Das Debakel von Dresden und das Wunder am Sambesi

Der Kollaps der Brücke in Dresden ist ein weiteres Fanal dafür, dass Führungskompetenz und technologischer Professionalismus aus Deutschland verschwinden.

Vor 120 Jahren wurde in der „Dritten Welt“ in kürzester Zeit eine Brückenkonstruktion vollendet, wie sie in dieser Geschwindigkeit auch mit den modernen Hilfsmitteln von heute kaum vorstellbar wäre: Die "Victoria Falls Bridge" (Foto vom Bau oben).

Wir waren im südlichen Afrika im Auto unterwegs, als wir auf ein unerwartetes Hindernis stießen, welches das Navi uns verschwiegen hatte: ein riesiger Fluss, mindestens zwei Kilometer breit. Auf dem Bildschirm war die Straße ungestört geradeaus weitergegangen, die Wirklichkeit war aber anders – das ist ja auch bei größeren Bildschirmen manchmal so.

Nach kurzem Dialog mit Ansässigen konnten wir das Rätsel lösen: Es handelte sich um den Sambesi, den viertlängsten Strom Afrikas. Der fließt 2.600 km von Angola über Sambia, Namibia, Zimbabwe und Mosambik in den Indischen Ozean, und der war uns jetzt in die Quere gekommen. Es gab eine Fähre, aber auch auf der anderen Seite des Stroms trafen wir auf Überraschungen.

Man erwartet Zebras oder Antilopen auf Afrikas Straßen, vielleicht einen Elefanten, aber was sich da jetzt abspielte, das war unglaublich. Eine nicht enden wollende Schlange von Tiefladern kam uns über den Horizont entgegen, beladen mit tonnenschweren Kupferplatten. Wir waren jetzt in Sambia unterwegs, und der wichtigste Rohstoff des Landes wird von dort per LKW zum nächstgelegenen Hafen gebracht: da hat man die Wahl zwischen Walvis Bay in Namibia, 2.700 Kilometer, oder etwas näher, Durban in Südafrika, 2.100 km.

Ein Elon Musk des 19. Jahrhunderts

Ja, der afrikanische Kontinent birst vor wertvoller Rohstoffe, aber der Transport zu den Industrieländern ist ein Problem. Vor uns hat das schon jemand anders erkannt: Cecil Rhodes (1853 bis 1902). Der hat in seinem relativ kurzen Leben sehr viel geschaffen, vielleicht war er ja der Elon Musk des 19. Jahrhunderts. Er plante keine Reise auf den Mars, aber plante die gut 10.000 km lange Eisenbahnlinie „From Cape to Cairo“, von Kapstadt nach Port Said, von Süd nach Nord durch ganz Afrika. Und auch ihm kam dabei der verdammte Sambesi in die Quere, der das ganze südliche Afrika vom Rest des Kontinents abschneidet. Das sollte seine Bahnlinie nicht aufhalten, es gibt ja Brücken. Als Brückenbauer hat man nun die Wahl: Man sucht im Flusslauf eine Stelle, wo er breit aber flach ist – oder aber das Gegenteil: schmal, tief und steile Ufer. Letzteres sollte es sein, und da bot sich die Schlucht an, durch die der Fluss unmittelbar nach den Victoria-Wasserfällen strömt. Und so lautete Rhodes‘ Anweisung dann: "Baut mir diese Brücke über den Sambesi – dort, wo die Züge die Gischt der Wasserfälle abkriegen, wenn sie vorbeifahren.“

Es würde ein Viadukt aus Stahlträgern werden, das von einer Firma im Nordosten Englands entworfen, berechnet und gefertigt wurde. Die Teile würden dann per Schiff zum Hafen von Beira in Mozambique transportiert, um dann auf der frisch eröffneten Bahnstrecke von Beira die 1.300 km zur Baustelle an den Victoria-Fällen gebracht zu werden. Die Teile mussten in allen Details genau stimmen, was bei der parabelförmigen Geometrie der Brücke einiges an Rechnen erforderte. Was man unbedingt vermeiden wollte, war, dass beim Zusammenschrauben im Dschungel jemand feststellte: hoppla, der Träger ist ja einen halben Meter zu lang, und hier fehlt ein ganzes Stück. Immerhin sind in der Brücke 2.500 einzelne Bauteile wie Träger, Fachwerke und andere Strukturelemente verbaut, die zusammen 1.000 Tonnen Stahl auf die Waage bringen. Da kann vieles schiefgehen.

