Georg Etscheit / 09.08.2023 / 10:00 / Foto: Pixabay / 55 / Seite ausdrucken

Das deutsche Beauftragten(un)wesen

Für alles und jeden gibt es mittlerweile „Beauftragte“ , „Koordinatoren“ und „Fachstellen“, gepampert mit üppigen Steuergeldern. An der Behebung der vermeintlichen Missstände arbeiten sie nicht. Keiner will den Ast absägen, auf dem er sitzt. Ein kleiner Ausflug in die Welt der Ansprechpartner vom Fußgängerbeauftragten bis zum Welterbekoordinator.

Heiliges Gesetz von Machterringung und Machterhalt ist seit jeher die Personalpolitik. Wer sicher gehen will, dass die von einem selbst vertretenen politischen und gesellschaftlichen Ziele im bürokratischen Prozess umgesetzt werden und gegebenenfalls sogar einen Machtwechsel überdauern, muss gleichgesinnte Menschen in idealerweise beamtete Schüsselpositionen bringen, am besten solche, die wiederum mit Personalpolitik befasst sind oder, wie Richter an höchsten Gerichten, grundlegende Richtungsentscheidungen treffen können.

Doch nicht weniger wichtig sind die, die in der zweiten Reihe sitzen. Dazu zählt ein Heer von gewählten oder eingesetzten „Beauftragten“ , „Koordinatoren“ oder „Fachstellen“ für dies, das und jenes, eine tausendköpfige Hydra, die mittlerweile die politischen Institutionen auf allen Ebenen des Staates durchdringt, Entscheidungen vorbereitet und deren Durchführung überwacht: Datenschutzbeauftragte, Gleichstellungsbeauftragte, Queerbeauftragte, Klimaschutzbeauftragte, Ausländerbeauftragte, Kinderbeauftragte, Seniorenbeauftragte, Behindertenbeauftragte, Frauenbeauftragte, neuerdings auch Hate-Speech-Beauftragte und Rechtsextremismusbeauftragte. Linksextremismusbeauftragte sucht man vergeblich.

Ansonsten gibt es anscheinend keinen Lebensbereich, der nicht von irgendeiner zuständigen Person abgedeckt wäre, keine „Betroffenengruppe“, die nicht über einen speziellen Ansprechpartner verfügen würde. Es ist ein Dschungel institutionalisierter Günstlingswirtschaft, in der das Gemeinwohl kaum noch eine Rolle spielt und Menschen ihr Geschlecht, ihre sexuelle Orientierung oder andere persönliche Eigenschaften und Obsessionen zum Beruf gemacht haben. Sie agieren oft als Lobby ihrer selbst oder werden von ihnen nahestehenden Lobbygruppen ins Amt gehievt und über befreundete Politiker und öffentliche Amtsträger auf Kosten der Allgemeinheit mit Geld und Befugnissen ausgestattet. 

Und die Räte arbeiten zu

Jede ideologische Sau, die gerade durchs Dorf getrieben wird, jede noch so abstruse Idee materialisiert sich irgendwann in der Gestalt eines Beauftragten. Unterstützt werden die Beauftragten/Koordinatoren/Stellen oft von speziell geschaffenen „Räten“, die ihnen zuarbeiten. 

Allein die Freie und Hansestadt Hamburg gebietet über 54 Beauftragte und/oder Koordinatoren, wie eine Zählung der Senatskanzlei auf Anfrage der Bild-Zeitung jüngst ergab. Darunter eine Wohnungsbaukoordinatorin, eine Innenstadtkoordinatorin, ein Fluglärmschutzbeauftragter, ein „Beauftragter für die Zusammenarbeit mit polnischstämmigen deutschen Bürgern und Polen in Deutschland und deren Organisationen“ (kurz: Polonia-Beauftragter) sowie ein Welterbekoordinator, zuständig für die Hamburger Speicherstadt. 

