Johannes Eisleben / 09.03.2021 / 06:00 / Foto: Pixabay / 62 / Seite ausdrucken

Das Armuts-Beschaffungs-Programm

Die Erosion der Ersparnisse durch reale Negativzinsen währt nun seit mehr als zehn Jahren, deutsche Sparer haben dadurch schon hunderte von Milliarden an Alterssicherung verloren. Doch nun beschleunigt sich scheinbar die Geldentwertung, so dass nicht nur Ersparnisse leiden, sondern das monatliche Einkommen an Kaufkraft verliert. Woran kann man das ablesen?

Im Jahr 2020 ist die „Geldmenge M3" in der Eurozone gegenüber 2019 um 12 Prozent auf etwa 14.500 Milliarden (14,5 Billionen) angewachsen; der deutsche Anteil daran lag bei knapp 24 Prozent (3,46 Billionen). Vor der Finanzkrise (2007) lag die Euro-M3 bei 8.600 Milliarden, sie wuchs dann im Rahmen der Überwindung der Schuldenkrise durch noch mehr Schulden und Gelddrucken bis 2016 auf gut 11 Billionen an, von 2018 auf 2019 betrug das Wachstum 5 Prozent. Die Geldmenge M3 gibt an, wieviel Bargeld, Sichteinlagen (i.W. Girokonten und Taggeldkonten), kurzfristige Einlagen und Anlagen mit einer Laufzeit von unter 2 Jahren im Finanzsystem vorhanden sind. Daher kann die Geldmenge M3 als Indikator für das inflationäre Potenzial des zirkulierenden Geldes genutzt werden, insbesondere, wenn man sie mit dem Wirtschaftswachstum vergleicht.

Von 2008 bis 2019 ist das BIP (die Menge der Waren, Güter und Dienstleistungen) in der Eurozone um knapp 30 Prozent gewachsen, M3 aber um knapp 40 Prozent. 2020 sank es um 5–6 Prozent (die endgültigen Zahlen liegen noch nicht vor), doch wuchs M3 um 12 Prozent. Durch diese Schere entsteht ein hohes inflationäres Potenzial. Das Wachstum der Geldmenge ist derzeit vor allem auf das Gelddrucken des Staates zur monetären Finanzierung der Staatsschulden zurückzuführen. Die Schulden werden gemacht, um „Helikoptergeld" zu verteilen: Steuererleichterungen, Kurzarbeitergeld und Corona-Hilfen für Unternehmen und Selbstständige.

Wie die Bundesbank jüngst berichtete, sind die Verbraucherpreise im Januar im Vergleich zum gleichen Monat im Vorjahr um 1,6 Prozent gestiegen, was bedeutete, dass der massive Anstieg der Geldmenge im Vergleich zur Menge der Waren und Dienstleistungen sich nun in einer spürbaren Geldentwertung niederschlägt. Wird dies bereits zu einer inflationären Spirale mit rapider Geldentwertung führen? Kommt es nun bald zu einem Zinsanstieg? Wie schlimm wird die Krise?

Bald deutlich mehr Insolvenzen und mehr Arbeitslose

Die ersten Fragen sind zu verneinen. Zwar wird es bei den unvermeidlichen Lockerungen der COVID-Restriktionen in den nächsten Monaten zu Nachholbestellungen kommen. Denn weil Konsumenten bei bestimmten Gütern die Onlinebestellung scheuen, haben sich Bedürfnisse aufgestaut. Wenn viele dann gleichzeitig versuchen, die Güter zu kaufen, kommt es zu einer relativen Verknappung des Angebots und zu Preisanstiegen. Doch wird dies ein Einmaleffekt sein, denn dann wird die Wirtschaftskrise, in der wir uns befinden, die Inflation dämpfen.