Um dem vorzubeugen, baute man die 200 Meter lange und 100 Meter hohe Struktur gerade mal in England zusammen und stellte sicher, dass alles passte, bevor man die – hoffentlich gut nummerierten – Einzelteile aufs Schiff verlud. Und noch etwas: Damit die Brücke dann auch genau zwischen die steilen Wände der Schlucht des Sambesi passte, musste man auch die Felswände in England nachbauen. Das waren ja keine glatten Betonplatten, sondern chaotische Steinformationen. Jeder Fehler würde hier viel Zeit und Geld kosten. Der Seeweg – und das war der einzige – von England nach Beira in Mozambique war 15.000 km lang, egal ob ums Kap der Guten Hoffnung oder den damals schon offenen Suezkanal. Und von Beira zur Baustelle waren es ja auch noch ein paar Tage.

Was konnten die damals?

Wie lange würde so ein Projekt heute dauern? Die tonnenschweren Stahlteile würden auch heute auf See transportiert, Formalitäten an den Grenzen brauchen ihre Zeit, und Kooperation mit den Auftragnehmern vor Ort wäre nicht einfach. Sicherheitsfreigaben durch den TÜV wären erforderlich sowie Abschätzungen der Einflüsse auf den Klimawandel. Wenn man die ersten Meinungen zur Reparatur der Carolabrücke zum Maßstab nimmt, dann würde man für den Brückenbau im Dschungel vielleicht 14 Jahre einplanen.

Tatsächlich dauerte der Bau 14 Monate, und die feierliche Eröffnung war am 12. September 1905. Irgendetwas konnten die damals also, was wir heute nicht mehr können, und das muss etwas sehr Wichtiges gewesen sein. Cecil Rhodes hat diesen Triumph nicht miterlebt, er war 1902 an Lungenentzündung verstorben. Aber er hat der Nachwelt dieses unumstritten ästhetische technische Monument hinterlassen. Eher umstritten ist sein historisches Erbe in Sachen Rhodesien und sein unternehmerischer Nachlass in Form der De Beers Diamond Company.

Auch sein Traum der Eisenbahn von „Cape to Cairo“ wurde nur in Teilen realisiert. Teile der Strecke sind aber heute noch in Betrieb. Wenn Sie ein Abenteuer suchen, dann gönnen Sie sich doch vielleicht eine Zugfahrt von Kapstadt nach Bulawayo – auf den Schienen von Cecil Rhodes.

 

Dr. Hans Hofmann-Reinecke studierte Physik in München und arbeitete danach 15 Jahre in kernphysikalischer Forschung. In den 1980er Jahren war er für die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) in Wien als Safeguards Inspektor tätig. Er lebt heute in Kapstadt. Dieser Artikel erscheint auch im Blog des Autors Think-AgainDer Bestseller Grün und Dumm, und andere seiner Bücher, sind bei Amazon erhältlich.

Foto: Percy M. Clark

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Leserpost

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W. Renner / 15.09.2024

Anno 1998 wurde in HongKong nach 7 Jahren Bauzeit ein Flughafen in Betrieb gestellt. Aber nicht auf freiem Feld. Aber nicht auf freiem Feld, es wurde dazu eine künstliche Insel in der Bucht erstellt, ein Tunnel durch und eine Brücke über über das Hafenbecken. Alles pünktlich und im Kostenplan. Der heisst aber nicht BER.

Wolfgang Richter / 14.09.2024

Zum Brückenkollaps in Dresden vermisse ich -überdeckt von reichtlich Medien-Hektik rund um die Bergung der im Wasser liegenden Teile, bevor das angekündigte Hochwasser ankommt- eine Aufarbeitung der Schuldfrage. Wenn es stimmt, daß seit—2021—mittels Begutachtung zumindest Zweifel an der Tragfähigkeit dieses von STRAßENBAHNEN des ÖPNV genutzten Brückenstrangs bestanden, müßten doch reichlich “Köpfe rollen” von den für die entsprechende Weiternutzung Verantwortlichen. Selbige haben doch zumindest bewußt fahrlässig Verletzung und Tod von Menschen inkauf genommen (ca. 15 Minuten vor dem Kollaps fuhr ja offenbar noch eine Bahn über diese Brücke) , was durchaus justiziabel sein dürfte. Und Verantwortung für das eigene Versagen auf üppig mit Steuergeld honorierten Bürostühlen zu übernehmen und schon mal unter reichlich “Kotau” den Abgang zu machen, ist ja hierzuland ohnehin aus der Mode gekommen.

