Archi W. Bechlenberg / 22.07.2018 / 06:15 / 5 / Seite ausdrucken

Das Antidepressivum: Traumtagebuch

Angeregt durch Leserzuschriften habe ich in der ablaufenden Woche jeden Morgen meinen nächtlichen Traum notiert, manchmal auch schon mitten in der Nacht, damit ich auch ja nichts vergesse. Im Folgenden nun das Ergebnis. Wie Sie sehen werden, zeigt sich eine eindeutige Tendenz: Manchmal werden die Träume vom Tagesgeschehen beeinflusst, manchmal auch überhaupt nicht.

Sonntag auf Montag

Ich nehme aus karitativen Gründen an einem Halbmarathon teil. Nach etwa der halben Strecke durchzuckt mich ein stechender Schmerz hüftabwärts bis in den linken Fuß. Ischias! Milliarden Menschen schauen weltweit über Satellit und Internet zu. „Leute, ich kann nicht mehr!“ murmel ich in das Kopfmikrofon, über das ich mit meinen Betreuern verbunden bin. Sogleich gesellen sich zwei der anderen Läufer zu mir. „Ischias,“ entfährt mir, während ich taumelnd versuche, die Laufrichtung beizubehalten „wenn das rauskommt, bin ich erledigt!“

„Wir könnten sagen, Sie hatten einen Hexenschuss!“ flüstert mir Adjutant Schlobotty zu, während Attaché Rabunke „Lumbago!“ vorschlägt. „Unmöglich“ entgegne ich, „ein echter Stinkstiefel gibt nie auf!“ Die nächsten Kilometer, darunter versehentlich zwei in die entgegengesetzte Richtung, betretenes Schweigen, dann nähert sich Adlatus van Achteren. „Ich hätte eine Idee“, flüstert er. „Wir könnten verlauten lassen, Sie seien sturzbetrunken! Das nähme man Ihnen ohne Zweifel ab.“ „Zudem Sie ja auch sonst fast immer...“ will Schlobotty ergänzen, wird aber von Rabunke mit einem energischen „Schnüss!“ ausgehebelt. Alle sehen sich fragend an. Ich überlege kurz, dann stimme ich zu. Der Besenwagen nähert sich und bringt mich zur Ausnüchterung in ein Sanatorium, wo ich bis zum Wachwerden bleibe.

Montag auf Dienstag

Ich bin gerade eingeschlafen, da flüstert mir eine süßliche Stimme zu, wenn ich wolle, könne sie mich zu einer unglaublich schweinösen Orgie mitnehmen, anwesend seien nur üppige Frauen sowie ein wollüstiges Buffet, ich müsse allerdings über die Geschehnisse strengstes Stillschweigen bewahren. Ich stimme begeistert zu.

Dienstag auf Mittwoch

In der Nacht vom 17. auf den 18. Juli darf traditionell nur in Versen geträumt werden. Und so geschieht es.

Will ich in die Kneipe gehn,
Will den Durst begießen,
Steht ein knubblig Männlein da,
Tut es mir verdrießen.

Will ich in mein Garten gehn,

Höre ich Gekicher,
Steht ein knubblig Männlein da,
"Ha! Dei Rent' is sicher!"

Will ich in mein Zelt nei gehn,
Will mein Schlafsack nehmen,
Steht ein knubblig Männlein da,
tut mich wieder grämen.

Ach das Männlein nervt mich so,

Red' wie ein Geistlicher.

Werf ich ihm nen Schuh an Kopf.

Hundertpro treffsicher.

Mittwoch auf Donnerstag

Ich bin mit dem Auto auf einer Landstraße unterwegs, da bemerke ich, dass ich vorhin nach dem Tanken die Fahrertüre nicht zu gemacht habe. Daher mache ich kehrt, um das Versäumte nachzuholen. Doch die Tankstelle ist verschwunden, ebenso die Straße, die Stadt und das Land. Ich überprüfe die GPS Koordinaten; kein Zweifel, ich bin an der richtigen Stelle, nur ist hier nun nichts als Einöde und sehr viel Sand. Es bleibt mir nichts anderes übrig, als die Türe dennoch zu schließen, was mir ohne jede Anstrengung gelingt. Ich setze die Fahrt fort und erwache gegen Morgen ausgeruht, mit etwas Sand zwischen den Zähnen.

