Ein schönes Bild! Ich bin angerührt und erschüttert, über diese Abgründe in der Persönlichkeit. Auch wenn man schon von „außen“ bemerken konnte, dass er schon ein sehr eigener Kopf oder besser noch „Dickschädel“ war. Ich habe Wiglaf Droste seit langem sehr geschätzt, anfangs für seine TAZ Wahrheit Texte. Immer sofort zuerst gelesen und ein Grund seinerzeit die Zeitung zu abonnieren. Das Regal steht voll mit seinen Werken. Seine Lesungen mit Harry Rowohlt, Vincent Klink, hier in Dortmund mit Fritz Eckenga! Seine Hymnen auf die Borussia! Das Spardosen Terzett, sein Singen! Der Häuptling hat mich in die Wielandshöhe und zu vielen anderen Genüssen gebracht. Vieles von dem was er schrieb, klang für mich immer nach einem lustvoll gelebten Leben… Aber: Das alles bleibt und ist wirklich einzigartig und ich werde mich ganz sicher noch oft dran erfreuen!
Meine bleibende Erinnerung an Wiglaf Droste ist ein taz-Artikel von 2006, zum verlorenen WM-Spiel Deutschlands gegen Italien. Machen Sie sich, liebe Foristen, Ihr eigenes Bild. Ich zitiere: “So angenehm leise wie am späten Abend des 4. Juli 2006 war es in Deutschland seit Wochen nicht gewesen. Kein hupiger Autokorso nervte, kein Geschrei, und die erigierten Schwarzrotgoldfahnen, peinlicher Potenzersatz für schlappe deutsche Männer, (...) Das Matussek’sche, simulationspatriotische Fußballdeutschland bekam seine Grenzen gezeigt. Das war überfällig, richtig und gut. (...) Lukas Podolski, einer der dümmsten Deutschen, die je lebten, wird seinen Landsleuten zwar weiterhin das Idol bleiben, zu dem sie hinabwollen – er darf sich für dieses nationale Verdienst aber immerhin nicht Weltmeister nennen. (...) Mein Dank geht an Alessandro Del Piero, einen italienischen Fußballspieler, den ich seit langem verehre und bewundere. Dass er am 4. Juli 2006 im WM-Halbfinale mit seinem Treffer zum 2:0 die Niederlage der Großklappendeutschen besiegelte, war das I-Tüpfelchen einer hoch respektablen Karriere. (...) Im Januar 2006 kaufte ich in Palermo ein Trikot von Alessandro Del Piero (...) Es ist ein Symbol für das Zurückdrängen des Neandertalers, der allem Deutschem innewohnt.”
Droste war wohl ein besonders symptomatischer Fall von jemandem aus dem Öko linken Milieu, dem dessen Wiedersprüche und Lächerlichkeiten zwar Material für seine feinsinnigen , sprachlich virtuosen und sehr sehr lustigen Entlarvungen gegeben haben, für diese aber auf keinen Fall dieses Milieu verlassen konnte, ohne alles in Frage zu stellen. Ob seine Alkoholsucht damit korrespondierte, weiß man nicht, verhindert hat sie diese jedenfalls nicht. Schade um einen außergewöhnlichen Künstler, der viel zu wenig Beachtung fand, während Dünnbretthumoristen Hallen füllen und öffentlich Rechtliche Gucker in den Schlaf kalauern.
Oh, ja. Eiapopeia mit Negern. Trefflicher geht es kaum. Ansonsten habe ich leider wenig bis Garnichts mitbekommen. Nur die Todesnachricht. Seltsam, dass man sie in unseren Haltungsmedien verbreitet hat. Wohl weil man sich nicht mehr an seine passenden Texte erinnern konnte oder wollte.
Nachruf an einen Toten der nicht wusste ob er links oder rechts oder beides zugleich. Ja es gab schwere Kost mit spitzer Feder und ein unbändiger Hass auf sich und deutsch sein. Auszug Titanic 11/1991: “Das deutsche Volk hat die moralische Verpflichtung auszusterben und zwar subito. Historisch aber muss eine Gerechtigkeit erzwungen werden und wenn so zirka 100 Millionen Asylanten, egal, wie arm,krank und kriminell sie sein mögen, aufgenommen und gleichwertig behandelt worden sind ... Sie die Deutschen gehören deportiert, an die den dunkelsten, kältesten und elenden Ort, der sich in diesem Universum finden läßt”
Lieber Herr Senn, ich denke, ich habe seine Krankheit nicht feil geboten. Wenn Sie Nachrufe aus dem linken Millieu vergleichen, so den in der Jungen Welt, können Sie erkennen, dass ich mich auf das Nötige beschränkt habe. Wie wollte man Droste gerecht werden, ohne seine Sucht zu benennen? Ich habe zudem weder ihm gegenüber noch für mich selbst jemals darüber gerichtet. Er war stets als Gast willkommen. Es war mit ihm, wie es war, und so lange ich selbst davon nicht berührt wurde, war es mir, nein, nicht egal, aber doch nachvollziehbar und hinzunehmen. Zudem konnte er auch noch nach zwei Flaschen Châteauneuf einen astreinen Text über vergammelte Muscheln mit labbrigen Fritten schreiben.
Wenn einem ein verkrachter Freund oder ein liebgewordener Feind solch einen Abschiedsbrief schreibt, dann kann man im Leben nicht Alles falsch gemacht haben. Sid tibi terra levis.
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