Ganz neu im Kreis der Beauftragten ist der „Hamburgische Opferbeauftragte“, der den Opfern von Terror- und Großschadensereignissen und deren Angehörigen unterstützend zur Seite stehen soll. Die Stelle wurde nach dem Amoklauf eines 35-jährigen im März 2023 mit acht Toten, darunter der Schütze selbst, eingerichtet und dürfte die nächsten Jahrzehnte überdauern, selbst wenn, was zu hoffen ist, größere Terroranschläge eine seltene Ausnahme bleiben. 

Koordinator „Quartiersinitiative Urbanes Leben“

Dutzende weiterer Beauftragter und Koordinatoren gibt es in den Hamburgischen Bezirksämtern, vor allem Radverkehr-, Baustellen- und Klimaschutzbeauftragte. Altona gönnt sich zudem einen Koordinator „Quartiersinitiative Urbanes Leben“, im Bezirk Hamburg-Nord findet sich ein Koordinator „MRE-Netzwerk (Multiresistente Erreger)“. Apropos Erreger: Sicher dürfte in einigen Amtsstuben noch ein multiresistenter Corona-Beauftragter das Ende der „Pandemie“ überwintert haben und voller Hoffnung seinem nächsten Einsatz entgegensehen. Oder sein Amt wird in das eines Hitzeschutzbeauftragten umgewandelt.

Auch das grünrot regierte München darf als Hochburg des Beauftragten(un)wesens gelten. Eine Achgut-Anfrage bei der Münchner Stadtverwaltung analog jener der Hamburger Bild blieb leider ohne greifbares Ergebnis. Man möge doch die entsprechende Suchfunktion der stadteigenen Homepage bemühen, hieß es. Eine Recherche mit dem Suchwort „Beauftragter Landeshauptstadt München“ brachte 4.520 Treffer, wobei der Gerechtigkeit halber angemerkt sei, dass hier eine Unmenge Mehrfachzählungen zu berücksichtigen sind.

Händische Suche förderte Konkreteres zutage: einen „Beauftragten für den interreligiösen Dialog“, die „Fachstelle für Demokratie“ mit der Aufgabe,  „Aktivitäten und Maßnahmen zur Förderung des demokratischen Gemeinwesens und gegen Rassismus, Antisemitismus und andere Formen der Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit zu koordinieren“, eine „Gleichstellungsstelle für Frauen“, eine „Stelle für interkulturelle Zusammenarbeit“ (acht Mitarbeiter), die „Koordinierungsstelle zur Gleichstellung von LGBTIQ*“ (4 Mitarbeiter), eine „Koordinierungsstelle zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention“ nebst dem „Ehrenamtlichen Behindertenbeauftragten der LH München“, ferner diverse Beiräte für Senioren, Klima und Migration sowie weitere Beauftragte wie „Baumschutzbeauftragte“ oder „Rechtsextremismusbeauftragte“ in den Münchner Bezirksausschüssen, wie hier die Stadtteilparlamente genannt werden. 

Die „Fußgängerstrategie der LH München“ umsetzen

Last but not least leistet sich München neuerdings einen „Fußgängerbeauftragten“, der die „Fußgängerstrategie der LH München“ umsetzen soll. Wie beim Münchner „Radverkehrsbeauftragten“ dürfte seine eigentliche Aufgabe darin bestehen, Autofahrern das Leben so schwer wie möglich zu machen. Einen eigenen Klimaschutzbeauftragten gibt es in München nicht, weil das Thema ohnehin ganz oben im Referat für Klima- und Umweltschutz angesiedelt ist.

Eigentlich sollte man annehmen, dass all die Beauftragten, Koordinatoren und „Stellen“ bestrebt sein müssten, Probleme in ihrem Tätigkeitsbereich zu erkennen, für Abhilfe zu sorgen, um somit auf eine allgemeine Verbesserung der Lebensverhältnisse hinzuwirken und sich selbst irgendwann überflüssig zu machen. Wie schön wäre es, wenn ein Schwulen- und Lesbenbeauftragter vor die Presse träte und sagte, die Diskriminierung von Homosexuellen sei Vergangenheit, man bedanke sich für die Unterstützung und stelle sein Amt zur Verfügung. Eine naive Vorstellung. Stattdessen werden immer neue, immer marginalere Mikro-Betroffenengruppen definiert, denen man zu Hilfe eilt. 

