Rainer Grell / 10.05.2020 / 16:00 / Foto: Henning Schlottmann / 51 / Seite ausdrucken

Das Corona-Papier: Hauptziel Schadensbegrenzung

Als jemand, der 35 Jahre in einem Ministerium gearbeitet hat, kann ich nur bestätigen, was Gunter Frank in seinem Beitrag "Das Corona-Papier: Wie das Innenministerium das Risiko heraufbeschwor" schreibt. Das Hauptproblem für einen qualifizierten Mitarbeiter in einem Ministerium ist, wie er sein Wissen nach oben bis hin zum Minister transportiert. Ich habe mich seinerzeit als Leitender Ministerialrat in Baden Würrtemberg in Sachen „Muslim-Test“ in einer Mail direkt an den Innenminister und den Ministerpräsidenten gewandt. Eine Reaktion habe ich nicht feststellen können, so dass bis zum Schluss offen war, ob er die Information nicht nur technisch, sondern realiter zur Kenntnis bekommen hat. Ich habe zwar in der seinerzeitigen wochenlangen Beratungsphase an jeder offiziellen Besprechung teilgenommen. Minister Heribert Rech hat sich aber nicht ein einziges Mal (positiv oder negativ) an mich, als den Hauptverantwortlichen, gewandt. Das Hauptziel war „Schadensbegrenzung“. Und bei Corona wird es ganz genau so laufen. 

Für jeden Juristen musste von Anfang an klar sein, dass hier schwere methodische Fehler gemacht werden. Deswegen habe ich bereits am 14. März 2020 in einem Kommentar auf der Achse geschrieben:

Die Schäden, die die jetzt getroffenen Maßnahmen verursachen werden, sind unabsehbar. Und zwar nicht nur in wirtschaftlicher Hinsicht, sondern für jeden einzelnen. Demgegenüber ist der Erfolg der rigorosen Eingriffe zweifelhaft. Außerdem sind die Maßnahmen nicht durchdacht, denn Ausnahmen sind zwingend erforderlich für 

  • Medizinisches Personal 
  • Betreuungspersonal in der Alten- und Behindertenpflege 
  • Personal im Sicherheitsbereich (Polizei und Feuerwehr), aber auch für 
  • Müllabfuhr 
  • Tankstellen 
  • Stromlieferanten 
  • Nahrungsmittelproduzenten 
  • Pharmafirmen 
  • und zahlreiche andere Bereiche (wie z.B. Supermärkte). 

Damit ist aber auch die Wirksamkeit der getroffenen Entscheidungen in Frage gestellt. Letztlich handelt es sich um einen unverantwortlichen Aktionismus, der demonstrieren soll, dass die politisch Verantwortlichen handlungsfähig sind. Wir sind gewöhnt, dass der Staat uns gegen jedwedes Risiko und alle denkbaren Gefährdungen schützt und das möglichst noch zum Nulltarif. Gleichzeitig wollen wir den Planeten retten (Klimakrise) und als Wohltäter der Menschheit auftreten (Flüchtlingskrise). Es liegt auf der Hand – für mich jedenfalls – dass eine solche Politik über kurz oder lang zum Scheitern verurteilt ist. Die dann eintretenden Konsequenzen werden selbst die schlimmsten Folgen der Corona-Krise ohne Gegenmaßnahmen übertreffen und irreversibel sein, jedenfalls auf sehr lange Zeit. 

Den Vogel hat die alternativlose Kanzlerin abgeschossen

Zur Klarstellung: Ich bin 78 Jahre alt und gehöre deshalb und wegen drei Chemo-Behandlungen zum Kreis der besonders Gefährdeten.

