Windhuk (Namibia) und Libreville (Gabun), ein prachtvolles Flughafenterminal für Algier, ein Freizeitkombinat mit Golfplätzen und Kongreßzentrum für Freetown (Sierra Leone), ein schlüsselfertiges Außenministerium für Kigali (Ruanda).

Peking stellt – abgesehen von der Anerkennung der Ein-China-Politik - keine politischen Bedingungen wie die westlichen Staaten. Menschenrechte, Demokratie, freie Wahlen? Geschenkt, das interessiert die Chinesen nicht. Zu Hause nicht und in Afrika schon gar nicht. Sie lassen sich auch mit Schmuddelkindern ein.

Mit dem korrupten Regime in Angola beispielsweise, dass sich mit Petromilliarden mästet, während das Volk ein Hungerleiderdasein fristet. Als der Internationale Währungsfonds die Zuteilung eines Kredits an Angola von mehr politischer Transparenz abhängig machte, sprang China mit zwei Milliarden Dollar ein. Und bekam dafür von der Regierung in Luanda den Zuschlag für die Ausbeutung eines Öffshore-Erdölfeldes im Atlantik.

Beispiel Simbabwe: Brachialpotentat Mugabe erhielt auf Wunsch Kampfflugzeuge für 120 Millionen Dollar, die Chinesen bekamen im Rücktausch dafür Lizenzen für den Abbau von Chrom und Platin und kauften nebenbei auch noch die gesamte simbabwische Jahrestabakernte auf.

Beispiel Sudan: China blockiert jede Resolution des UN-Sicherheitsrates, die das Islamistenregime in Khartum wegen seines Vertreibungskrieges in der Provinz Darfur verurteilen könnte. Deshalb fließt die Hälfte der sudanesischen Erdölproduktion nach China.

Afrika ist für China ein Kontinent der Zukunft, eine riesige Landmasse, 600 Millionen potentielle Konsumenten für chinesische Waren, eine Reservearmee von billigen Arbeitskräften für die Supermacht in spe und unermessliche Rohstoff-Ressourcen: Kupfer aus Sambia, Holz aus West- und Zentralafrika, Mangan aus Gabun, Chrom aus Simbabwe, Gold aus Südafrika und vor allem Erdöl aus dem Sudan und aus Angola. Jede zweite Tonne afrikanisches Öl geht heute nach China.

Es gibt auch Kritiker, die vor den Mabwana manjano, den gelben Herren auf Kisuaheli, warnen. Südafrikas ehemaliger Staatspräsident Thabo Mbeki sagt, China drohe, mit Hilfe seiner enormen Wirtschaftskraft, ganz Afrika zu kolonisieren. Die alten Kolonialisten hätten die Afrikaner zu Rohstofflieferanten degradiert. Die neuen Kolonialisten seien dabei, das gleiche zu tun. Mbeki: “Dadurch ist Afrika zur Unterentwicklung verdammt. Es besteht die Gefahr, dass zu China eine Beziehung aufgebaut wird, die koloniale Abhängigkeiten wiederholt.”

Die Chinesen trauen den Afrikanern offenbar nicht viel zu, deshalb machen sie fast alles selbst. Sie entscheiden, was gemacht wird und wie es gemacht wird. Sie bringen sich für ihre Bauprojekte sogar die Maurer und Baggerführer mit.

Der neue Präsident, Jacob Zuma, hat weniger Bedenken gegen den Aufmarsch der Chinesen als sein Vorgänger. Er reist Ende des Monats an der Spitze einer 200köpfigen Delegation nach Peking, um die politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zu China zu intensivieren. Er ist sicher, dass „wir immer auf Augenhöhe mit ihnen sein werden, dass wir gleichberechtigte Partner sind“.

Ob der Dalai Lama das bestätigen würde? Im März wurde ihm ein Visum für Südafrika verweigert mit der offiziellen Begründung, sein Aufenthalt dort sei nicht im südafrikanischen Interesse.

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