Chaim Noll / 19.01.2021 / 12:00 / Foto: Freud / 95 / Seite ausdrucken

Das Corona-Komitee tagt – und die Sprache der DDR ist zurück

Am 17. Januar berichtete die Bild-Zeitung über einen großangelegten Polizei-Einsatz in Berlin, der nicht einem kriminellen Delikt oder Unglücksfall galt, sondern einer Hochzeit. Diese wurde von der Polizei aufgelöst, nach Eingang der telefonischen Anzeige eines Nachbarn, er hätte aus einer Wohnung in der Badstraße in Berlin-Wedding Stimmengewirr gehört – ein Verdacht, der den Aufmarsch eines, wie die Zeitung schreibt, „Großaufgebots“ Polizei rechtfertigt.

Den Teilnehmern der Hochzeitsfeier drohen außerdem, wie die Zeitung mitteilt „laut dem Bußgeldkatalog zur Ahndung von Verstößen im Bereich des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) in Verbindung mit der SARS-CoV-2-Infektionsschutzmaßnahmenverordnung in Berlin empfindliche Bußgelder“, die von der Zeitung genüsslich aufgelistet werden:

„Fehlende Mund-Nasen-Bedeckungen können im Rahmen von 50 bis 500 Euro sanktioniert werden.

Unvollständige Anwesenheitsdokumentation zwischen 50 und 10 000 Euro

Nichtvorlage eines Hygienekonzepts 250 bis 5000 Euro

Singen in geschlossenen Räumen zwischen 25 und 500 Euro

Nichtgewährleistung der Einhaltung der zulässigen Teilnehmerzahl von 1000 bis 15 000 Euro“

Später glaubt niemand mehr, dass es das gab

Dieser staatliche Bußgeld-Katalog soll hier dokumentiert werden. Er überliefert unseren Nachkommen den Irrsinn dieser Tage. Der, sobald es vorüber ist, möglichst schnell vergessen und verdrängt werden wird, wie wir mehrfach nach totalitären Entgleisungen erlebt haben. Ich räume ein, dass ich mich als Laie gründlich irren kann, dass sich Corona tatsächlich noch als die verheerende, an die mittelalterliche Pest erinnernde „Pandemie“ erweisen kann, die seit einem Jahr beschworen wird, wenn sie auch bisher eine Infektionskrankheit in Grippe-Dimensionen geblieben ist. Was mich wirklich schockiert, ist die Sprache.

Etwa ein alptraumhaftes Unwort wie „Infektionsschutzmaßnahmenverordnung“, das ein vernunftbegabter Mensch, so erschreckend die „Pandemie“ auch immer sein mag, einfach seiner Sprache nicht zumuten darf. Von dem ich bezweifle, dass es in einer anderen Sprache überhaupt vorstellbar ist. Und eigentlich auch nicht in der deutschen. Ebenso soll die Vokabel „Unvollständige Anwesenheitsdokumentation“ ihrerseits dokumentiert werden – sonst glaubt in zehn Jahren niemand mehr, dass es derlei gab und dass es bis zehntausend Euro Strafe nach sich ziehen konnte. Eine Summe, die für manchen verarmten Deutschen ein Jahreseinkommen sein kann. Und wahnhafte Wortverkettungen wie „Nichtgewährleistung der Einhaltung der zulässigen Teilnehmerzahl“ hörte und las ich zuletzt in meiner Jugend. Es ist die Sprache der DDR. Des deutschen Totalitarismus.

Er ist – zumindest sprachlich – durch die Hintertür wieder zurück. Durch die Hintertür übergroßer Menschenliebe. Manches scheint mir sogar verschärfter als zu DDR-Zeiten, zum Beispiel das Verbot, „in geschlossenen Räumen“ zu singen. In der DDR war nur das Singen verbotener Lieder strafbar, nicht das Singen schlechthin. Gesungen wurde sogar in DDR-Haftanstalten, es war, wie ehemalige politische Häftlinge in ihren Erinnerungen beschrieben haben, ein Mittel der Kommunikation. Des gegenseitigen Beistands und Trostes. Heute, in der freiheitlichen Bundesrepublik, im rot-grünen Berlin, eine strafbare Handlung, anzeigepflichtig, zu ahnden mit Bußgeldern bis fünfhundert Euro.

