Archi W. Bechlenberg / 23.09.2018 / 06:10 / 11 / Seite ausdrucken

Das Antidepressivum: Die schönsten Musikeranekdoten

Jagger und Richards

An einem stürmischen Nebelabend Ende der 1960er Jahre saßen Mick Jagger und Keith Richards zusammen in Jaggers Landhaus nahe Ivy Cottage, Worplesdon Road, Hull. Während der Sänger der Rolling Stones versuchte, einen Text über die damals noch nicht amtierende, aber zukünftige Premierministerin zu schreiben („Margret, oh Margret!“), experimentierte Richards mit allerlei Zutaten aus dem Vorgarten des idyllischen Anwesens, da im ganzen Haus sonst keine Drogen mehr zu finden waren.

Jagger beobachtete seinen Bandkollegen und notierte eine weitere Zeile des Textes („Seemed to all go up in smoke“). Richards bemerkte dies und fragte: „Was meinst du, Mick, wie lange werden wir diesen ganzen Scheiß machen?“ Jagger zögerte keinen Moment mit der Antwort. „Ich denke, vielleicht noch ein halbes, höchstens ein dreiviertel Jahr. Also bis du ins Gras gebissen hast (im Original sagte Jagger: „Till your metabolic processes are 'istory! ''Our off the twig! 'You kicked the bucket, 'ou're shuffled off the mortal coil, run down the curtain and joined the bleedin' choir invisible!“)

Richards sah auf den Haufen zerhackter Blätter vor sich, überlegte etwas und sagte dann: „Gib mir das schriftlich!“ Er nahm eine Zeitung vom Tisch, notierte auf den Rand Jaggers Aussage und ließ ihn unterschreiben. Die Band würde bestehen, solange Richards lebt. 

Mick hat Keith seit damals Unsummen für den Zettel geboten, aber dieser blieb bis heute hart.

 

Mozart

In ganz jungen Jahren hatte sich Mozart feste vorgenommen, ein ganz und gar unauffälliges Leben zu führen. Forstadjunkt wollte er werden oder Feldjäger oder Postillion oder einfach nur ein Lauser. Bekanntlich kam es anders, worüber er in stillen Stunden oft zu klagen pflegte. Einmal fragte ihn eine junge Dame daher, warum denn nur um alles in der Welt er so jammere; als Forstadjunkt würde er jetzt mit irgendeiner dicken Zenzie im Bett liegen und nicht mit ihr. Da seufzte Mozart laut und kläglich: „Ach Katzrl, weil ich es so hasse, dass man später einmal Musikeranekdoten über mich schreiben wird.“

 

Marx

Bekanntlich waren die Marx Brothers nicht nur geniale Komiker, sondern auch großartige Musiker. Groucho, der Anführer der Bande, war aber privat ein todernster Mensch, und nichts hasste er so sehr, wie wenn in seinem Beisein Witze oder Anekdoten erzählt wurden. Seine Brüder Gummo und Zeppo machten sich in jungen Jahren gerne über diese Marotte lustig, was oft in einer wüsten Schlägerei und schließlich dem Ausscheiden der beiden aus der Truppe endete. 

Nun wollte es eines Tages der kleine Harpo seinen Brüdern nachmachen. Während Groucho ihm gerade einen neuen Taschenspielertrick beibrachte sagte Harpo plötzlich: „Kennst du den Witz von den drei nackten Nonnen, die Skat...“, doch weiter kam er nicht, Groucho hielt abrupt inne, gab Harpo eine Kopfnuss und sagte böse: „Ich verbiete dir auf der Stelle den Mund!“ Der Rest ist Filmgeschichte.

 

Roy Black

Eigentlich sollte Roy Blacks Hit „Ganz in Weiß“ „Ganz in Schwarz“ heißen; deshalb hatte sich der Sänger, der eigentlich Gerd Höllenfürst hieß, auch den Künstlernamen „Black“ zugelegt. Der Text handelte von einer jungen Witwe, die am Grab ihres von einem herabstürzenden Dachdecker erschlagenen, erst vor drei Tagen angetrauten Ehemanns schwört, nie mehr eine andere Farbe als schwarz zu tragen. Überhaupt würde sie nie mehr etwas anderes anziehen als das, was sie bei seiner Beisetzung trage.

Während der Aufnahme des Liedes im Jahre 1966 ließ ein Toningenieur erkennen, dass ihm die Sache nicht so recht gefiel. „Das hat etwas... etwas Morbides an sich! Wer möchte so etwas Trauriges hören? Damit kann man die Leute nicht erfreuen.“ 

Black und seine Mitmusiker kamen ins Grübeln. In der Tat, der Schlagertext war nicht sehr aufbauend. Er passte einfach nicht in die Zeit von „Wohlstand für alle“ und dem Wirtschaftswunder. „Und wenn wir statt des Dachdeckers einen Schornsteinfeger nehmen? Oder einen Antennenbauer?“ schlug jemand vor, doch auch das führte nicht wirklich aus der Sackgasse hinaus. Und so kamen die Aufnahmen ins Stocken. 

