Für alles und jeden gibt es mittlerweile „Beauftragte“ , „Koordinatoren“ und „Fachstellen“, gepampert mit üppigen Steuergeldern. An der Behebung der vermeintlichen Missstände arbeiten sie nicht. Keiner will den Ast absägen, auf dem er sitzt. Ein kleiner Ausflug in die Welt der Ansprechpartner vom Fußgängerbeauftragten bis zum Welterbekoordinator.
Heiliges Gesetz von Machterringung und Machterhalt ist seit jeher die Personalpolitik. Wer sicher gehen will, dass die von einem selbst vertretenen politischen und gesellschaftlichen Ziele im bürokratischen Prozess umgesetzt werden und gegebenenfalls sogar einen Machtwechsel überdauern, muss gleichgesinnte Menschen in idealerweise beamtete Schüsselpositionen bringen, am besten solche, die wiederum mit Personalpolitik befasst sind oder, wie Richter an höchsten Gerichten, grundlegende Richtungsentscheidungen treffen können.
Doch nicht weniger wichtig sind die, die in der zweiten Reihe sitzen. Dazu zählt ein Heer von gewählten oder eingesetzten „Beauftragten“ , „Koordinatoren“ oder „Fachstellen“ für dies, das und jenes, eine tausendköpfige Hydra, die mittlerweile die politischen Institutionen auf allen Ebenen des Staates durchdringt, Entscheidungen vorbereitet und deren Durchführung überwacht: Datenschutzbeauftragte, Gleichstellungsbeauftragte, Queerbeauftragte, Klimaschutzbeauftragte, Ausländerbeauftragte, Kinderbeauftragte, Seniorenbeauftragte, Behindertenbeauftragte, Frauenbeauftragte, neuerdings auch Hate-Speech-Beauftragte und Rechtsextremismusbeauftragte. Linksextremismusbeauftragte sucht man vergeblich.
Ansonsten gibt es anscheinend keinen Lebensbereich, der nicht von irgendeiner zuständigen Person abgedeckt wäre, keine „Betroffenengruppe“, die nicht über einen speziellen Ansprechpartner verfügen würde. Es ist ein Dschungel institutionalisierter Günstlingswirtschaft, in der das Gemeinwohl kaum noch eine Rolle spielt und Menschen ihr Geschlecht, ihre sexuelle Orientierung oder andere persönliche Eigenschaften und Obsessionen zum Beruf gemacht haben. Sie agieren oft als Lobby ihrer selbst oder werden von ihnen nahestehenden Lobbygruppen ins Amt gehievt und über befreundete Politiker und öffentliche Amtsträger auf Kosten der Allgemeinheit mit Geld und Befugnissen ausgestattet.
Und die Räte arbeiten zu
Jede ideologische Sau, die gerade durchs Dorf getrieben wird, jede noch so abstruse Idee materialisiert sich irgendwann in der Gestalt eines Beauftragten. Unterstützt werden die Beauftragten/Koordinatoren/Stellen oft von speziell geschaffenen „Räten“, die ihnen zuarbeiten.
Allein die Freie und Hansestadt Hamburg gebietet über 54 Beauftragte und/oder Koordinatoren, wie eine Zählung der Senatskanzlei auf Anfrage der Bild-Zeitung jüngst ergab. Darunter eine Wohnungsbaukoordinatorin, eine Innenstadtkoordinatorin, ein Fluglärmschutzbeauftragter, ein „Beauftragter für die Zusammenarbeit mit polnischstämmigen deutschen Bürgern und Polen in Deutschland und deren Organisationen“ (kurz: Polonia-Beauftragter) sowie ein Welterbekoordinator, zuständig für die Hamburger Speicherstadt.
Ganz neu im Kreis der Beauftragten ist der „Hamburgische Opferbeauftragte“, der den Opfern von Terror- und Großschadensereignissen und deren Angehörigen unterstützend zur Seite stehen soll. Die Stelle wurde nach dem Amoklauf eines 35-jährigen im März 2023 mit acht Toten, darunter der Schütze selbst, eingerichtet und dürfte die nächsten Jahrzehnte überdauern, selbst wenn, was zu hoffen ist, größere Terroranschläge eine seltene Ausnahme bleiben.
