Archi W. Bechlenberg / 12.08.2018 / 06:11 / Foto: Pixabay / 19 / Seite ausdrucken

Das Anti-Depressivum: Brieffreundschaften

Als Teen pflegte ich etliche Brieffreundschaften, und ich bin mir nicht sicher, ob ich mich an alle erinnere. Es war ein tolles Hobby mit unglaublichen Möglichkeiten, rund um die Welt Kontakte zu pflegen. Wohlgemerkt, ich spreche von einer Zeit lange vor unserer Zeit. Briefe nach „Übersee“ brauchten mehrere Wochen, es sei denn, man konnte sich die auf dünnem Papier zu verschickende Luftpost leisten. Dann war es eine Woche.

Von daher traf es sich gut, dass mein erster Brieffreund ein Schweizer war. Obwohl er Schweizer war, ging es mit ihm doch unterm Strich flotter, als mit einem Freund in New York. Ich war acht Jahre alt und zum ersten Mal ohne meine Eltern unterwegs, zusammen mit meinem Pfadfinderrudel war ich als „Wölfling“ in der Nähe von Basel auf einer Burg einquartiert, wo es, abgesehen vom allmorgendlichen Gottesdienst, allerlei Schönes und Spannendes und Erbauliches zu erleben und zu tun gab. Fahrtenmesser spielten für uns dabei eine wichtige Rolle, entsprechend viel zu tun hatte der für den Erste-Hilfe-Kasten zuständige ältere Wolf. Ein Junge, ich erinnere mich gut, musste früher nach Hause reisen, nicht weil er etwas ausgefressen hatte, sondern weil seinem Vater etwas passiert war. Womöglich war der mit seinem Fahrtenmesser unvorsichtig umgegangen.

Außer unserem deutschen Fähnlein war auch eine Schweizer Gruppe einquartiert, sie waren einige Jahre älter und für uns Kleinen eine unermessliche Quelle an neuem Wissen und Erfahrung, und sie konnten weitaus souveräner als wir mit den Fahrtenmessern umgehen.  Manches aus ihrem Wissensschatz kam für Acht- bis Neunjährige – zumindest 1961 – noch etwas früh, wurde aber dennoch im Gedächtnis dankbar auf Wiedervorlage gelegt, insbesondere, wenn es um Mädchen ging.

Einem der Schweizer hatte ich es offenbar angetan, und so beschlossen wir, auf die vor Ort geschlossene Freundschaft eine Brieffreundschaft folgen zu lassen. Ich gebe unumwunden zu: ich profitierte davon eindeutig am meisten. Hans, so hieß der Schweizer Pfadi, war nämlich ein ausgesprochen gebefreudiger Knabe. Er versorgte mich nicht nur regelmäßig mit all den wunderschönen Schweizer Briefmarken seiner Zeit; seine „Briefe“ hatten stets Päckchenformat und enthielten neben den Marken und den seitenlangen Briefen große weiße Tüten, die eine köstliche Spezialität enthielten: Basler Leckerli.

In mühsam zusammengekleckertem Englisch

Zwar Bruchware und schmucklos verpackt (vermutlich hatte Hans gewisse Beziehungen zum Hersteller), aber das war mir völlig egal. Auch angeknackst schmeckte das Zeug sensationell. Zudem half es mir dabei, die letzten Milchzähne rascher abzuwerfen. Und die Päckchen waren außen ringsum mit weiteren Briefmarken gepflastert. Pro Juventute, Pro Patria – bestimmt gab es auch Contra-Serien. Irgendwann erlahmte mein Interesse an Briefmarken, aber irgendwo müssen die Alben noch sein.

In denen auch viele US-amerikanische Marken sein dürften, denn ein weiterer Brieffreund wohnte in Oak Park, Illinois. Wie ich an ihn geraten bin, weiß ich nicht mehr zu sagen, es kann sein, dass in manchen Jugendzeitschriften Rubriken à la „Brieffreund gesucht“ zu finden waren und ich dort hin geschrieben hatte. Unter Oak Park, soweit reichte mein Englisch damals schon, stellte ich mir etwas vor wie eine Siedlung inmitten von Wäldern wie denen in Disney Cartoons, in denen die Backenhörnchen Donald Duck zur Verzweiflung bringen.

