Die Dorf- und Kleinstadttrottel gab es tatschlich überall. Wir hatten einen, den nannten sie “Spitz”. Das entsprach dem Geräusch, wenn man den Oberteil eines Gebisses per Ansaugen festsitzen läßt. “Spitz” war ein kleiner Gauner, völlig versoffen, er klaute dreist Billigware wie Zahlpasta für 70 Pfennige. Wenn er wieder mal einen Brief des Amtsrichters bekam , wegen Lappalien und “einfahren” musste, bat ihn der Dorfscheriff irgendwo auf sein Dienstmotorrad. “Spitz” tat, was er immer tat: Er wollte noch mal heim zu seiner Frau….. Der Dorfscheriff, der Spitzens Schulkamerad war, wartete vor der Tür, bis sich “Spitz” genügend lange verabschiedet hatte— und ab ging’s in die Arrestanstalt. Nach einigen Wochen kam “Spitz” wieder raus, und das Spiel wierholte sich, nur in umgekehrter Reihenfolge. “Spitz” ging klauen, der Schulfreund fuhr mit dem Haftbefehl vor .......den Rest kennen Sie schon ! Archi, ich höre ihnen einfach gerne zu. Es hat den Eindruck, als kennten sie den “Spitz” ebenfalls. Das verbindet.
Ein “Idiot” ist ja EIGENTlich nix anderes als ein Eigener - der sich nichts schert als um sein Eigenes, mitnichten um sonstwas. Habe viel Spass mit Ihren Beiträgen, vielen Dank dafür. Denn: Mit gelben Birnen hänget und voll mit wilden Rosen das Land in den See, ihr holden Schwäne. Und trunken von Küssen tunkt ihr das Haupt in’s heilig nüchterne Wasser. Weh mir, woher nehm’ ich, wenn es Winter ist die Blumen und den Sonnenschein der Erde! Die Mauern steh’n, sprachlos und kalt. Im Winde klirren die Fahnen. Von meinem Lieblingsverrückten.
Schön zu sehen: das von mir empfohlene Buch ist inzwischen -die bezahlbaren Exemplare - ausverkauft :-). Viel Spaß den glücklichen Lesern.
Ja, in den (nieder)rheinischen Dörfern und Städtchen waren die Trottel lange Zeit akzeptierte und sogar gern gesehene Mitbürger - frei nach dem amerikanischen Wahlspruch “Right or Wrong, my Country” - gehörten sie schließlich zu “unserem” Dorf, also waren es auch “unsere” Trottel und kein Auswärtiger durfte es wagen, sie blöd anzumachen. In meinem Städtchen (Heimat eines bekannten Niederrheiischen Kabaretisten) waren sie allerdings nicht so fixiert wie bei Ihnen, Herr Bechlenberg. Nein, sie liefen frei herum und suchten aktiven Kontakt zu ihren geliebten Mitbürgern. Da war z.B. “Alaska”, den in der Mitte seiner Jugend unerklärlicherweise der Liebe Gott mit einem Schlaganfall bedacht hatte. Davon geblieben war eine linksseitige Lähmung und eine Lallsprache, dazu jedoch etwas, um was er von vielen beneidet wurde, nämlich ein unerschütterlich sonniges Gemüt. Und so sah er es als seine persönliche Aufgabe an, sich nach der Morgentoilette und dem Frühstück auf den Weg zu machen, und seine Mitbürger nach dem werten Wohlbefinden zu befragen. Also zog er einmal die Einkaufstraße rauf und runter. Dabei kehrte er in jedes Geschäft ein, hob zum Gruß den (unpolitischen) rechten Arm, und ließ sein laut und deutliches “Alles Klar?” - was aus seinem Munde allerdings ehr wie “Alaska” klang- vernehmen. Daher auch sein Spitzname. Wenn dann aus allen Ecken des Geschäfts das Echo kam “Jau, alles klar” zog er zufrieden weiter zum nächsten Laden. Ansonsten wurde die “Alaska”-Frage wiederholt, bis die erwünschte Antwort erfolgte. Wenn man ihm etwas Gutes tun wollte, schloss man noch die Gegenfrage : “Und bei Dir” an. Dann strahlte er über das ganze Gesicht und setzt mit einem zufrieden “Jajajaja” sein morgendliche Begrüßungsrunde durch unser Städtchen fort.
Genuss pur. Herzlichen Dank dafür.
In meiner Kindheit gab’s im Dorf im Kreis Gifhorn “Hein Piepentoback”, heute im Dorf bei Bonn einen alten Mann, der herumtapert, aber blöderweise Ladies nicht nur anquatscht, sondern auch anfaßt. Es gab und gibt sie immer. Früher war ich fasziniert, dachte romantisierend, sie wüßten aufgrund ihres Ausgestoßenseins mehr über das Leben als meine bürgerliche Umgebung. Hat sich als Irrtum herausgestellt - es waren und sind meist hochgradige Egozentriker mit Wahnvorstellungen. Jetzt bin ich eher auf der Flucht vor sehr schrägen Vögeln. Martin Lederer gebe ich recht - Exzentriker sind pittoresk, dürfen aber keine Macht haben.
Man sollte zumindest wissen, dass “Idiot” ursprünglich (altgriechisch) eine ganz andere Art von Menschen bezeichnete, nämlich den (reicheren) Privatmann, meist ländlich wohnend, der einfach keine Lust hat, sich politisch zu betätigen (mal ganz kurz zusammengefasst). In altrömischer Begriffsdeutung wurde daraus ein Schimpfwort und erst viel später die heutige Bedeutung. Das schreibe ich nicht als Belehrung, sondern, weil mir diese Art von Menschen sehr sympathisch geworden ist und ich mich selbst gern als “Idioten” bezeichne (im altgriechischen Sinne), zumal in heutigen bekloppten Medienzeiten.
Es ist richtig, daß zu jeder Dorfgemeinschaft mindestens ein “Andersbegabter” dazu gehörte. Mein Großvater erzählte mir, daß wenn in eine fremde Dorfgemeinschaft eingeheiratet wurde, die Frage: “und wo ist der Tumbe?” obligatorisch war. Wurde dieser versteckt, gab das Anlaß zu großer Sorge über den Zustand der Dorfgesundheit in Zeiten der sehr eingeschränkten Mobilität.
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