Vor einigen Tagen ist Andrew Sachs gestorben. Der Schauspieler dürfte auch in Deutschland vielen Fernsehzuschauern bekannt sein. In der aus den 1970ern stammenden, bis heute populären britischen Sitcom „Fawlty Towers“ spielte Sachs den Kellner Manuel, der für manche Verwirrung in dem fiktiven südenglischen Hotel unter der Leitung von John Cleese alias Basil Fawlty (mit)verantwortlich war. Andrew Sachs stammte aus Deutschland, als Andreas Siegfried Sachs wurde er 1930 in Berlin geboren. Die Familie - sein Vater war Jude - floh 1938 vor den Nazis nach London.
Seine Rolle als Manuel dürfte Sachs' einprägsamste Arbeit als Schauspieler gewesen sein, doch er war über Jahrzehnte hinweg in weiteren Filmen, TV-Serien und vor allem im Radio aktiv. Und er nahm einige Platten auf, in denen er den so beliebten Manuel als zweites Ich im Bandnamen Manuel and Los Por Favors wiederbelebte. Dass Fawlty Towers bis heute so populär ist (die beiden Staffeln der Serie werden immer noch wiederholt und sind natürlich auch auf DVD und Blueray erhältlich) lag zum einen an den großartigen Drehbüchern von John Cleese und dessen damaliger Ehefrau Connie Booth, zum zweiten aber auch an einer geradezu schamlosen politischen Unkorrektheit, wie sie heute im Fernsehen völlig unvorstellbar wäre.
Von einem Fettnapf in den nächsten
In Fawlty Towers wurde sich über alles und jeden lustig gemacht, zuerst und vor allem britische Tugenden wie Standesdünkel, Vorurteile gegen alle, die nicht von der Insel stammen und Hochnäsigkeit. Ein beliebtes Opfer war eben Manuel, der aus Spanien kam, kaum englisch sprach und noch weniger verstand und gerade durch sein Bemühen, es allen recht zu machen, von einem Fettnapf in den nächsten trat. Zumeist konnte er gar nichts dafür, dass er im Auge des Chaos stand – in einer Folge stellt ihm der Küchenchef des Hotels nach, ein Grieche, was Hotelchef Basil Fawlty, der zunächst gar nicht glauben will, dass sein Koch schwul ist, schließlich zu der Bemerkung veranlasst: „A Greek! THEY invented IT!“
Legendär auch die Folge „The Germans“, in der Basil bei dem Versuch, sich deutschen Gästen gegenüber als besonders aufgeschlossen zu verhalten („Don't mention the war!“), vollkommen aus der Kurve gerät, was in ein unvorstellbares Durcheinander mündet. Nun also ist Andrew Sachs im Alter von gesegneten 86 Jahren gestorben (oder, wie John Cleese es ausdrücken würde: „Now he is an ex-spanishman!“), seit 2012 litt er unter Demenz. Andrew Sachs muss ein überaus liebenswerter Mensch gewesen sein, und man möge sich immer an ihn erinnern; bis zuletzt wurde er liebevoll umsorgt von seiner Ehefrau, mit der er 56 Jahre lang verheiratet war.
56 Jahre, also seit 1960. Ein Jahr später wurde in England die erste Folge einer Serie ausgestrahlt, die ebenfalls bis heute populär und unvergessen ist. Unter dem Titel „Mit Schirm, Charme und Melone“ liefen seit 1966 einmal wöchentlich am Freitagabend die Folgen ab Staffel 4 auch im Deutschen Fernsehen. Ich war damals 13 Jahre alt und durfte das natürlich nicht sehen, nur ab und zu gelang es mir quasi als Zaungast, ein paar verbotene Blicke auf die leider bereits mehr als doppelt so alte Emma Peel zu werfen, nämlich dann, wenn die Tür zum Herrenzimmer, in dem der Fernsehempfänger stand, nicht ganz verschlossen war, aber das kam nur allzu selten vor. So musste ich mir dann am nächsten Tag in der Schule – damals gab es noch samstags Unterricht – von Mitschülern, deren Eltern weniger restriktiv als meine waren, erzählen lassen, wie super (das Wort geil existierte noch nicht) es wieder gewesen war und wie scharf Emma wieder ausgesehen habe.