Oder man weitet die Perspektive ins Globale. Der Grund, warum sich die „Klimakrise“ immer mehr zuspitzt, liegt nicht zuletzt in der bloßen Existenz von Tausenden von Klimaschutz- und Energiewendebeauftragten auf allen Ebenen der Verwaltung und Politik. Im Zusammenspiel mit skrupellosen Politikern und auf einen steten Spendenfluss angewiesenen NGOs sorgen sie dafür, dass uns die Panik bis auf weiteres erhalten bleibt. 

 

Georg Etscheit ist Autor und Journalist in München. Fast zehn Jahre arbeitete er für die Agentur dpa, schreibt seit 2000 aber lieber „frei“ über Umweltthemen sowie über Wirtschaft, Feinschmeckerei, Oper und klassische Musik u.a. für die Süddeutsche Zeitung.

Foto: Pixabay

Achgut.com ist auch für Sie unerlässlich?
Spenden Sie Ihre Wertschätzung hier!

Hier via Paypal spenden Hier via Direktüberweisung spenden
Leserpost

netiquette:

W. Renner / 09.08.2023

Einzig fehlt der Beauftragte w/m/d der Hirn vom woken Himmel über dem Reichstag schmeisst.

Thomin Weller / 09.08.2023

Die Linke in Hamburg hat nun den Vogel bzw. die Taube abgeschossen. Demnächst gibt es neben dem Spinnenbeauftragten auch einen Taubenbeauftragten. Als gäbe es keine anderen Probleme. Die Linke wird zurecht in der Versenkung verschwinden. Eine aktuelle Meldung ” Der deutschstämmige (und leider weit im rechten Flügel angesiedelte) Tech-Investor Peter Thiel will dem Twitter ... ääähhh ... X-Chef dabei helfen, menschliche Hirne mit Computern zu verbinden.”  Bitte bei vielen Politikern zuerst. Deren Hirne bieten viel Platz.

A. Ostrovsky / 09.08.2023

@sybille eden : “Ich bewerbe mich jetzt als Weinbeauftragte.” Na hoffentlich können Sie auch so publikumswirksam weinen, wie Greta, Emilia Fester und die anderen Emilias. Die Konkurrenz ist hart. Und nicht jeder kann Vizekönigin sein.

A. Ostrovsky / 09.08.2023

Es ist nicht der Widerspruch gegen Gott, der uns zu Sklaven macht. Es ist die UNTILGBARE DUMMHEIT.

A. Ostrovsky / 09.08.2023

Ich als Generalbevollmächtigter Beauftragter für Beauftragungen werde schon mein ganzes Leben lang von Kompetenzkompetenz gequält. Und ich darf nicht zurückschlagen, weil ich sonst die Generalvollmacht verlieren könnte. Diese Welt ist ein Sündenpfuhl. Erbsünde, weil eine Frau einen Apfel gegessen hat. Da ist doch von Anfang an der Wurm drin. Von Anfang an nur Wahnsinn! Wer hat sich denn diesen Schwachsinn ausgedacht? Auf alle Kinder und Enkelkinder, Urekel und Ururenkel geht ein zerstörerischer Fluch über, weil eine Frau EINEN APFEL GEGESSEN HAT!!! Gehts denn noch? Und sie war dazu noch nicht einmal BEAUFTRAGT! Schande über sie!

sybille eden / 09.08.2023

Ich bewerbe mich jetzt als Weinbeauftragte. Ist die Stelle noch frei ? Ich liebe Wein und will aufpassen ob er auch wirklich schmeckt ! Ich mache das auch EHRENAMTLICH !!!

