Archi W. Bechlenberg / 22.04.2018 / 06:20 / Foto: GillyBerlin / 12 / Seite ausdrucken

Das Antidepressivum: Donalds Rückkehr

Unter die Wörter, die dank des Junkfilters in meiner Mailbox zum sofortigen Löschen führen, sind ein paar neue hinzugekommen: „Wedding“ und „Royal“ sowie ihre deutschen Pendants. Damit reihen sie sich in eine lange Liste von Unwörtern ein, unter denen man neben zahlreichen Firmennamen auch Begriffe wie „Bitcoin“, „Xmas“, „Sale“, „Twitter“ oder „Geschenkt“ findet. Ich weiß: Es ist meine eigene Schuld, dass mir jeden Tag zuhauf sensationelle Angebote und finanzielle Hundert-Prozent-Chancen entgehen, habe ich diese Filterregeln doch selber eingerichtet. Auch afrikanische Banken und Potentatenwitwen kommen nicht mehr bei mir durch; mir genügen die Anteile am dreistelligen Millionenvermögen, die mir vor einigen Jahren von der Gattin eines bei einem Flugzeugabsturz über dem Ongawongo-Gebirge an der Grenze zwischen Taka-Tuka Land und Bottokudien ums Leben gekommenen Ministers – oder war es ein General? – überwiesen wurden. Ich habe vergessen, wofür ich die Kohle bekam. Ich glaube mich zu erinnern, dass die Hinterbliebene mit dem Verschleudern des Geldes Buße dafür tun wollte, dass ihr Mann so gerne Krokodile mit politischen Gegnern fütterte.

Leider ist die Pflege des Junkfilters eine mühselige Arbeit, ähnlich dem Ausrotten von Giersch im Garten; immer wieder poppt da und dort eine Mail auf, die es irgendwie geschafft hat, alle Schutzmechanismen zu umschiffen. Just vor ein paar Minuten erreicht mich eine dringende Nachricht von Peter Wong, „für Einzelheiten der Geldüberweisung“. Und der Paolo Pinkel Preis der Woche für Ausgewogenheit geht unangefochten an diese Nachricht: „Folge Don Alphonso und Matthias Oomen auf Twitter“

Seit Wochen füllte sich meine Mailbox mit Angeboten rund um die anstehende Hochzeit eines rothaarigen Engländers mit einer amerikanischen Teilzeit-Rechtsanwaltsfachangestellten. Von Reisen nach Albion über zu bezahlende Livestreams im Internet bis hin zu allerlei Paraphernalien, darunter spannende Bücher , glutenfreie Würstchen , Kondome oder auch nur schlichte Buttons . Ich musste das abstellen. Als geborener Jäger und Sammler weiß ich, welche Gefahr von derartigen Dingen ausgeht; hast du eins, willst du alle haben. So geht es mir seit bald 60 Jahren mit allem, was mit Entenhausen zu tun hat, hunderte Donald Duck Figuren in allen Größen und aus allen denkbaren Materialien, von Seife und Keksen und Holz und Muranoglas bis hin zu einer chinesischen Cloisonné-Arbeit ist alles vertreten. Damit nicht genug. Es musste nur irgendwo ein Donald Duck abgebildet sein, und schon musste ich das haben. Zahnpasta, Kartenspiele, Kaugummi, Nudeln, Kugelschreiber, Briefmarken – da kann keine noch so königliche Hochzeit mithalten. Und Duck ist nicht einmal verheiratet!