Finanziell hat sich der „Großeinsatz“ für den ewig klammen Berliner Senat gelohnt: „Die Polizei teilte am Sonntagvormittag zunächst nur mit“, berichtet die Bild-Zeitung, „dass 56 Verstöße gegen das Infektionsschutzgesetz festgestellt und entsprechende Anzeigen gefertigt wurden.“ Unter ihnen ist mit Sicherheit die bis zu fünfzehntausend Euro Strafe veranlagte „Nichtgewährleistung der Einhaltung der zulässigen Teilnehmerzahl“. Daher hat die Polizei „die Menschen aufgefordert, sich in ihre Wohnungen zu begeben“, wie ein Polizeisprecher der Bild-Zeitung mitteilte. „Hier haben sich deutlich mehr Menschen getroffen als nur aus einem fremden Haushalt.“

Hand aufs Herz: Es handelt sich offenbar um „Menschen“ mit Migrationshintergrund. Nicht nur die Fotos in der Bild-Zeitung legen es nahe, auch die Frage: Wer würde angesichts dieser Gesetzeslage in einer einschlägig bekannten Gegend, Berlin-Wedding, nahe Bahnhof Gesundbrunnen, sonst noch wagen, in einer Wohnung laut zu singen? „Ihr Hochzeitstag“, resümieren die zum Schauplatz entsandten Reporter der Bild-Zeitung hämisch, „wird ihnen wohl wirklich für alle Zeit in Erinnerung bleiben. Vor allem, weil die Feier deutlich teurer als zunächst gedacht ausfallen dürfte...“

Diese Schadenfreude kann ich nicht teilen. Ich bekenne hiermit meine Sympathie für die Singenden. Für das straffällige Hochzeitspaar und die „deutlich mehr Menschen als nur aus einem fremden Haushalt“, die sich ihm zuliebe versammeln wollten. Ihre Hochzeit war ihnen wichtiger als der vom Wahnsinn diktierte Bußgeld-Katalog des Berliner Senats. Vielleicht haben sie ihn, jung und aus der Fremde kommend, angesichts der DDR-Sprache, ihn dem er abgefasst ist, gar nicht verstanden. Auch das kann ich ihnen nicht verübeln.

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Frances Johnson / 19.01.2021

Nun ist diese Hochzeit in Zeiten, wo keine Schule ist, nicht so ein großes Problem. Wären allerdings Mitarbeiter von KH und Seniorenresidenzen dabei, müsste ihnen auferlegt werden, wie Reisende fünf Tage in Q zu gehen, dann Test, und da sie freiwillig bei der Hochzeit sind, müsste das von ihren Urlaubstagen abgezogen werden. Nicht unähnlich verhält es sich bei Mitarbeitern von Schlachthöfen, und jetzt kommen wir in Teufels Küche. Was ist mit Mitarbeitern von Energieversorgungen, die in Wohnungen Strom und Heizung ablesen? Mitarbeitern in Arzt-, Zahnarzt- oder Tierarztpraxen? In Supermärkten?  Usw. Rein theoretisch könnten Feiern ohne weiteres abgehalten werden, wenn danach jeder fünf Tage quarantänierte und dann getestet würde, oder? Wir haben leider in jedem Bereich den Link zum Nächsten und seinen potentiellen Zugang zu Älteren oder Vorerkrankten. Theoretisch könnte man daher alles machen lassen, wenn man zielgerichtet, vor allem in KH und Heimen sowie in Schlachthöfen, jeden zweiten Tag, am WE nicht, also dreimal die Woche, testet. Sonst ist niemand signifikant gefährdet, derzeit auch nicht die Lehrer. Statt, wie manche träumen, alles downzushutten, könnte man auch das Meiste aufmachen und an sensiblen Stellen genügend Tests einsetzen. Fertig. Wir hätten ähnliche Zahlen, aber vielleicht nicht so viele Todesfälle. Denn diese eine Hochzeit ist sicher nur der Teil des Eisbergs, der über Wasser auffällt. Und Gott sei Dank ist dagegen kein Kraut gewachsen, sondern die politischen Maßnahmen sind so falsch, wie sie nur sein können. Zusätzlich ist Herr Mengele wieder auferstanden und macht einen Impfversuch an Pflegefällen ohne Immunität, statt dass man mit willigen Vorerkrankten anfängt, die noch mobil sind. Wir lernen es nicht. Und daher weiß man wenigstens, wie Hitler und die Folgen mit Unterstützung eines blöden Volks möglich wurden. Mit Goethe hat das nichts zu tun. Land der Dichter? Hahahaha. Land der Doofen.

Georg Dobler / 19.01.2021

Ja, in so einem Fall auch von mir Sympathien für die Feiernden, da es sich ja offenbar um friedliche Leute handelt, die die Polizisten nicht attackiert haben. Diese Großfamilien sind ja seit Monaten im Total-Dilemma. Einerseits ist dieses Verbot des Zusammentreffens für sie total fremd und schwer verträglich, andererseits wollen sie nicht gegen die migrationsfreundliche Kanzlerin aufmucken und halten erstaunlich still. Die Berliner Bußgeldbehörde, ich weiß nicht wie die drauf sind, was die da ansetzen, ist noch Kohle aus Bayern da? Es sollte halt im Rahmen bleiben, nicht dass wieder eine Goldmünze wegkommt. Ok, das war jetzt böse.