Den Beweis für diese Behauptung lieferte die Stuttgarter CDU-Abgeordnete Karin Maag in der Bundestags-Debatte am 25. März 2020: „Die Botschaft heißt: Wir sind in der Krise handlungsfähig.“ Den Vogel hat natürlich wieder die alternativlose Kanzlerin abgeschossen, die bekanntlich „vom Ende her denkt“ (leider nicht von ihrem eigenen Dienstende). Wortschöpfungen  wie „Öffnungsdiskussionsorgien“ und Sätze wie der folgende in ihrer Regierungserklärung am 23. April sichern ihr einen Platz in den Geschichtsbüchern: „Es ist grausam, wenn außer den Pflegekräften, die ihr Allerbestes tun, niemand da sein kann, wenn die Kräfte schwinden und ein Leben zu Ende geht.“ Doch damit niemand sie für eine herzlose Eiskönigin hält, betont sie gleich dreimal nacheinander: „Auch mich belastet es ...“, die erwähnte Grausamkeit sogar „ganz besonders“ – eine Formel, die wie „how dare you“ unvergesslich bleiben wird. Wieder einmal haben die PR-Leute ganze Arbeit geleistet. Und die Wissenschaftler waschen – wie immer – ihre Hände in Unschuld. Denn gehandelt haben die Politiker.

Ich bin überglücklich, dass es Leute wie Dr. Gunter Frank, Prof. Sucharit Bhakdi und all die anderen gibt, die auf Achgut.com schreiben. Enttäuscht bin ich dagegen, dass Persönlichkeiten wie Udo di Fabio, Rupert Scholz, Hans-Jürgen Papier und andere es nicht geschafft haben, eine namhafte Gruppe renommierter Staatsrechtler zu einem offenen Brief an die Kanzlerin zusammenzubringen, wie dies in Israel Isaac Ben-Israel  gemacht hat. 

Achgut.com hat das Corona-Papier am 12.05.2020 für alle Interessierten komplett zum Herunterladen bereitgestellt.

Foto: Henning Schlottmann CC BY-SA 3.0 de via Wikimedia Commons

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Dr. med. Christian Rapp / 10.05.2020

Im Januar war man Verschwörungstheoretiker und Panikmacher, als man gewarnt hat. Jetzt ist es umgekehrt. Es wird Zeit, dass sich diese Regierung ein neues Volk wählt.

Gilbert Brands / 10.05.2020

Anscheinend ist der betreffende Mitarbeiter, der das Gutachten eingeholt hat, der einzige, der sich an seinen Beamteneid erinnert, der auf die Verfassung geleistet wird und nicht auf eine Person wie Spahn, Merkel, Seehofer oder sonst wen. Meines Erachtens gebührt ihm dafür der Bundesverdienstorden. Derweil üben sich Staatsfunk und Qualitätsmedien in Ignoranz und schießen sich auf die Demonstranten ein, die samt und sonders Verschwörungstheoretiker sind (eigentlich Praktiker, denn sie sind auf der Straße). Anscheinend hat in der Merkel-Administration immer noch keiner was gemerkt. Was aber nicht verwunderlich ist, sitzen da doch “etliche Zentner fleischgewordene Dummheit” rum (Zitat frei nach Henrik Broder zu C.R.).

Stefan Riedel / 10.05.2020

“...Die Schäden, die die jetzt getroffenen Maßnahmen verursachen werden, sind unabsehbar….”. Trümmerlandschaften der Merkels& Co. ” Ist mir egal….”.

Thomas Brox / 10.05.2020

“Enttäuscht bin ich dagegen, dass Persönlichkeiten wie Udo di Fabio, Rupert Scholz, Hans-Jürgen Papier und andere es nicht geschafft haben, eine namhafte Gruppe renommierter Staatsrechtler zu einem offenen Brief an die Kanzlerin zusammenzubringen”. ++ Herr Rainer Grell, der Autor des Artikels, ist 74. Der Autor des ebenfalls profunden Blogs “gewaltenteilung.de” ist ein 76 jähriger Richter. Also ziemlich alte Männer (sie mögen es mir verzeihen) müssen uns über nicht ganz offensichtliche Fehler in der Staatsmaschinerie aufklären, siehe auch den Artikel von Rainer Grell “Wie lange noch wird unsere Geduld missbraucht?”. Und mein Hals wird richtig dick, wenn ich bedenke, dass zahllose hoch privilegierte Lehrstuhlinhaber, Verfassungsrichter und Bundesrichter nichts Substantielles zu sagen haben. Für was werden die eigentlich vom Steuerzahler bezahlt?