Nur Micky Maus kam mir nie ins Haus

Wenn ich nichts von Royals haben möchte, so ist reiner Platzmangel dafür verantwortlich.Vor einigen Monaten räumte ich gut sieben laufende Meter Bücher aus. Das ganze Haus ist voller Bücher, während die meisten Donalds nach dem Auszug aus meinem früheren Büro ein trauriges Schicksal in einigen Kubikmetern Umzugskartons auf dem Dachboden fristeten. Das hatte nicht seine Richtigkeit, also tat ich einen großen Schritt und entsorgte Bücher über Bücher. Das hätte ich früher nie übers Herz gebracht, selbst uralte kaufmännische Handbücher des Schwiegervaters standen sauber eingereiht in den Billys. Bücher wegwerfen? Ein undenkbarer Gedanke. Bis zum vorigen Winter, da setzte ich neue Prioritäten und machte Platz für etwa die Hälfte der Donalds und Daisys und Dagoberts und Neffen; die andere Hälfte schmachtet derzeit noch in Kisten. Nur Micky Maus kam mir nie ins Haus, diesen spießigen Allesbesserwisser habe ich nie ausstehen können.

Der erste Schritt war schwer getan, aber als es erst einmal lief, fühlte ich mich mit jeder der aussortierten Schwarten besser. Insbesondere die Science Fiction Literatur hatte es mir angetan, in der voll hemmungsloser Fantasie zukünftige, bessere Welten propagiert werden: Marx, Engels, Lenin, Frühsozialisten, Christsozialisten, Weitling – da waren schon mal zwei gute Meter für meine Onkel Dagoberts frei. Bei Stalin („Schriften zur Ideologie der Bürokratisierung“) zögerte ich; so ein Buch kann durchaus Informationen und Erklärungen bieten, wenn man sich mit Leuten wie Maas und Kahane befassen muss, also bekam der Georgier eine Gnadenfrist. Einen auf immer sicheren Platz in der Bibliothek haben hingegen Standardwerke wie „Lurchis gesammelte Abenteuer“, „Mecki bei den Negerlein“, „Tom Prox – Unterirdische Mächte“ und der einst aus einer Leihbücherei entwendete „Texas Larry“ („Hast du dir's gut überlegt?“ erkundigt sich Murphi und hält seine Pfoten verdammt nah den beiden Fünfundvierzigern, die verdächtig tief an seinen Oberschenkeln baumeln...“)

Viel abstruses Zeug fiel mir beim weiteren Aussortieren in die Hände. Dalai Lama, Coelho, Yoga für die Silver Generation, Hesse, Zen, I Ging, Tolkien. Grundgütiger! Für den Coelho kann ich nichts, den bekam ich einmal von einer Verehrerin geschenkt. Wie es der Lama bis zu mir geschafft hatte, keine Ahnung. Alles in allem vollzog sich über ein langes Winterwochende eine wundersame Wende. Große, mit sorgfältig in Seidenpapier gewickelte Bewohner Entenhausens gefüllte Kisten wandelten sich in große, mit achtlos hineingeworfenen Büchern gefüllte Kisten, die den Weg zur Deponie antraten. Das geschah nicht immer ganz schmerzfrei, es bildete sich nach und nach ein großer Zwischenstapel von Büchern, deren Entsorgung ich mir noch mal durch den Kopf gehen ließ.

Würde ich Kracht, Goldt, Droste oder Fauser noch mal in die Hand nehmen? Was war mit Kerouac, mit Miller, mit Ginsberg? Mit Selbsthypnose und Achtsamkeitsübungen? Mit Atkinsdiät und Trennkost? Und da, dieser Meter Bücher über Depression – gab der nicht ein deprimierendes Bild ab? Die gewonnenen Dreimeterzwanzig würden gut sein für ein paar Dutzend Daisys und Plutos sowie voluminöse Donald Duck Wasserpistolen, Spardosen und Feuerwehrautos. So geschah es. Und ich sah alles an, was ich gemacht hatte: Es war sehr gut. Es wurde Abend und es wurde Morgen.