M.-A. Schneider / 19.01.2021

Sie haben Recht, Herr Noll, dank unserer in der DDR sozialisierten Kanzlerin und ihrer treuen Gefolgsleute auch aus dieser alten Zeit werden die damals gebräuchlichen Sprechweisen ähnlich häufig eingesetzt wie Begriffe aus dem Strafrecht wie z. B. die “Lockerungen”, von denen der Bürger z. Zt.nur träumen kann, denn sie laut einzufordern kommt auch schon einem strafrechtlich relevanten Verbrechen gleich.

Jürgen Althoff / 19.01.2021

Es wird Zeit, das “Wörterbuch des Unmenschen” wieder hervorzuholen.

Uta Buhr / 19.01.2021

Lieber Autor, ich bin zwar nicht wie Sie im Arbeiter- und Bauernparadies aufgewachsen und somit nicht mit dem Brachialsprech der DDR in Berührung gekommen, weiß aber von meinen Eltern, dass die lingua tertii imperii Sprachentgleisungen der schlimmsten Art enthielt. Die neuesten Schöpfungen hierzulande - angefangen bei Maasmännchens Netz DG - geben die Richtung an. Orwells Neusprech grüßt aus der Gruft. Falls diese sogenannte Pandemie wirklich einmal überwunden werden sollte, muss ich mir unbedingt ein neues Land suchen, denn dieses Deutschland, in dem wir laut Befehl der Despotin aus Templin gut und gern zu leben haben, ist nicht mehr mein Land. Meine Frage an Sie, lieber Herr Noll: Ist bei Ihnen auf der Westbank noch ein Plätzchen für mich frei? Ich helfe gern bei der Zitronenernte im Gelobten Land. Und über ein paar weitere Fertigkeiten verfüge ich auch noch. Ich bitte um Nachricht…

giesemann gerhard / 19.01.2021

Hoffentlich handelt es sich nicht um eine Kinderehe. Aber halt, das ist ja nicht strafbär. Nur Kritik daran, die kostet - 20.000,00 Euro. Amtsgericht München, AZ: 824 Cs 112 Js 101229/18(2) vom 04.09.2018. Gut, das war vor Corona. Das wirkt strafverschärfend. Marshallah!

Bernhard Freiling / 19.01.2021

Ist einfach nur irre, was hier abläuft oder ist das nur der Anfang? Haben Sie schon mal erlebt, daß ein Gesetz zurück genommen wurde? Ist mir jetzt nicht wirklich erinnerlich. Na ja, nicht so ganz. Das Bundesland Hessen brauchte aber bis zum Jahr 2018 um die Todesstrafe aus dessen Verfassung zu streichen. Die Sektsteuer, eingeführt 1902 zur Finanzierung der Kriegsmarine, erfreut heute noch den Finanzminister. Ich denke mal, dem Bußgeld wegen “lauten Singens” wird ein langes Leben beschieden sein. ++ Morgen werden die Weichen gestellt, auf daß die USA unter ihrem neuen Präsidenten in die Arme der woken Klimaretter-Staaten zurück kehren können. M. E. wird eine von Bidens frühen Amtshandlungen die Anerkennung des Pariser Klimaschutzprotokolls sein. Etwas, das Trump stets abgelehnt hatte. Ob Biden dann in den weltweiten Wettbewerb, wer Corona am besten “ausrotten” kann, eintritt? Zu befürchten ist es. ++ Nicht wundern, wenn ich Corona und Klima hier in einem Atemzug nenne. Meiner Meinung nach sind die ursächlich miteinander verbunden. Drum werden wir Corona so ohne weiteres auch nicht wieder los. Ohne die Klimakirche gäbe es diesen Coronahype nicht. Da wäre das nur eine simple Grippe, von der die Welt alljährlich von Neuem heimgesucht wird und eigentlich nicht der Rede, oder allenfalls einer Randnotiz, wert.

Michael Palusch / 19.01.2021

“...scheint mir sogar verschärfter als zu DDR-Zeiten,...”, nicht “scheint” Herr Noll, ist, ist! Was derzeit läuft konnte und wollte ich mir, selbst als ehemaliger DDR-Bürger, bis März 2020 nicht vorstellen. Als da wären: Willkürliche Exekutiventscheidungen nach völlig intransparenten “Beratungen” in den Hinterzimmern der Macht. Wohlwollende Berücksichtigung, gern auch vorauseilend, des Wunsches der Prima inter pares. De facto anlasslose Berufsverbote für Millionen. Renaissance der vereinheitlichten Meinung. Denunziation und Bespitzelung feiern fröhliche Urstände. Argwohn und Missgunst machen sich breit. Etc., etc..

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