B. Ollo / 10.05.2020

Tut mir echt leid. Sowohl der Artikel von Herrn Frank und dieser sind völlig substanzlos. Auch Ursache und Wirkung wird völlig verkannt. Man kann der Regierung mit Fug und Recht vorwerfen, zu spät reagiert zu haben, die Grenzen nicht geschlossen zu haben. Aber Kontaktbeschränkungen waren deshalb richtig und wichtig. Im Übrigen gab es “Berufsverbote” nur in den Bereichen mit Kundenkontakt, vor allem Handel, Gastronomie und direkte Dienstleistungen. Die Automobilbranche war wegen der weltweiten Lockdowns, vor allem China, sowieso vom Nachschub der Lieferketten abgeschnitten. Ein Produktionsverbot gab es zunächst gar nicht. So haben auch viele Firmen, vom Handwerker bis Industrie, sofern es keine Lieferprobleme gab, weitergearbeitet. VON EINEM VÖLLIGEN oder auch NUR HABLEN Lockdown kann gar nicht die Rede sein. Zweitens sieht man in Schweden, wo die Neuinfektionen fast in gleicher Zahl wie in aktuell in Deutschland sind, wo nichts von selbst zurückging, wo die Leute dennoch teilweise Kontakte meiden, dass die Hälfte der zitierten Experten einschließlich dem Prof. aus Israel absolut Unsinn erzählen. Es geht nicht von allein zurück. DAS PROBLEM DABEI ist, dass egal wie stark die Einschränkungen für eine längere Zeit waren, die Leute irgendwann die leichteren Maßnahmen (Masken, Hygiene, Abstand) nicht mehr beachten werden. Ob in Spanien, Deutschland oder Schweden. Sie werden nachlässiger werden. UND DAS IST DER ZEITPUNKT, WO ES EINE ROLLE SPIELT, WIE VIELE AKTUELL INFIZIERTE ES GIBT (pro Tausend oder 100 000 Einwohner). Dann, wenn die Leute wieder im viel zu vollen Restaurant sitzen und alle meinen, “Was soll schon passieren?”. Das sind die kommenden Ischgl-Momente. Dann steht Österreich oder Norwegen aktuell gut da, ganz sicher aber nicht Schweden. Bei Deutschland ist das regional sehr unterschiedlich.

Andi Nöhren / 10.05.2020

Das Versagen der Politiker hat natürlich sehr viel damit zu tun, dass die Leute niemals Verantwortung (außer verbal = BlaBla) für die Schäden übernehmen müssen, die sie durch fahrlässiges Verhalten, fahrlässige Entscheidungen verursachten. Verantwortung übernehmen bedeutet doch, im Schadensfall für den schuldhaft verursachten Schaden haften zu müssen. Politiker sind damit in der Realität grundsätzlich verantwortungslos. Eine ganz komfortable Sache. Deshalb können sie auch bedenkenlos jeden Schwachsinn fabrizieren, es bleibt völlig schmerzlos für sie.

Peter Sticherling / 10.05.2020

Dass Seehofer Innenminister ist , Spahn Gesundheitsminister und Merkel Kanzlerin,  ist die Katastrophe schlechthin. Diese Personen sind schlimmer und für Deutschland verhängnisvoller als das Coronavirus.

Frank Holdergrün / 10.05.2020

Das erste und wichtigste am Morgen ist für jeden Minister die Presselage: steht was Positives über ihn/sie drin oder nicht. Alle Schäden, die den eigenen Heiligenschein trüben könnten, müssen vermieden werden. Die Kungelei zwischen Presse und Regierung/Minister, sie muss nach der Corona-Peinlichkeit dringend auf den Prüfstand. Leute wie der ARD Chefredakteur Rainald Becker sind nicht mehr tragbar, seine Kommentare krächzen schlimmer als Wochenschauen.

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