Ein Blick in den Online-Katalog macht melancholisch

Nicht angerührt wurde alles, was mit Kunst zu tun hat. Selbst Kindlers Malerei-Lexikon in 15 Bänden, Ganzleinenbände mit goldgeprägten Rückentiteln auf grünem Rückenschild, Sonderausgabe im Breitformat, 1976, blieben unangetastet, zuletzt hatte ich die Bände um 2008 in der Hand, da wurde die Bibliothek von Spanplatte auf Billy umgerüstet. Natürlich blieben die Raritäten, Erstausgaben wie Rilkes Buch über Worpswede und Rodenbachs „Das Tote Brügge“ und signierte Bücher. Einen großen Teil des ewigen Fundus bilden die Bücher meines früheren Professors über die Kunst des frühen Mittelalters, über Goya und Bosch und Hausner und Wunderlich sowie alles das, was er im Laufe der Jahre in Seminaren und auf Vorlesungen – und noch mehr bei privaten Treffen jenseits des Hochschulbetriebs – zu lesen und entdecken empfahl. Bruno Schulz, Paul Scheerbart, Alexander Lernet-Holenia, Leo Perutz, Benn, Hermann-Harry Schmitz, Alfred Kubin, Herbert Rosendorfer. Und nicht zuletzt und vor allem Jorge Luis Borges.

Wird Borges heute noch auf Deutsch gelesen? Überhaupt noch verlegt? Ein Blick in den Online-Katalog macht melancholisch. Ja, es sind noch eine Reihe von Bänden erhältlich, aber sie stammen aus den frühen 1990er Jahren, danach ist nur noch einmal, vor fünf Jahren, eine Sammlung von Prosa und Lyrik erschienen. Eine Schande ist das. Als ich dank meines Professors irgendwann in den 1970ern auf Borges stieß, gab es zahlreiche Ausgaben in mehreren Verlagen, bei dtv ebenso wie bei Reclam und Fischer und bei Heyne und Hanser. Sollte Ihnen der Name Jorge Luis Borges nichts sagen: a) schämen Sie sich, b) lesen auf dieser Seite ein paar der Rezensionen und c) anschließend Borges.

Borges war ein Großmeister der kurzen Form, kaum, dass einmal einer seiner Texte länger als 15 Seiten ist. „Ein mühseliger und strapazierender Unsinn ist es, dicke Bücher zu verfassen; auf fünfhundert Seiten einen Gedanken auszuwalzen, dessen vollkommen ausreichende mündliche Darlegung wenige Minuten beansprucht. Ein besseres Verfahren ist es, so zu tun, als gäbe es diese Bücher bereits, und ein Résumé, einen Kommentar vorzulegen." 

Borges immenses Wissen über die nicht-lateinamerikanische Literatur und Gedankenwelt – er beruft sich unter anderem auf Shaw, Chesterton und Kafka sowie Hume und Schopenhauer (Oswald Spengler las er im Original) – hat dazu geführt, dass er für die zeitgenössischen Autoren seines Kontinents eine, wenn nicht die führende Rolle auf dem Weg zur Weltliteratur einnahm. Ohne Borges, so sein Übersetzer Gisbert Haefs, seien die moderne hispanische Literatur, der Magische Realismus und das Werk von Autoren wie Alejo Carpentier, Gabriel García Márquez oder Mario Vargas Llosa nicht denkbar.

Für Umberto Eco wiederum war Borges eine Inspiration; der blinde Bibliothekar Jorge von Burgos ist eine Hommage an Jorge Luis Borges, der seinerseits seit 1955 vollständig erblindet war, was ihn nicht vom literarischen Schaffen sowie der Leitung der Argentinischen Nationalbibliothek abhielt. Jahr um Jahr wurde Borges für den Nobelpreis gehandelt, er bekam ihn nie, im Gegensatz zu Heinrich Böll. Dessen Auszeichnung 1972 nahm übrigens Alexander Lernet-Holenia zum Anlass, aus Protest seine Position als Präsident des Österreichischen P.E.N. Clubs aufzugeben. Immerhin erhielt Borges 1979 das Große Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland, und 2000 wurde ein Asteroid nach ihm benannt. Nach Böll bloß eine grün gestrichene Stiftung.