Koordinator „Quartiersinitiative Urbanes Leben“
Dutzende weiterer Beauftragter und Koordinatoren gibt es in den Hamburgischen Bezirksämtern, vor allem Radverkehr-, Baustellen- und Klimaschutzbeauftragte. Altona gönnt sich zudem einen Koordinator „Quartiersinitiative Urbanes Leben“, im Bezirk Hamburg-Nord findet sich ein Koordinator „MRE-Netzwerk (Multiresistente Erreger)“. Apropos Erreger: Sicher dürfte in einigen Amtsstuben noch ein multiresistenter Corona-Beauftragter das Ende der „Pandemie“ überwintert haben und voller Hoffnung seinem nächsten Einsatz entgegensehen. Oder sein Amt wird in das eines Hitzeschutzbeauftragten umgewandelt.
Auch das grünrot regierte München darf als Hochburg des Beauftragten(un)wesens gelten. Eine Achgut-Anfrage bei der Münchner Stadtverwaltung analog jener der Hamburger Bild blieb leider ohne greifbares Ergebnis. Man möge doch die entsprechende Suchfunktion der stadteigenen Homepage bemühen, hieß es. Eine Recherche mit dem Suchwort „Beauftragter Landeshauptstadt München“ brachte 4.520 Treffer, wobei der Gerechtigkeit halber angemerkt sei, dass hier eine Unmenge Mehrfachzählungen zu berücksichtigen sind.
Händische Suche förderte Konkreteres zutage: einen „Beauftragten für den interreligiösen Dialog“, die „Fachstelle für Demokratie“ mit der Aufgabe, „Aktivitäten und Maßnahmen zur Förderung des demokratischen Gemeinwesens und gegen Rassismus, Antisemitismus und andere Formen der Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit zu koordinieren“, eine „Gleichstellungsstelle für Frauen“, eine „Stelle für interkulturelle Zusammenarbeit“ (acht Mitarbeiter), die „Koordinierungsstelle zur Gleichstellung von LGBTIQ*“ (4 Mitarbeiter), eine „Koordinierungsstelle zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention“ nebst dem „Ehrenamtlichen Behindertenbeauftragten der LH München“, ferner diverse Beiräte für Senioren, Klima und Migration sowie weitere Beauftragte wie „Baumschutzbeauftragte“ oder „Rechtsextremismusbeauftragte“ in den Münchner Bezirksausschüssen, wie hier die Stadtteilparlamente genannt werden.
Die „Fußgängerstrategie der LH München“ umsetzen
Last but not least leistet sich München neuerdings einen „Fußgängerbeauftragten“, der die „Fußgängerstrategie der LH München“ umsetzen soll. Wie beim Münchner „Radverkehrsbeauftragten“ dürfte seine eigentliche Aufgabe darin bestehen, Autofahrern das Leben so schwer wie möglich zu machen. Einen eigenen Klimaschutzbeauftragten gibt es in München nicht, weil das Thema ohnehin ganz oben im Referat für Klima- und Umweltschutz angesiedelt ist.
Eigentlich sollte man annehmen, dass all die Beauftragten, Koordinatoren und „Stellen“ bestrebt sein müssten, Probleme in ihrem Tätigkeitsbereich zu erkennen, für Abhilfe zu sorgen, um somit auf eine allgemeine Verbesserung der Lebensverhältnisse hinzuwirken und sich selbst irgendwann überflüssig zu machen. Wie schön wäre es, wenn ein Schwulen- und Lesbenbeauftragter vor die Presse träte und sagte, die Diskriminierung von Homosexuellen sei Vergangenheit, man bedanke sich für die Unterstützung und stelle sein Amt zur Verfügung. Eine naive Vorstellung. Stattdessen werden immer neue, immer marginalere Mikro-Betroffenengruppen definiert, denen man zu Hilfe eilt.
Oder man weitet die Perspektive ins Globale. Der Grund, warum sich die „Klimakrise“ immer mehr zuspitzt, liegt nicht zuletzt in der bloßen Existenz von Tausenden von Klimaschutz- und Energiewendebeauftragten auf allen Ebenen der Verwaltung und Politik. Im Zusammenspiel mit skrupellosen Politikern und auf einen steten Spendenfluss angewiesenen NGOs sorgen sie dafür, dass uns die Panik bis auf weiteres erhalten bleibt.
Georg Etscheit ist Autor und Journalist in München. Fast zehn Jahre arbeitete er für die Agentur dpa, schreibt seit 2000 aber lieber „frei“ über Umweltthemen sowie über Wirtschaft, Feinschmeckerei, Oper und klassische Musik u.a. für die Süddeutsche Zeitung.