Ein glücklicher Zufall rettete das Lied: Beim Brötchenholen kam Black wenige Tage später an einem Gotteshaus vorbei, aus dem gerade eine fröhliche Hochzeitsgesellschaft strömte. Darunter befand sich auch die Braut, angezogen mit einem leuchtend weißen Hochzeitskleid. „Das ist es doch!“ rief Black fröhlich aus. „Weiß statt schwarz! Aber natürlich!“ Er eilte umgehend zum Studio, trommelte alle Techniker und Musiker zusammen und überredete gemeinsam mit ihnen den Texter des Liedes, noch einmal nachzudichten. Dieser schrieb dann später für Alexandra die Titel „Schwarze Balalaika“, „Schwarzer Engel“, „Dunkles Wolkenmeer“ sowie „Grau zieht der Nebel“; außerdem für die Rolling Stones „Paint it Black“.

Über die ganze Aufregung hatte man dummerweise vergessen, den Sänger in White umzubenennen. Das nutzte dann später ein anderer Schlagerfuzzi für sich aus.

 

Humbert

Jean-Jacques Humbert, Komponist so beliebter Gassenhauer wie „Wenn alle Stricke reisen“, „Bütterken“, „Komm auf die Schaufel, Lolita“, „Heimweg“, „Heimweg II“ und „Die Meistersinger von Nürnberg“ war Zeit seines Lebens kein Kind von Traurigkeit. So mischte er sich gerne unter die Teilnehmer von Kaffeefahrten und begann unterwegs die Village People zu parodieren. Auf der anderen Seite war er auch ein sehr scheuer, geradezu misanthropischer Zeitgenosse. Er hatte Angst vor Bärten, Sonnenbrillen mit grünen Gläsern, Zahnseide, Anti-Aging Cremes, Taschenlampen, Enten und Wasser, außerdem vor den Teilnehmern an Kaffeefahrten. Dem weiblichen Geschlecht hingegen war er Zeit seines Lebens gegenüber aufgeschlossen, denken wir nur an die unsterblichen Reime aus seinem Erfolgshit „Erinnerungen eines Handlungsreisenden“:

„Oft denke ich an Ettenheim,

ging da bei Hedwig aus und ein.

Im Freudenberger Freudenhaus

Ließ ich fast keine Sause aus.“

 

Kaiser Nero

Entgegen der offiziellen Geschichtsschreibung entleibte sich Kaiser Nero am 9. oder 11. Juni 68 nicht etwa, weil Gaius Iulius Vindex, Statthalter der Provinz Gallia Lugudunensis, zum Aufstand gegen ihn aufrief, auch nicht, weil sich die beiden Prätorianerpräfekten Tigellinus und Gaius Nymphidius Sabinus von ihm abwandten und auch nicht, weil sich Galba, Statthalter in Hispania, den Aufständischen anschloss und etliche Heerführer sich dem anschlossen und auch nicht, weil er auf seiner Flucht nach Ägypten von seiner Leibgarde im Stich gelassen wurde. Auch stach er sich nicht den Dolch in die Kehle, weil ihn ein Schreiben erreichte, das beinhaltete, dass er vom Senat zum "Feind des Volkes" erklärt worden sei und man ihn suche, um ihm die entsprechende Bestrafung angedeihen zu lassen.

Nein. In Wirklichkeit verhielt es sich so: Nero war guter Dinge, die Flucht nach Ägypten schien zu gelingen. Unterwegs fand er Unterschlupf bei einem Getreuen. Dieser hatte zur selben Zeit einen blinden Seher zu Gast, welcher sich aber wenig beeindruckt davon zeigte, dass er mit dem Imperator persönlich das Abendbrot teilte.

Nero forderte ihn daher auf, ihm den nötigen Respekt zu bezeugen. Da antwortete der Blinde: "Oh Nero, du magst dich heute noch für den Größten unter den gewissenlosesten Herrschern und Musikern halten. Aber es wird ein Jahr kommen, da wird eine Regentin einen Schaden anrichten, von dem du nur träumen kannst! Diese Zeit ist noch in weiter Zukunft, aber sie wird kommen, und dann wird man dich nur noch als einen ganz kleinen Gauner sehen!"

Nero war zutiefst erzürnt, aber es galt damals als Verbrechen, einen blinden Seher zum Schweigen zu bringen, und so rief der Kaiser aus: "Du bist ein Schwindler, Alter! Du redest mit gespaltener Zunge und willst falsches Zeugnis gegen mich ablegen!"

Der Alte aber blieb ruhig sitzen, brach noch etwas Brot und antwortete mit entspannter Stimme: "Wir werden sehen, o Caesar. Ich habe in meinen Vorhersagen noch niemals falsch gelegen! Erkundige dich, wer in den letzten beiden Jahren jede Woche die Lottozahlen richtig vorher gesagt hat!"

Da begann es den Nero zu grausen, denn er hatte davon bereits gehört und wusste, der Alte lügt nicht. "Aber niemand", so warf er mit letzter Kraft ein, "spielt die Lyra so wie ich!"

Der Alte schluckte den Rest seines Brotes herunter und nickte. "Das ist wahr, oh Imperator! Aber sie wird nicht die Lyra spielen, sondern die Blockflöte!"

