Das Antidepressivum: Elegische Eloge

Aus dem Zyklus "Eloge und Elegie" 
33 kurzlyrische Gedankenfragmente und 1 Camembert 

Elegisch wird im Herbst der Mensch
Sieht er die Blätter treiben.
Und hat im Schrank er keinen Trench
Tut er zuhause bleiben.

Von Zeit zu Zeit schaut er hinaus
Durch Thermofensterscheiben.
"Pflanz' ich 'nen Baum? Bau ich ein Haus?
Ach wo. Das lass ich bleiben.

Was tu' ich dann? Soll twittern ich? 
Gar lange Briefe schreiben? 
Soll jagen ich? Das Wildschwein frisch, 
Es durch das Dickicht treiben? "

Rasch legt sich der fatale Drang, 
Hinaus in Wind und Wetter, 
Das treue Haustier bricht den Bann 
Erweist sich brav als Retter. 

Längst lässt der Katz das Mausen sein,
Schnurrt auf der Auslegware. 
Der Mensch schaut zu, deckt Bein mit Bein
Und denkt an früh're Jahre.

Da war der Herbst ihm lieb und recht
Wie Frühling, Sommer, Winter.
Stets war er er: ein toller Hecht
Oft breit wie Harold Pinter.

Doch heute? Rücken, Steiß und Knie 
Und alle Glieder reißen.
Es tut ihm weh, mal dort, mal hie, 
Muss er aufs Klo zum defäkieren.

Elegisch wird im Herbst der Mensch
Sieht er die Blätter treiben
Und hat im Schrank er keinen Trench
Tut er Gedichte schreiben. 

Foto: Bildarchiv Pieterman

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Leserpost

netiquette:

herbert binder / 04.11.2018

Vers zwei, Strophe drei, sehr geehrter Herr Bechlenberg, bringt mir spontan einen der schönsten Briefanfänge ins Gedächtnis zurück: “Lieber Freund, heute habe ich wenig Zeit, deshalb schreibe ich dir einen langen Brief.” Lyrik, paradoxerweise, auf den Punkt gebracht. Was aber, wenn Rücken, Steiß und Knie und alle Glieder reißen? Dann hat man immer noch die Erinnerung: “Schöner Zeiten der gedenk ich, alle Glieder sind gelenkig - bis auf eins. Doch die Zeiten geh’n vorüber ...”, ach nee, jetzt wird’s zotig, das findet vor der strengen ACHSE-Zensur (manche drücken das mit netiquette auch blumiger aus) kein “Gehör”. Schade um den Zeitaufwand.  

Jutta Schäfer / 04.11.2018

Die Humor-Komponente der Achse ist bei Ihnen bestens aufgehoben, Herr Bechlenberg. Danke. Ihre Text sind es immer wert, gelesen zu werden. Sie erhellen das Novembergrau.

Bechlenberg Archi W. / 04.11.2018

Lieber Herr Budczinsky, wie man der Überschrift entnehmen kann, stammt diese Eloge aus einem Zyklus. In diesem wiederum kommt auch ein Camembert vor, leider nicht im vorliegenden Auszug. Vielleicht ergibt sich ja einmal die Gelegenheit, auch die 32 verbleibenden kurzlyrischen Gedankenfragmente hier zum Besten zu geben… Ansonsten allen herzlichen Dank für die bisher eingetroffenen Kommentare, unter besonderer Hervorhebung von Herrn Michael Vent, der tatsächlich die Kollegen Rilke und Walther von der Vogelweide unter meiner Tarndecke erkannt hat.

Matthias Hith / 04.11.2018

Und schon wieder ein gelungener WimS-Wiederbelebungsbeitrag. Es wäre Verlegern geraten, sich schnellstens die Buchrechte zu sichern. Wer weiß, wie lange es hier noch etwas zu Lachen gibt

Adolf Murmelstein / 04.11.2018

Leider verstehe ich nicht viel von Lyrik, aber vielleicht haben Sie auch eine Version Ihrer Gedankengänge in Prosa?

Norbert Budczinsky / 04.11.2018

Moooooment mal! Wo ist denn der großspurig angekündigte Camembert?! So gehts ja nicht!

Klaus Plöger / 04.11.2018

Elegisch wird der Mensch im Herbst und hat er im Schrank nicht alle Tassen muß er im ZDF den Kleber sehen und kein Gedicht kann seine Worte fassen.

Dr. Gerhard Giesemann / 04.11.2018

Herrlüch! Wer hat sich da eigentlich in das Fell der Wildsau gezwängt?

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