2020 gab es in Deutschland nur 16.300 Unternehmensinsolvenzen, halb so viele wie 2009 auf dem Höhepunkt der letzten globalen Krise. Doch weist der Rückgang der Wirtschaftsleistung, den wir letztes Jahr hatten, und die Anzahl der Kurzarbeiter und Arbeitslosen darauf hin, dass wir bald deutlich mehr Insolvenzen und mehr Arbeitslose zu erwarten haben: Die Wirtschaftsleistung ging um etwa 5 Prozent zurück, zwischen März und September 2020 waren bei ca. 44 Millionen Erwerbstätigen jederzeit mehr als 2 Millionen Menschen in Kurzarbeit (auf dem Höhepunkt 6 Millonen), derzeit sind es 2 Millionen mehr als zum selben Zeitpunkt im Vorjahr.

Kurzarbeiter haben weniger Einkommen als reguläre Erwerbstätige, Arbeitslose noch deutlich weniger. In den nächsten Monaten wird sich der Insolvenzstau lösen, und wir werden mehr Insolvenzen bekommen – aus der Zeitreihe ergibt sich ein Stau von vielleicht 25.000 bis 50.000 Insolvenzen, es könnten aber auch fünf- bis zehnmal mehr werden, da wir 2020 durch den Lockdown und den bereits vor Corona einsetzenden Rückgang der Konjunktur eine Menge Sondereffekte haben, die die Insolvenzrate gegenüber der Zeitreihe steigern dürfte.

Das wird auch inflationsmindernd wirken: Viele Menschen werden weniger Einkommen zur Verfügung haben und deswegen weniger nachfragen, was die Preise drosseln wird. Erst recht aber werden die Geldhorte, in denen sich das gedruckte Geld derzeit staut, noch eine Weile verschlossen bleiben, die Geldhorter werden das Geld nicht in den Umlauf bringen, weil sie sich davon eine noch schlechtere Rendite erwarten als wenn sie darauf sitzen bleiben.

Einzig bei den Immobilien, Aktien und anderen Vermögenswerten haben wir bereits eine massive Inflation, doch die betrifft die meisten Menschen nicht, weil sie entweder so gut wie nichts oder nur das selbst bewohnte Eigenheim haben, das sie nicht veräußern können. Daher wird es zunächst nicht zu einer rapiden Geldentwertung kommen, sondern lediglich zu einer automatischen Umverteilung des Eigentums von unten nach oben durch die starke Realgüterinflation. Für junge Menschen wird es immer schwieriger, sich ein Eigenheim zu leisten, die Lebensversicherungen und Renten schmelzen unter den Negativzinsen einfach weg, während die oberen 1 bis 2 Prozent der Eigentumspyramide durch das Gelddrucken automatisch immer reicher werden, da ihr Anlagevermögen einer Preissteigerung unterworfen ist.

Eine Zinserhöhung kann sich die Eurozone nicht leisten

Selbstverständlich wird das auf mittlere Sicht auch nicht besser werden, denn eine Zinserhöhung kann sich die Eurozone nicht leisten. Erstens, weil die Staaten so verschuldet sind, dass die Zinslast dann sofort erdrückend würde. Die EZB müsste dann immer mehr Geld drucken, um damit die Staatsanleihen aufzukaufen, die zu steigenden Zinsen emittiert würden, um die alten Zinsen zu zahlen oder auslaufende Anleihen zu ersetzen und Neuschulden zu machen. Zweitens, weil ein Zinsanstieg den Euro im Verhältnis zum Dollar, dem Schweizer Franken, dem Sterling, dem Yen und dem Renminbi stärken und damit Exporte erschweren würde. Im internationalen Abwertungswettlauf wäre die Eurozone dann der Verlierer. Daher wird die Entwertung von Ersparnissen und Renten und die Aufwertung von Realgütern noch weitergehen, die Eigentumszweiteilung der Gesellschaft wird sich weiter verschärfen, bis den oberen ein Prozent bis auf Wohneigentum alles gehört.