Das schrieb ich ihm dann auch. So klärte mich mein Brieffreund erst einmal über seinen Heimatort auf, der eigentlich ein Vorort von Chicago ist, aber dennoch recht idyllisch daher kommt. Dass ein gewisser Frank Lloyd Wright hier gewirkt hat, war kein Thema unserer Kinder-Korrespondenz, aber stolz war Mike, so der Name des Freundes, auf einen Sohn seiner Stadt, von dem ich bis dahin noch nie etwas gehört hatte. Ernest Hemingway ist dort 1899 geboren, und der hielt es tatsächlich 18 Jahre in der Stadt aus. Was verwunderlich scheint, immerhin darf in Oak Park erst seit 1973 in Restaurants und Hotels Alkohol serviert und erst seit 2002 (sic!) in ausgesuchten Läden verkauft werden. Wie Tatie Hemingway das nur durchgehalten hat! 

Durch Mikes Briefe wurde ich auf Hemingway neugierig, und so kaufte ich mir einige seiner Bücher als preiswerte Rowohlts Rotations Romane.

Ein Satz, in dem sechsmal „und“ vorkommt

Ich kann noch heute mit geschlossenen Augen aus den sich über inzwischen zwei Etagen erstreckenden Bücherregalen im Haus – die ganz und gar sinnlos sortiert sind – jeden Hemingway ziehen. Der erste Band, den ich kaufte, heißt „Der Sieger geht leer aus“, und der erste Absatz beginnt so: 

„Es ging um gar nichts, um irgendwas über Punschmachen, und dann begannen wir zu raufen, und ich rutschte aus, und er kriegte mich unter, kniete mir auf der Brust und würgte mich mit beiden Händen, als ob er mich umbringen wollte, und die ganze Zeit über versuchte ich, mein Messer aus der Tasche zu ziehen, um ihn loszuschneiden.“

Nicht, dass ich ein Anhänger blutiger Gewaltexzesse wäre (denn blutig wird es im nächsten Satz mehr als reichlich). Nein, dieser eine Satz, in dem sechsmal „und“ vorkommt, und das kein Mal zu viel oder gar stilistisch plump, knallte mir ohne Vorwarnung in den Kopf und riss mich wie eine Urgewalt hin, und ich wusste, mein Deutschlehrer hätte mir so etwas um die Ohren gehauen und mir eine Note verpasst, von der ich mich so schnell nicht wieder erholt hätte, und dabei war Hemingway Literaturnobelpreisträger und wurde als Meister der Kurzgeschichte gefeiert, und wer war schon mein Deutschlehrer und wieso war wohl ausgerechnet ein Buch Hemingways einer der ersten fünf Bände, mit denen Rowohlt seine berühmte rororo Reihe eröffnete? (Band 1 war „Kleiner Mann, was nun?“ von Hans Fallada). Na, wenn der nicht schreiben konnte! (Zur Ehrenrettung des Deutschlehrers muss ich erwähnen, dass er später oft und vehement betonte, dass der zu dieser Zeit besonders populäre und auch als Schullektüreverfasser omnipräsente Heinrich Böll ein Stümper sei und er mit uns diesen Schund nicht lesen werde.)

Ich habe gerade mal einen kleinen Kontrollgang gemacht und festgestellt, dass es vor allem rororo Taschenbücher sind, die ich über alle Umzüge der früheren Jahre hinweg stets mit mir geschleppt habe und nicht irgendwann einmal irgendwo stehen ließ. Das hat gewiss Gründe. Darunter sind zwei mit dem anfangs bei Rowohlt noch verwendeten Leinenrücken, zum einen Dürrenmatts „Richter und sein Henker“, ein Buch, das mich ungeheuer erschreckte, nicht zuletzt wegen der gespenstischen Illustrationen von Karl Staudinger (1874 – 1962). Der andere Band mit Leinenrücken ist Heinrich Manns „Professor Unrat“, in dessen Mitte eine Anzeige für Creme Mouson damit wirbt, dass selbst im fernen Osten die Frauen schön blieben, weil sie die Tiefenwirkung der Pampe zu schätzen wüssten.