Jeder Schritt eine logische Folge des vorherigen

Es dürfte nicht verwundern: Ernst Jünger schätzte Borges und umgekehrt. Als der Argentinier 1982 Jünger in Wilflingen besuchte, fühlte sich der ebenfalls greise Gastgeber an die Begegnung „mit einem beinahe ausgestorbenen oder sogar mythischen Tier“ erinnert, „dem Einhorn etwa“. Ernst Jünger, Einhorn? Da fällt mir ein, dass Jüngers Freund Albert Hofmann gerade jetzt vor 75 Jahren, am 19.4.1943, das LSD entdeckte.

Ohne mich aufspielen zu wollen: ein kurzer Text, der von Harry und Meghan über Donald Duck zu Borges und Jünger führt – das scheinbar Labyrintische, Mäanderhafte einer solchen Konstruktion hätte Borges gewiss gefallen. Ich sage „scheinbar“ – wenn Sie dem Text noch einmal folgen, werden Sie erkennen, dass jeder Schritt eine logische Folge des vorherigen ist. So wie auch der folgende, letzte für heute.

Er schließt den Kreis und führt zurück zu dem fröhlichen Brautpaar und in meine Bibliothek und zu einigen guten Ratschlägen. Entnommen habe ich diese zwei Büchern, die der Entsorgung entkamen. Zum einen nehmen sie nicht viel Platz weg, zum anderen kommen sie meiner generellen Passion für das Bizarre, Absonderliche, Groteske so sehr entgegen, dass ich im Leben nicht auf sie verzichten möchte. Doch wäre ich bereit, mich davon zu trennen, wären Harry und Meghan genau die Richtigen, um sie zu studieren.

„Alle Verheirateten brauchen diese Kenntnisse, wenn ihre Ehe glücklich bleiben soll“, schreibt der Autor Herbert W. Armstrong in seinem bahnbrechenden Aufklärungswerk „Die fehlende Dimension im Sexualwissen“. Dieser amerikanische, evangelikale Kirchenfürst, geboren exakt drei Jahre vor Jünger und verstorben im selben Jahr wie Borges (sic!), irrlichterte sein Leben lang durch eine Reihe von Sekten, die sich alle nicht grün waren und deren Namen stark an Monty Pythons Volksfronten erinnern. „Church of God (Adventist)“, „Church of God (Seventh Day)“„World Church of God“; weitere Metastasen nannten sich „Church of God, the Eternal“„Church of God International“ und „United Church of God“ und wer weiß, wie noch. Armstrong verfasste bizarre Bücher, von denen einige in elektronischer Form vorliegen. Falsche Bescheidenheit plagte ihn nie; von seinem Buch „Mystery of the Ages“ sagte er: „Time may prove this to be the most important book written in almost 1.900 years.“ Wenn Sie mal so gar nichts zu lesen im Haus haben. Es empfiehlt sich, vor der Lektüre eine absolut dichte Gummihose anzuziehen.

Zurück zur fehlenden Dimension: „Der Mangel an derartigem Wissen ist nämlich für 90 Prozent allen ehelichen Unglücks, Streits, aller Trennungen und Scheidungen verantwortlich.“ Das sind große Worte, und natürlich stellt sich sofort die Frage: Um welches Wissen handelt es sich? Nun, Herbert W. Armstrongs Antwort ist klar und wahr und wird Seite für Seite, immerhin 234, wiederholt. Es ist das Wissen über Gottes Pläne und Gesetze! „Wir Menschen können nicht das unbeschwerte, glückliche Leben führen, das der Schöpfer wollte und möglich machte, so lange wir nicht seinen Plan verstehen“, schreibt Armstrong im Kapitel „Wie Gott die Geschlechtsorgane konstruierte“. Ja, richtig gelesen: konstruierte.