Wie schlimm wird die Krise? Wir befinden uns selbstverständlich bereits in einer globalen Konjunkturkrise. Wie schlimm diese Krise wird, kann man schwer sagen, die Frage ist vor allem auch, was eigentlich "schlimm" ist. Bereits die letzte Krise hat die Zuspitzung der Eigentumspyramide sehr verschärft. Das ist sehr schlimm, weil ohne Mittelstand mit relativ breiter Verteilung des Eigentums auf die oberen 15 Prozent Machtkontrolle und Rechtsstaatlichkeit leiden, wenn ihre Träger verschwinden.

Wir sehen bereits heute die Symptome einer solchen Entwicklung, das Rückgrat der bürgerlichen Gesellschaft wird schwächer. Die der Regierung zujubelnden Wissenschaftler und Journalisten können sich eine Abweichung von der herrschenden Meinung nicht leisten. Abweichler werden sofort bestraft, Achgut.com berichtet darüber laufend. Das Bürgertum ist insgesamt ziemlich stumm, es ist eindeutig in der Defensive, auch wenn viele die Hand in der Tasche zur Faust ballen.

Noch schlimmer würde es, wenn es aufgrund der Krise zu echten Engpässen bei der Grundversorgung mit Kleidung, Behausung, Lebensmitteln und medizinischer Versorgung käme. Wird es dazu bald kommen? Wahrscheinlich nicht. Der Geldsozialismus, unter dem wir leben, ist auf Verbrauch der vorhandenen Ressourcen angelegt, er kann kein natürliches Wirtschaftswachstum und damit keine Wohlstandszuwachs für alle hervorbringen, sondern nur verbrauchen und umverteilen (nach oben).

Die Innovationskraft der Wirtschaft nimmt seit Jahrzehnten ab, seit 10 Jahren stagniert sie. Doch die etablierten Produktionskapazitäten der Weltwirtschaft sind groß, die durch Misswirtschaft verschleißbare Infrastruktur ist sehr tief und breit angelegt, sie zerfällt in Zeitlupe – man sieht es an unseren Straßen oder Krankenhäusern. Die Zentralbank kann durch Gelddrucken oder schlimmstenfalls durch Umstieg auf staatliches Vollgeld (de facto einer Abschaffung des privaten Bankwesens) das Finanzsystem beliebig lange retten.

Wenn es nicht aus politischen Gründen zu inner- oder zwischenstaatlichen bewaffneten Konflikten kommt, kann die wirtschaftliche Zeitlupenkrise sich noch lange hinziehen. Echte Heilung brächte nur eine fundamentale marktwirtschaftliche Reform des Finanzsystems mit einer Abwendung vom Fiktivgeld und einer Rückkehr zu privaten, konkurrierenden Realwährungen in Kombination mit einer Abschaffung des toxischen Teilreservesystems. Doch das ist nur ein liberaler Traum, denn Politiker werden das niemals mitmachen, denn dann verlören sie einen sehr wichtigen Mechanismus zur Ausübung von Macht: die Kontrolle über die Geldmenge.

Derzeit aber weiten sie nicht nur die Geldmenge, sondern auch die Herrschaft beständig aus, Grundrechte spielen keine Rolle mehr. Die Versorgungskrise kann warten.

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Katja Bauder / 09.03.2021

“Der Geldsozialismus, unter dem wir leben, ist auf Verbrauch der vorhandenen Ressourcen angelegt, er kann kein natürliches Wirtschaftswachstum und damit keinen Wohlstandszuwachs für alle hervorbringen, sondern nur verbrauchen und umverteilen (nach oben).” - Wie erklärt man das dem Michel???

Joerg Haerter / 09.03.2021

Die erste und direkte Preiserhöhung hat jeder, der tanken muss, am 1.1. erlebt. Jetzt sind die Stahlpreise um 12% gestiegen, was z.B. bei einem mir bekannten Schraubenhändler sofort auf die Preise umgelegt wurde. Und dass ist noch nicht das Ende der Fahnenstange.  Es werden alle Preise steigen. Der EU sei dank. Weniger Bretto vom Nutto! Venceremos!

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