Dietmar Herrmann / 14.09.2024

Eine political incorrecte Geschichte: Von der Auftragsvergabe des strahlgetriebenen Jagdflugzeugs Heinkel 162 bis zum Erstflug Ende 1944 vergingen 90 Tage, ganz ohne Digitaltechnik, dafür unter Bombenhagel. Geflogen werden sollte die Mühle von Hitlerjungen und schaffte noch Einsätze vor Kriegsende. Wenn man in modernen Zeiten für einen Kampfeinsatz einer seit Jahrzehnten produzierten F 16 jahrelange Pilotenschulungen und ebensolange Zeit zur Etablierung der Wartung braucht, ist der Vogel als Gamechanger in einem Krieg ungeeignet.

j.kunze / 14.09.2024

Ein Ingenieur erklärte mir die Geschichte mit dem Spannbeton aus den 60er und 70er Jahren. Dieser hat die Eigenschaft bei Überbelastung eines Tages ohne Ankündigung zu brechen. Die Brücken südlich des Elbtunnels müssen zurzeit ersetzt werden, weil sie eben jahrzehntelang durch rasante Zunahme des LKW-verkehrs fehlbelastet wurden. Die Vibrationen durch LKW sind auf Dauer Gift für diese Art Beton. Heutige Politiker dafür verantwortlich zu machen zeigt schlichtes Denken an.

Jochen Lindt / 14.09.2024

Unsere heutigen Brücken werden durch 40-Tonner LKW zerstört, deren ewig steigende Anzahl den Verkehsplanern der 70er unvorstellbar war.  Dazu kommen erschwerend die grünen Ideolog*/Inn/*en , für die Infrastruktur/Verkehr/Industrie reinste Teufelswerke sind.  Nicht zu vergessen der vollkommen verfaulte Beamtenapparat.

Harald Hotz / 14.09.2024

“Wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg.” - Problem bei uns ist nur, daß unsere Herrschaft keine positiven Ziele mehr hat, sie wollen nichts mehr aufbauen. Das ist praktisch, denn Abreißen ist einfacher. Praktisch auch, daß man zum Erreichen der Klimaziele nur abreißen, stillegen, sprengen muß. Das Zupflastern der Landschaft mit Solarpanelen, das Zustellen der Horizonte mit Windmühlen ist ingenieurtechnisch gesehen keine Großtat, sondern nur die Vernichtung von Kulturlandschaft und eine Sprengung der sicheren Energieversorgung. Unserer Regierung ist eben ein Abrißunternehmen, und das in jeder Hinsicht: Infrastruktur, Innere Sicherheit, Familie, Meinungsfreiheit, Kultur, Außenbeziehungen ... vielleicht ist das ja die “kreative Zerstörung”, die in ihren Augen der “Transformation” vorausgehen muß.- Ich schlage vor, wir transformieren demnächst mal die Herrschaften ins politische Nirgendwo außerhalb des Parlaments. - Liebe Brandenburger, ihr habt die Chance, dieser Ampel den Todesstoß zu versetzen und diese Agonie zu beenden. Wenn die Union nicht fähig und willens ist, ein Mißtrauensvotum im Parlament einzubringen, dann muß es der Wähler an der Wahlurne tun.

Horst Jungsbluth / 14.09.2024

In Berlin (wo sonst?) hat der Bau einer weniger als als 3 km langen Straßenbahnstecke, wo übigens zuvor schon zigTausende von Funkenkutschen entlanggebimmelt sind, mehr als 10 Jahre gedauert und dann wurde die Haltstelle vor dem Hauptbahnhof zunächst nur provisorisch errichtet, weil der Regierende Partymeister unbedingt vor seinem Abgang noch diese Strecke fertiggestellt haben wollte.  Die damalige selbsständige Landgemeinde Heiligensee -seit 1920 Teil des Bezirks Reinickendorf- hat den Bau einer fast 12 Km langen Straßenbahnstrecke 1912 von Tegel aus selbst in die Hand genommen, weil die Straßenbahngesellschaft die Weiterführung damals ablehnte, holte sich die Genehmigungen vom zuständigen Landkreis Niederbarmin und vom Forstamt in Potsdam, so dass bereits 1913 die ersten Straßenbahnen fröhlich nach Tegelort und Heiligensee “bimmeln” konnten.

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