„Hinter einer Lokusmauer saß der Doktor Adenauer“ 

Ganz viel Tucholsky, ein Rowohlt Autor der ersten Stunde, steht da und gilbt vor sich hin; längst kann man Gesamtausgaben des 1935 verstorbenen Satirikers als E-Books für nicht einmal 1 Euro erwerben, da seine Werke heute gemeinfrei sind. Ich verstand ihn anfangs als Schreiber von Clownerien („Wo kommen die Löcher im Käse her?“) und begriff ihn erst Jahre später als das, was er tatsächlich war. In meiner Ausgabe von „Zwischen gestern und morgen“ von 1967 kann man lesen, dass seine Werke bereits zu dieser Zeit „als Taschenbücher in 1,5 Millionen Exemplaren verbreitet sind“. Liest heute noch jemand Tucholsky außer mir? Tun Sie’s!

B. Traven fiel mir vorhin ins Auge. „Das Totenschiff“. Kennt heute auch keiner mehr, dabei wurde es sogar mit dem klinisch reinen Horst Buchholz verfilmt. Der gefiel mir besser in „Monpti“ nach dem rororo Buch gleichen Namens von Gábor von Vaszary, mein erstes Buch, das in Paris spielt. Da hatte ich Henri Miller noch nicht entdeckt; auch er einer der Autoren, die durch Rowohlts Rotationsromane in Deutschland Verbreitung fanden, sofern seine Bücher nicht von einem eifrigen Sittenwärter beschlagnahmt wurden.

Leuchtend rot und gelb aus einer politischen Nebenreihe bei Rowohlt steht Joachim Kahls „Elend des Christentums“ da, ein Buch, das damals meinem bereits gefestigten inneren Widerstand gegen alles Überirdische endlich auch historische Fakten lieferte. Arg zerlesen fällt mir aus dem Jahre 1969 Peter Rühmkorfs „Über das Volksvermögen“ entgegen, laut Text auf dem Titelbild „eine umfassende Dokumentation zeitgenössischer Volks- und Kinderpoesie, kritisch kommentiert und durchgesehen nach Maßgabe eines gesunden Volksempfindens.“ Zerlesen ist das Büchlein nicht so sehr wegen der für mich als damals 16-Jährigen eher unverständlichen sprach- und gesellschaftlich fundierten Analysen Rühmkorfs, die er zu den einzelnen Gebieten der Volkspoesie – welche sich sowohl aus der volksnahen, alltäglichen Lebenserfahrung wie auch der bereits damals einflussreichen Werbesprache zusammenklüngelte – verfasste, sondern wegen der zahlreichen Beispiele, in denen ich nicht nur vieles vertraute, sondern auch neues fand.

Veralberte Werbesprüche („Der Mann ist tot, die Witwe kichert, denn er war Allianzversichert“) ebenso wie Umdichtungen von Liedern („Oh Tannenbaum, oh Tannenbaum / der Lehrer hat mich blau gehaun / jetzt muss ich in der Ecke stehn / und mir die kahle Wand besehen“) und Abzählverse („Hinter einer Lokusmauer / saß der Doktor Adenauer / hatte kein Papier / und raus mit dir“). Natürlich gibt es allerlei Schweinöses darin, was ich nur der Vollständigkeit halber erwähnen möchte, ohne dafür näher auf Beispiele einzugehen. Und viel Zeitgeschichte steckt in simplen Versen, wie dem Kindergebet „Lieber Gott, mach mich stumm / dass ich nicht nach Dachau kumm / Lieber Gott mach mich taub / dass ich nicht am Radio schraub / Lieber Gott, mach mich blind / dass ich alles herrlich find / Bin ich taub und stumm und blind / bin ich Adolfs liebstes Kind.“ 

Und so lande ich thematisch ganz aktuell bei  einem Taschenbuch aus einem anderen Haus, dem damals existierenden Schweizer Diana Verlag. Es ist aus dem Jahre 1950, es sieht wenig ansprechend aus mit dem in tristem Grau und einem verwaschenen Rot gehaltenen Einband und seinem inzwischen nahezu völlig vergilbten Papier. Es nennt sich im Untertitel „Ein utopischer Roman“, und das mag er zu seiner Zeit auch gewesen sein. 