Dass ein männlicher Hoden etwas tiefer hängt als der andere, ist nämlich das Ergebnis langer, göttlicher Überlegungen. Man sieht in Gedanken geradezu, wie der Allmächtige am Zeichenbrett sitzt, sich mit Schwerkraft, Fliehkräften und Vektoren herumplagt und aus Plastilin, Fimo oder dem damals gebräuchlicheren Lehm Modelle von Gemächten bastelt. Armstrong stellt die richtigen Fragen: „Hätte blinde Evolution, ohne jede Intelligenz, so etwas zustande bringen und gestalten können? Für einen Jungen oder Mann gibt es wohl kaum einen unerträglicheren Schmerz als eine Quetschung der Verletzung der Hoden. Wusste das die blinde „Natur“ oder hat ein allwissender Schöpfer, um unser Wohl besorgt, Vorkehrungen getroffen, dass beim Zusammendrücken der Schenkel ein Hoden über den anderen gleitet und so eine Quetschung vermieden wird? Und gibt die einzig denkbare Antwort: Von „Evolution“ kann hier wohl kaum die Rede sein.“

Schluss, Aus! Diese Teile sind privat.

Man könnte einwenden, dass Armstrong offensichtlich gewaltig einen am Sträußchen hatte und auch nicht alle Latten am Zaun. Ich will so weit nicht gehen, gebe aber zu bedenken, dass der Autor in seinem Buch immer und immer wieder darauf hinweist, dass Gott den Menschen nach seinem Ebenbild erschaffen habe, und damit evoziert er einen gewissen Widerspruch. Wenn der Mensch, in diesem Fall der Mann, nach Gottes Ebenbild entstand, muss man daraus schließen, dass bereits bei Gott ein Ei tiefer hing als das andere, und somit wäre das absichtliche Ungleichgewicht der Hoden keine echte konstruktive Eigenleistung des Allmächtigen, sondern ein schnödes Plagiat.

Fragt sich, wen der Grundgütige seinerzeit plagiiert hat, welches Überwesen also bereits vor ihm erkannte, dass es sauweh tut, wenn das Gemächt gequetscht wird. Und was macht Gott eigentlich mit dem ganzen Geraffel zwischen seinen eigenen Beinen? Maria wurde bekanntlich unbefleckt... Ja, das sind einfach Fragen, die gestellt werden müssen. Und offenbar waren in späteren Jahren auch Armstrongs Schäfchen nicht mehr so ganz von der Weisheit ihres Stellvertreters Gottes auf Erden überzeugt, es gab weitere Abspaltungen und weitere Churchs of, und selbst sein Sohn und designierter Nachfolger wand sich von ihm ab und gründete eine eigene Kirche, deren Namen ich vergessen habe. Armstrong wurde der Häresie und sogar des Inzests mit seiner Tochter bezichtigt, zudem hielt seine letzte Ehe nicht lange, und seine Bücher wurden zum Teil entsorgt, andere massiv umgeschrieben. Immerhin, er starb nicht auf dem Scheiterhaufen. Aber das ist alles eine andere Geschichte. 

Ach, was könnten Harry und Meghan von Herbert W. Armstrongs Buch über die fehlende Dimension im Sexualwissen profitieren! Insbesondere in etwas mehr als vier Wochen, nämlich in der Hochzeitsnacht. Wichtig für ihre Zukunft ist vor allem, dass sie keine voreheliche Unzucht begangen haben, denn diese „ist eine SÜNDE, die automatisch das TODESURTEIL nach sich zieht.“ Das klingt übel, und ich würde in dieser Sache weder für Braut noch Bräutigam meine Hand ins Feuer legen. Und ob Harry weiß, dass „kein Mann seinen Körper, und besonders die Schamteile vor seiner Braut zur Schau – vor allem nicht in der Hochzeitsnacht – stellen darf“? Der Mann ist ja bekanntlich durchaus zeigefreudig, und wenn er auch nicht die großen Ohren von Prince Charles geerbt hat, dann vielleicht... nein, Schluss, Aus! Diese Teile sind privat.