Die Glaubwürdigkeit entsprach den Tagesthemen von heute
Die Plots der einzelnen Folgen waren durchweg bizarr bis blödsinnig, ihre Glaubwürdigkeit entsprach damit so manchen Tagesthemen von heute. Meist waren es exzentrische Verschwörer, denen das Agentengespann Mr. Steed und Mrs. Peel im Verlaufe von knapp 50 Minuten den Garaus machen musste. Es gab durchaus Tote hier und dort, diese wurden aber zuverlässig unblutig entleibt. Gift, elektrischer Strom, ein Fluss oder ein stiller See boten genügend dezentere Meuchelmöglichkeiten, und wenn denn doch einmal Dolch oder Kugel dafür sorgen mussten, dass die metabolischen Prozesse des Opfers für immer beendet wurden, geschah das erfreulich diskret und wurde einzig durch verdrehte Augen, verzerrte Mienen oder theatralisches Umfallen der Geschädigten dargestellt.
Der Darsteller des John Steed, ein perfekter Gentleman namens Patrick Macnee, ging im Juni 2015 zu seinen Ahnen, Diana Rigg hingegen erfreut sich mit inzwischen 78 Jahren noch guter Gesundheit; man darf allerdings annehmen, dass sie ihre vor 50 Jahren in der Serie zu bewundernden akrobatischen Fähigkeiten und ihren perfekten Karateschlag heute wohl nicht mehr praktiziert. Diana Rigg kann auf eine eindrucksvolle Filmografie zurück blicken, so war sie unter anderem 1969 die Gattin von James Bond, wenngleich mit für sie tödlichem Ende. Seit 2013 kann man sie in der so genannten Kultserie „Game Of Thrones“ erleben. Kein Wunder, dass die vielseitige Darstellerin auch eine beeindruckende Liste an Auszeichnungen vorweisen kann, darunter zwei Ehrendoktorwürden. 1987 wurde sie von der britischen Queen zum Commander of the British Empire (CBE) ernannt; der einsame Gipfel an Ehrungen dürfte allerdings in der gleich zweifachen Verleihung des Goldenen Bravo Ottos liegen, den sie 1968 und 1969 entgegen nahm, gemeinsam mit – Noblesse oblige – Patrick Mcnee.
Während letzterer in allen Staffeln der Serie zwischen 1961 und 1969 dabei war, hatte Diana Rigg einige Vorgängerinnen und Nachfolgerinnen. Doch sie ist wohl die populärste der Avengers bis heute, auch wenn sie nur zwei Jahre lang an John Steeds Seite das Böse bekämpfte. Vor allem als das, was man heute „Mode-Ikone“ nennt, war sie maßgeblich am kulturellen Leben seit Mitte der 1960er Jahre beteiligt. Ihre Outfits, die Minikleider und ihre hautengen Anzüge, meist aus sündigem schwarzen Leder, sind Legenden der TV- und Filmgeschichte. Gestern Abend sah ich zum ersten Mal auf DVD die Folge „Die Nacht der Sünder“, die wegen Diana Riggs sensationeller Aufmachung in lupenreiner SM-Optik in etlichen Ländern nicht gesendet werden durfte. Den Oberschurken in dieser Geschichte gab übrigens Peter Wyngarde, der später als der exzentrische Kotelettenträger Jason King Held einer eigenen Serie wurde, aber das ist eine andere Geschichte.
Ein großer Spaß
Es ist ein großer Spaß, sich heute die auf DVD erschienenen Folgen von „Mit Schirm, Charme und Melone“ anzusehen, zum einen natürlich wegen Steed und Peel, zum anderen aber auch wegen der vielen wunderbaren alten Autos, der damaligen Mode und der geschliffenen Dialoggeplänkel zwischen den Beiden. Auf dem Sender BLIZZ laufen derzeit tägliche Folgen, aber auch die DVD Boxen sind erschwinglich. Ich rate dringend zum Kauf. Man kann sich das immer wieder ansehen, so wie auch Fawlty Towers.
Zuletzt für heute noch ein sehr besonderer Musiktipp, passend zur besinnlichen Vorweihnachtszeit. Ich freue mich jedes Jahr darauf, das unvergleichliche Duo Henrietta und Merna ein schönes altes Weihnachtslied darbieten zu hören und sehen. „Go Tell It on the Mountain“, ein afroamerikanisches Spiritual, wurde in seiner weit zurück reichenden Geschichte wohl selten, womöglich nie, mit solcher Inbrunst dargeboten wie vor einigen Jahren von den beiden prägnanten Damen. Und einer kulturell ambitionierten Person ist es zu verdanken, dass das Stück als Videoclip bei Youtube abrufbar ist. Bitte beachten Sie die souveräne Ansage, die raffinierte Kameraarbeit und den geradezu ekstatischen Bass in der Backgroundband. Und versäumen Sie auf keinen Fall, die unter dem Clip zu findenden zahlreichen Kommentare zu lesen, die der Darbietung von Henrietta und Merna ihre angemessene Referenz erweisen.
Links:
Datenbank zu „Mit Schirm, Charme und Melone“
Emma Peel als SM Göttin
Andrew Sachs erinnert sich an Fawlty Towers:
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