Und heute? Entscheiden Sie selber. Ich zitiere daraus zwei Sätze: 

„Die Neusprache war die in Ozeanien eingeführte Amtssprache und zur Deckung der ideologischen Bedürfnisse des Engsoz erfunden worden. Sie hatte den Zweck […], jede Art anderen Denkens auszuschalten. Wenn die Neusprache erst einmal für alle angenommen war, (etwa im Jahre 2050), sollte sich ein unorthodoxer – d. h. ein von den Grundsätzen der Engsoz abweichender Gedanke – buchstäblich nicht mehr denken lassen.“ 

Ja, heute gehört George Orwells 1984 nicht mehr ins Regal mit der (Science) Fiction, sondern mit den Büchern zur zeitgenössischen Politik und Geschichte.

Die Rituale des Schreibens

Ach je, nun bin ich mal wieder ganz furchtbar abgeschwiffen, Harry Rowohlt, der Großmeister der Abschweifung, hätte wahrscheinlich daran seine Freude gehabt. Dabei ging es anfangs ja um den schönen alten Brauch der Brieffreundschaft und die Frage, ob es so etwas heute noch gibt. So richtig handgeschrieben, auf Papier, mit frankiertem Umschlag in den Briefkasten gesteckt und dann Wochen gewartet, bis endlich eine Antwort kommt.

Klar, man kann heute weitaus unkomplizierter korrespondieren, und ich sehe ohne jede Frage die vielen Vorteile, die wir nun durch mailen und skypen und twittern und whatsappen haben. Aber bin ich altmodisch, wenn ich sage, es ist nicht mehr das gleiche? Ich meine nicht im technischen Sinne, ich bin kein Maschinenstürmer. Aber es fehlt mir das Besondere. Die Rituale des Schreibens, die Freude, wenn der bunt frankierte Umschlag aus Chicago oder Basel oder New York oder meinetwegen auch München endlich im Briefkasten lag, und ja, selbst das oft übermäßig lange Warten auf eine Reaktion des Gegenübers fehlt. Das hatte eine ganz andere Wertigkeit als die Mail, die eventuell noch am selben Tag eine Antwort erhält, selbst wenn sie von St. Helena oder den Aleuten kommt.

(Einschub nach Redaktionsschluss: eben lese ich, dass es tatsächlich noch Brieffreundschaften – oder besser – Briefwechsel auf die alte Art gibt. Mit Knackis. Ein in Dänemark einsitzender Mörder sucht über sein von einem Bekannten gepflegten Facebookprofil realen Briefwechsel auf Papier, online sei ihm nicht gestattet.)

Nicht viel anders geht es mir heute mit Musik. Wie gut erinnere ich mich daran, was los war, wenn ich selber oder einer der Freunde eine neue Langspielplatte gekauft hatte! Das war jedes Mal wie ein dicker Brief aus Oak Park voller Eicheln oder was auch immer die da als Spezialität zu bieten haben. LPs kosteten viel Geld und wurden folglich selten gekauft und dann auch entsprechend verehrt. „Ich habe mir gestern die neue Platte von den Stones geholt, kommst du nach den Aufgaben vorbei?“

Aber klar kam man, und meist schon vor den Aufgaben; die wurden dann am nächsten Morgen auf der Schulhofbank abgeschrieben. Und dann hockte man zusammen und ließ die Hülle von Let it Bleed kreisen und sah sich den fantasievollen Kuchen auf dem Cover an und las jedes Wort auf der Rückseite, als sei es eine Offenbarung und legte die Scheibe immer und immer wieder auf und heulte mit Mick Jagger  „Love In Vain“  und versuchte alle Texte zu verstehen und diskutierte darüber, ob der Chor bei „You can't always get what you want“ nicht komplett daneben war, aber damit hatten ja auch schon die Beatles und Pink Floyd... und nächstes Mal bringe ich etwas total Irres mit, die heißen King Crimson... Nie gehört!