Oh, wie muss ich da an die Royals denken!

Es schweben also dunkle Wolken über dem jungen Glück, und als würde das nicht reichen, sagt die Feministin Germaine Greer (wer immer die auch gefragt hat) der Ehe ein baldiges Ende voraus. Meghan würde sich bald bei Hofe langweilen und das Lotterleben in L.A. vermissen. Das mag man belächeln, aber diese Prophezeiung kann bereits mehr als 1.240.000 Fundstellen bei Google vorweisen. Genauer: jetzt 1.240.001. Wenn sie mich fragen: 1.240.001 zu viel. Um das Scheitern einer Ehe im Hause Windsor vorherzusagen, muss man keine prophetischen Gaben besitzen.

Das andere Buch, wegen erwiesener Bizarrheit der Entsorgung von der Schippe gesprungen und ebenfalls seit Jahrzehnten ein Standardwerk in Sachen Sie-wissen-schon, stammt vom deutschen Autor Reinhold Ruthe. Mein Exemplar ist reichlich abgegriffen und derangiert, und das nicht ohne Grund, behandelt es doch so heikle Fragen und Themen wie „Warum darf ich mit 16 Jahren noch keine Freundin haben?“ „Hat Selbstbefriedigung Folgen?“ oder „Ist die Mischehe ein Hindernis?“ Insbesondere im Kapitel „Ist die Hochzeitsnacht die Nacht der Nächte?“ dürften Ruthes Ratschläge für das royale Brautpaar fast noch wichtiger sein als die von Herbert W. Armstrong.

Zwar ist auch für Ruthe Gott die oberste Instanz in Sachen Sie-wissen-schon, und gemeinsames Beten kann so manche Ehekrise beilegen, aber er denkt zugleich auch erdverbunden und praxisbezogen: „Wenn die Braut noch unberührt ist“ gibt Ruthe zu bedenken, „muss nicht ausgerechnet in der Hochzeitsnacht der Schritt von der Jungfrau zur Frau getan werden. […] Der turbulente Hochzeitstag bietet in der Regel nicht die Voraussetzung für ein zärtliches Spiel in der Nacht.“ 

Oh, wie muss ich da an die Royals denken! Turbulent wird es ganz gewiss. An die 50 Millionen Euro soll das alles kosten, das Kleid, die Torte, der Champagner, versilberte Trompeten, Blumenschmuck, ein Zelt (450.000 Euro), Knabbereien und nicht zuletzt die Dixi-Klos für sage und schreibe 2.640 geladenene Gäste. Wer sich nach so einem Abend um 24:00 Uhr noch entspannt im Brautgemach breit machen kann und alles findet, muss übermenschliche Kräfte besitzen. Und Harry ist zwar Prinz, aber keiner aus dem Märchen. Mag seine Rute auch noch so fit sein.

Übrigens: Herbert W. Armstrong war überzeugter Anhänger der Anglo-Israelismus-Theorie, nach der die angelsächsische Welt von den zehn „verlorenen Stämmen“ des „Hauses Israel“ abstammt, Und nun halten Sie sich fest: Das englische Königshaus setzt laut dieser Theorie das Königtum des Hauses David fort... Noch Fragen? „Harry! Meghan! Ich habe zwei Bücher für euch! Aber zurückgeben!“

Links:

Klassiker der Weltliteratur: Jorge Luis Borges
Jorge Luis Borges bei Wikipedia 

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R. Ohström / 22.04.2018

Und demnächst in dieser Reihe: Raymond Queneau. Bitte!