Und da erfasste Nero ein namenloses Entsetzen, denn er erkannte, dass es für ihn kein Entrinnen mehr gab. Er würde als kleiner Zündler und Hühnerdieb in die Geschichte eingehen! Als ein wenig gaga vielleicht, aber nichts im Vergleich mit dieser Tyrannin aus der Zukunft. Und so geschah es auf der Stelle. Mit Hilfe seines Sekretärs Epaphroditus stach er sich einen Dolch in die Kehle. Als ihm ein römischer Soldat das Leben retten wollte, um die Belohnung zu erhalten, die auf den lebenden Nero ausgesetzt war, soll er noch in Verkennung der Tatsachen „Danke! Wir schaffen das!“ gesagt haben.

(Alle Texte aus: die 111 schönsten Musikeranekdoten, gesammelt von D. J. Katz, 256 Seiten, Halb Leder, halb Pappe, mit halbseidenem Lesebändchen. Edition Phimose, St. Kützelmütz, 2018)

Groucho Marx: Lydia 

Chico Marx spielt Piano

Harpo Marx spielt Harfe 

Harpo Marx spielt nicht die Harfe

Roy Black singt in einem grauen Anzug „Ganz in Weiß“

Die Rolling Stones singen „Paint it black“ 

Keith Richards  Cocaine Blues 

Florence Foster Jenkins singt Mozart: Der Hölle Rache 

Kaiser Nero singt zur Lyra 

Village People Go West!

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Leserpost

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Marc Blenk / 23.09.2018

Lieber Herr Bechlenberg, danke für die Marx Brothers. Mit denen mache ich mir einen schönen Samstagabend.

Werner Arning / 23.09.2018

Die größte Kunst ist es jedoch ein großer Übertäter zu sein, das Übel ungehindert und vor den Augen aller, in aller Ruhe auszuführen, dabei nicht einmal Zwang einzusetzen und dafür nicht nur nicht bestraft, sondern bewundert und geschätzt zu werden. Und zwar von den Opfer der übelen Taten. Das ist die hohe Kunst des Bösen. Von denen, die das schaffen, gibt es in der Geschichte nur Wenige. In Deutschland gibt es hin und wieder welche, die das schaffen (wir). Da kann sich Nero vor Neid nur den Dolch geben.

Wiete Dankov / 23.09.2018

Köstlich, wie immer…Ein wahres Antidepressivum .Humor ist, wenn man trotzdem lacht.

Bernd Ackermann / 23.09.2018

Vor einigen Jahren besuchte ich ein Konzert der Stones, über 100 Euro für eine blutleere und routiniert heruntergeklampfte Bühnenshow der alten Herren. Seitdem bin ich der festen Überzeugung, dass Keith Richards heimlich von Gunther von Hagens plastiniert wurde. Der Typ kann gar nicht sterben. Apropos Village People: anlässlich der Fußball-WM in den USA 1994 nahm die deutsche Nationalmannschaft (ja, damals hieß die noch so!) zusammen mit den Village People ein - naja - “Musikstück” auf, über das man besser den Mantel des Schweigens breitet. Allerdings fanden die VP - alle ziemlich “queer”, wie man heute sagt - den Nationalspieler Maurizio Gaudino recht anziehend und rückten ihm auf die Pelle, was diesen wiederum gar nicht begeisterte. Vielleicht hat er deshalb so schlecht gesungen. Jedenfalls kam Gaudino dann einige Monate später doch noch zu musikalischen Ehren:  er wurde wegen Versicherungsbetrug verhaftet, da er sich mit einer Autoschieberbande eingelassen hatte um die Versicherungsprämie für seinen Luxus-PKW zu kassieren (so ein Profil-Fußballer verdient halt nur drei-fuffzig, da muss man sehen wo man bleibt. Heute haben die Messis und Özils als Steuersparmodell Firmen in Panama). Die Fans von Eintracht Frankfurt sangen daraufhin (zur Melodie von “Eviva Espana”): “„Die Sonne scheint bei Tag und Nacht, Maurizio Gaudino, und keiner weiß, wie er das macht, Maurizio Gaudino! Wer klaut Autos in der Nacht, Maurizio Gaudino, und keiner weiß, wie er das macht, Maurizio Gaudino!“. In anderen Stadien war es profaner: “Schiri, wir wissen wo dein Auto steht - Gaudino hat’s, Gaudino hat’s”.

W. Schwarz / 23.09.2018

Der Bezug zur Grökaz und ihren Helfershelfern ist nicht so weit hergeholt. Auch sie wird in die Geschichte eingehen, einen noch größeren - kaum wieder gutzumachenden - Schaden an ihrem Land angerichtet zu haben. Die Konsequenz für die Bevölkerung wird sein: Halbdiktatur ohne nennenswerte Freiheiten und unweigerlich wirtschaftlicher Abstieg. Danke den dekadenten Idioten, die ihr dabei geholfen haben.

Michael Jansen / 23.09.2018

Danke sehr! Der Sonntag ist geritzt! Für alle anderen gibt es ja Mario Barth. Oder Fips Asmussen. Oder so.

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