Heute können wir jede noch so obskure Band und jede noch so russische Pianistin und jeden noch so kirgisischen Teufelsgeiger online finden und hören und vieles entdecken, von dem wir sonst nie erfahren würden, und das ist auch wirklich ganz toll, auch wenn 24 Stunden am Tag dafür niemals reichen können, und auch ich habe auf diese Weise schon so viel profitiert, aber das alles hat nicht mehr dieses Besondere, dieses Kostbare, dieses Magische, wie es dem ersten Hören einer mühsam zusammengesparten Pink Floyd LP oder von den Kinks oder von Nick Drake auf dem Plattenspieler in Vaters Grundig Musiktruhe innewohnte, zusammen mit Freunden, mit einer Selbstgedrehten aus Van Nelle Zware Shag zwischen den Lippen, im Schneidersitz auf dem Perserteppich im elterlichen Wohnzimmer.

Links zum Thema:

Monpti (1957) mit Romy Schneider und Horst Buchholz 

Ernest Hemingway, Wrestling With Life

Hemingway's Paris

Der Blaue Engel (Professor Unrat), Ausschnitt 

Das Totenschiff von B. Traven. Original Hörspiel (1947) von Ernst Schnabel 

1984 (Verfilmung von 1956

BBC – Frank Lloyd Wright: The Man Who Built America (2017) 

Robert Johnson – Love In Vain (Das Original 1937) 

You Can't Always Get What You Want – Rolling Stones (1969) 

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Thomas Bonin / 13.08.2018

@ Roland Stolla-Besta: { Seit ich ... von ihm las („Das kurze glückliche Leben des Francis Macomber“)} Ihr Hinweis hat in mir ein “Hach!” :-) ausgelöst, denn diese kleine, einprägsame, Geschichte hat es mir gleichsam angetan. Kommt hinzu, dass mir im (alltagsüblichen) Umfeld noch niemand über den Weg gelaufen ist, der Hemingways “49 Depeschen” intus hat. Gilt übrigens auch für dessen “Haben und Nichthaben” (nach meinem Geschmack auch ein Hammer). Auf den Hemingway-Trichter bin ich allerdings nicht von selbst gekommen, sondern über einen unglaublich belesenen (und in sämtlichen Fächern inkl. Sport u. Musik bis zum Abi durchweg erstklassig abschneidenden) Klassenkameraden (von da an las ich mich durch die meisten Hemingway-Publikationen durch). Darüberhinaus habe ich natürlich noch weitere Literaturhelden in meinem Hinterkopf gespeichert: sie haben mich während der vermutlich wichtigsten Lesejahre (Schule, Uni) bis heute mitgeprägt. Für Schnäppchenjäger (mit eReader-Option) lassen sich sich ausgewählte Sammlungen der Weltliteratur für 99 Ct (in Worten Neunundneunzig Cent) ausfindig machen. @ alle Anderen: fühlt sich gut an, unter “den schon länger hier Lebenden” viele “schon länger hier Lesende” zu entdecken ;-)

Hjalmar Kreutzer / 13.08.2018

Lieber Herr Bechlenberg, wieder vielen Dank für die immer sehnsüchtig erwartete Sonntagsgeschichte. Obwohl ich nur wenige Jahre jünger bin, trennen uns teilweise Welten hinsichtlich der Sozialisation in der Kindheit und Jugend, mit welchen Musikern, Schriftstellern, Kinofilmen etc. man aufgewachsen ist. Auch Böll, Tucholsky, Kästner usw. waren in der DDR „sehr gut ausgewählt.“ Das Gedicht des kleinen dicken Berliners von den „Olympiasiegen“, in deren Folge „unsere Flagge siebenmal hochgestiegen“, fand sich in der Tucholsky-Edition von „Volk und Welt“ leider nicht. Dennoch liebe ich diese meine Ausgabe aus der Jugendzeit heiß und innig, wunderbar die Übersetzungen und historischen Anmerkungen für den des Französischen oder Latein nicht mächtigen Leser, neben dem chronologischen das alphabetische Inhaltsverzeichnis mit Angabe von Ort und Jahr des ersten Erscheinens jedes Gedichts oder Artikels, ach wären doch alle „modernen Klassiker“ so editiert. Könnte allerdings nicht staatlich subventioniert heute kein Mensch bezahlen…