Wolf-Dieter Schleuning / 22.04.2018

Danke! Borges und Barks sind seit 50 Jahren meine Lieblingsautoren.Wie gut wuerden die Panzerknacker in die Universalchronik der Niedertracht passen! Bitte um einen Tip: Wo bekommem ich eine Emil Erpel Figur? Meine blaien Baende habe ich uebrigens schon vor 30 Jahren entsorgt.

Werner Arning / 22.04.2018

Das sich Trennen von Büchern kann wie eine innere Reinigung empfunden werden. Ein Abstoßen von Dingen, die vor 30 oder 20 Jahren richtig waren, über die man heute jedoch nur noch schmunzeln kann. Man entwickelt sich, man lernt dazu. Linke Theoretiker: ab in die Mottenkiste. Es sei denn tatsächlich, um die ein oder andere Parallele zu heutigem Geschehen zu ziehen und sein Warum zu erahnen. Seinen möglicherweise theoretischen Unterbau. Und dann die vielen Bücher, die helfen sollten, zu verstehen. Der Wahrheit einen Schritt näher zu kommen. Sie waren alle nötig, jedes Buch zu seiner Zeit. Aber aufbewahren? Noch einmal lesen? Nein, nur das Universelle, das Wahre, das Ewig Gültige, das Zeitlose darf stehenbleiben. Zumindest das, was man dafür hält. Dann braucht man gar kein so großes Bücherregal mehr. Und man hat Platz geschaffen für mögliches Neues. Danke für den Tipp. Und Donald gehört natürlich auch mit hinein, keine Frage.

Michael Himpemann / 22.04.2018

Wie geil ist das denn? Ich habe einen Bruder im Geiste gefunden. Danke, Archie!!

Werner Schiemann / 22.04.2018

An ihrem aktuellen Antidepressivum gefiel mir der Aufräumteil besonders. Eine eigene Aufräumaktion meinerseits steht in direktem Bezug zu ihrem „Schreckschraubenwerk“ vom 8.4.2018. Auf meinen Kommentar dazu, der auch einen Hinweis auf Befürchtungen bzgl. der Zuverlässigkeit britischer Fahrzeuge aller Art enthielt, zieh mich ein weiterer Kommentator, Herr Bernhard Freiling, der Feigheit (allerdings mit relativierendem Smiley). Ob dieser Vorhaltung in eine tiefe Sinnkrise gestürzt kaufte ich, trotz erheblicher Bedenken, eine schon etwas ältere Jaguar XJ-Limousine. Die wollte ich schon seit 30 Jahren mal fahren. Neuerdings geht es mit mir wieder etwas aufwärts. Kommen wir also zu den Aufräumarbeiten. Da dies Fahrgerät erhebliche Ausmaße hat, plante ich mich zwecks Platzbeschaffung von einem meiner Motorräder trennen. Die brachte ich zum örtlichen Händler und stolpere dort über eine Honda CBX-ProLink ( der erste Reihensechszylinder in einem Motorrad aus den frühen 80igern ) in zahnbürstengepflegtem Erhaltungszustand. Die Maschine hatte ich in den 80igern und 90igern in diversen Ausführungen fast 20 Jahre gefahren. Das war es dann mit den Aufräumarbeiten in der Garage. 14 Zylinder in einer Woche. Da sehen Sie mal, was Sie mit ihrer Kolumne anrichten.

Michael Anton / 22.04.2018

Es existiert noch eine gebundene 12 bändige Ausgabe von Borges bei Hanser, vor 3 Wochen erworben. Wichtig auch noch die Frage, ob und wozu man die Schutzumschläge behalten soll.

Harald H. Schlamm / 22.04.2018

Danke! Danke! Danke! Kaffee verschüttet, Hemd bekleckert, Tischdecke versaut. Böse Blicke der Gefährtin geerntet. Können Sie nicht mal etwas Trauriges schreiben? Tränen machen keine Flecken!

Reinhard Doberenz / 22.04.2018

Mehr davon! Herrlich, klug und voll ebensolchem Humor.

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