Donnerstagmittag: Mittagsschlaf

Ich habe einen weißen Kittel an und bin in meinem unterirdischen Labor und integriere alle Funktionen von Witchch-T in den Curse Client. Ich kann aber noch einige andere Dinge, so einen Kanal, erstellen und live gehen sowie mich mit Plug-ins individualisieren und erweitern. Von nun an könnte die Kläranlage Wiesloch ihren Energiebedarf zu 80 Prozent selbst erzeugen. Ich rufe dort an, um ihnen meine Entdeckung anzupreisen, erreiche aber nur die Klöpplerin Kirsten Svendsdatter, die soeben das längere der beiden Goldhörner von Gallehus gefunden hat. Ermattet wache ich auf und beschließe, den Rest des Tages traumlos zu verbringen.

Donnerstag auf Freitag

Kaum habe ich die Augen geschlossen, sitze ich in einem Kino (strengstes Junckerverbot!) und sehe mir den Film „Quallen quälen, bis sie quieken“ an. Neben mir sitzt Ronald M. Hahn, der sich für sein neues Buch „1001 Tierfilme, die Sie sehen sollten, wenn Sie Tiere nur gegrillt mögen“ Notizen macht. „Nicht sonderlich gruselintensiv“, höre ich ihn murmeln und „Tollpatschig paddelndes Glibberzeug“ und „Das kann man ja nur mit absolut dichter Gummihose ertragen.“ Auf mein eindrücklich gezischeltes „Schnüss!“ reagiert er mit der Notiz „Nur das Publikum ist noch fadenscheiniger als der Hauptdarsteller.“ Ich greife kurz zur Seite und entleibe den Kritiker. Doch als ich den Film weiterschauen will, habe ich den Faden verloren. 

Freitag auf Samstag

Erneut schweinöse Orgie. Stillschweigen.

Samstag auf Sonntag

Schlaf- und traumlose Nacht. Ich sitze am Computer und sortiere meine Notizen. Verblüfft stelle ich fest, dass Trump in gleich zwei Träumen vorkommt, was ich wegen des vereinbarten Stillschweigens aber nicht erwähnen darf.

Musik zum Sonntag: 

Gestern, am 21. Juli, wurde Charlotte Gainsbourg 47 Jahre alt. 

L'un part, l'autre reste“ 

Charlotte Gainsbourg – 5:55 

Propaganda: Dream within a dream 

Alan Parsons (mit Orson Welles): A Dream within a Dream 

Mr. Sandman – The Chordettes: 

Django Reinhardt: I'll See You In My Dreams 

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Leserpost

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Thomas Raffelsieper / 22.07.2018

Träume sind Schäume, aber gut.                                                                            Ich hab noch ein Post von “Volltrunken in Brüssel, aber nicht in der Tagesschau” vom Broder, gesegnet sei er. Ich kenne die Wahrheit, warum Kai Gniffke Junkers faut pas rausgeschnitten hat. Aus Misgunst und Neid auf Junker, ja es stimmt! Also hier meine Infos (Informanten und Klofrauen werden von mir nicht namentlich genannt): Kai Gniffke, Chef der Tagesschau und der Tagesthemen zensiert den besoffenen Jean Claude Junker aus den Nachrichten.. Ich empfehle Kampfsaufen, wer zuletzt steht hat gewonnen. Spatzils Wahrheit: JA,JA,JA   weil der Kai ist doch nur sauer, daß er als Chef in seinem Laden nicht vor den Mitarbeitern saufen darf. Immer aufs Klo muß. Junker dagegen darf sogar auf den Teppich (pis..) urinieren.

Sabine Schönfelder / 22.07.2018

‘Wirklich reich ist der, der mehr Träume in seiner Seele hat, als die Wirklichkeit zerstören kann.’ (Hans Kruppa) Danke für die humorvollen Zeilen!

Ulla Smielowski / 22.07.2018

Herr Archi B… benötigen Sie Anregungen… Für mich war immer Flann O’Brien eine Quelle des Entzückens… Gute Übersetzung im Verlag Kein & Aber…  Die Musik von Charlotte Gainsboug ist allerdings super…  Warum die Altersangabe??

Rainer Nicolaisen / 22.07.2018

Es gibt viel kleinere musikalische Universen als das Ihrige- Beispiele schenk ich mir- doch auch Ihres wirkt mir nur zwergenhaft. Wenn ich damit leben sollte - ich stürbe!\\ Doch davon abgesehen, finde ich Ihre Sonntagsbeiträge meist ” auf der Seite des Lebens”, und sie gefallen mir.

Gabriele Kremmel / 22.07.2018

Mir träumte kürzlich, ich wäre davongeschwebt und hätte auch noch recht damit angegeben, wie gut ich schweben kann. Als ich den Traum meinem Mitbewohner erzählt habe meinte er, ich hätte wohl zuviel von der Berichterstattung im Radio über die bayerischen Flugtaxis erwischt, und ich muss sagen, er könnte recht haben.

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