Yehudit de Toledo Gruber / 09.08.2023

Aaah, sehr geehrter Herr Etscheit, endlich, endlich erfahre ich hier erstens, daß Sie nicht nur ein Feinschmecker sind sondern vor allem, daß ich nicht die Einzige bin, welche sich schon seit Jahren über das deutsche Beauftragtenwesen wundert. D i e Unsummen möchte ich kennen, welche dafür monatlich verschwendet werden. Über den hochkomplizierten Staats-Job unserer “Antisemitismusbeauftragten” ließ ich mich ja schon 2019 in der Jüdischen Rundschau aus. Speziell über unseren bayrischen Herrn Dr. Ludwig Spaenle. Sein Ziel:  “eine engagierte Kultur des Hinschauens “, die nach seiner Ansicht auch “die Grundlage für ein konsequentes Handeln” ist . Natürlich mit imposantem Team, Büro und dem seltsamen Namen “RIAS” . Uns Ex-DDRlern fällt da gleich etwas anderes ein, oder?

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Georg Etscheit / 21.10.2024 / 10:00 / 48

„Agrarsoziologin“ gegen „Wutbauern“. Wer produziert Bullshit, wer Lebensmittel?

Eine junge Frau, in den Medien gerne als "Agrarsoziologin der Universität Göttingen“ vermarktet, unterstellt kritischen Bauern gerne „rechtsextreme bis rechtspopulistische“ Tendenzen. Das ging vor Gericht…/ mehr

Georg Etscheit / 06.10.2024 / 10:00 / 39

Die Katholische Kirche und Corona – die Staatsgläubigen

Wie in der Corona-Zeit in gravierender Weise die (Heils)-Interessen der Gläubigen missachtet wurde. Unter jenen Institutionen, die sich willig dem Corona-Narrativ unterwarfen, das regierungsamtliche „Pandemie“-Regime exekutierten…/ mehr

Georg Etscheit / 22.07.2024 / 12:00 / 38

Schumachers Outing: Schwul heißt nicht grün

Ex-Formel-1-Rennfahrer Ralf Schumacher hat seine Beziehung mit Étienne Bousquet-Cassagne bekannt gemacht. Der sympathisiert aber offenbar mit der nach Ansicht deutscher Sittenwächter falschen politischen Richtung. Die Freude…/ mehr

Georg Etscheit / 05.07.2024 / 10:00 / 32

Agri-Photovoltaik – Licht und Schatten

Die Kombination von Solarflächen mit herkömmlichem Landbau, etwa beim Hopfenanbau in Bayern, wird als wirtschaftliche und ökologische Win-Win-Situation angepriesen. Wie sieht es wirklich aus? Die Hallertau,…/ mehr

Georg Etscheit / 20.06.2024 / 12:00 / 34

Markus Söder will weniger (direkte) Demokratie wagen

Seit die Bürger des kleinen Ortes Mehring bei Altötting die Frechheit besaßen, einen ihnen im nahen Stadtwald zugedachten Wind-„park“, sogar den größten Bayerns, qua Bürgerentscheid…/ mehr

Georg Etscheit / 02.06.2024 / 13:00 / 15

Cancel Cuisine: Das Milchdöschen-Verbot

Die EU will über kleine, in Hotellerie und Gastronomie übliche Einwegverpackungen aus Kunststoff den Öko-Bann verhängen. Doch ist die Umwelt-Bilanz etwa von Milchkännchen statt Milchdöschen…/ mehr

Georg Etscheit / 26.05.2024 / 12:00 / 50

Cancel Cuisine: Fleisch und Verdrängung

Um Fleischessern die Verdrängung ihres vermeintlich unmoralischen Tuns zu erschweren, schlägt eine SZ-Redakteurin Schockbilder auf tierischen Produkten vor, ähnlich denen auf Zigarettenschachteln. Ob's hülfe? Die…/ mehr

Georg Etscheit / 22.05.2024 / 06:10 / 94

Windkraft und ihre verheerenden Folgen für Mensch und Natur

Die rücksichtslose Art und Weise, wie die Windkraft in Deutschland durchgesetzt wird, erinnert an die brutale Art und Weise, wie die „Betonfraktion" in der Nachkriegszeit vielen…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com