Otto Nagel / 12.08.2018

Ihr im Westen hattet rororo, aber uns im Osten mangelte es auch nicht an Entdeckungen aus der “fernen weitn” Welt. Wir hatten reclam ( Grundpreis 40 Pf.) und die “Romanzeitung” ( jeder Roman 80 Pf.). Nur schade, daß ich bei meiner Flucht in den Westen zwei Hände für tragbare Reisetaschen hatte. Vorbei wars mit meinen “Schätzen” !

Thomas Bonin / 12.08.2018

Als vormals “gelernter Ost-Pennäler” (und relativ fit gewesener Russisch-Hausaufgaben-Ablieferer)  zog ich per Los aus der Menge potentieller Brierfpartner (die mein Klassenlehrer uns reihum unter die Nase hielt) einen gewissen - ausgerchnet in Wladiwostok (!) ansässigen - Wowa. Kaum zu glauben, es entwickelte sich dennoch soetwas wie eine Korrespondenz. Jeweils im Abstand von etwa 5 bis 8 Wochen trudelten die Antworten beim jeweiligen Adressaten ein. Das währte ca. ein Jahr lang, dann schlief die Sache irgendwie ein. Wie auch immer, der Knaller war, dass Wowa mir schrieb, “Freunde fürs Leben” sein zu wollen. Tja, wer weiß, wie sich eine solche Episode unter den heutigen Annehmlichkeiten von schnellem Internet, Reisefreiheit und Verzicht auf “Mitlesen Dritter” (mittlerweile wieder mit ?? zu versehen) wohl entwickelt hätte.

Karla Kuhn / 12.08.2018

” Wir leben in der “Immer-und-überall- erreichbar-Gesellschaft”, Telefon, Handy, SMS, Internet, E-Mail sind die Schnellfeuerwaffen der Kommunikation.  Peter Bacher, der Bestseller Autor mit der leisen Feder, Jahrgang 1927, hat einem jungen Handy-Freund einen Brief geschrieben.”  “Täusche Dich nicht, ein Brief ist so wertvoll”  “Peter Bachér, ein Kolumnist auf der Wiederholspur”, so wurde er im Dezember 2017 bei Über Medien verspottet.  Dieser “Brief” gefällt mir,  es ist in den meisten Fällen nämlich wirklich so. Ich schreibe persönliche Post generell mit der Hand und Geburtstags-Weihnachtspost sowieso.  

Marcel Seiler / 12.08.2018

Die allzeitige Verfügbarkeit von Information ist natürlich toll; ich suche mir gern im Internet die Hintergrundinformationen über irgend etwas, das mir gerade über den Weg läuft. Aber das Überangebot entwertet auch die Information. Schlimmer aber, dass dies auch das Individuum entwertet: wenn man nicht aufpasst, wird man überwältigt und fühlt sich klein. Und noch schlimmer: anstatt sich dem Neuen entgegenzustellen, um daran zu wachsen, wendet man sich oft schon wieder etwas Anderem zu. So erfährt man viel, aber läuft Gefahr, sich selbst zu verpassen. – Geht es nur mir so?

Karla Kuhn / 12.08.2018

2050 ?  Glauben Sie wirklich, daß es uns da noch gibt ? Denn diese Neusprache wurde doch in grauer Vorzeit extra nur für diejenigen, die damals schon länger in dem Land, wo man gut und gerne lebte “entwickelt”  Mit 16 Jahren hatte uns unser Englisch Lehrer amerikanische Brieffreunde vermittelt und das in der DDR !  Meine Brieffreundin war aus Tucson/Arizona, die hat mir ein Foto geschickt, wo sie neben riesengroßen Kakteen steht.  Seitdem wollte ich nach Tucson Arizona, hat leider nicht geklappt. Ich schreibe heute noch sehr gerne Briefe mit der Hand, ich stamme aus einem Germanisten, Journalisten, Schriftsteller Haushalt, bei uns hat jeder gerne und viel geschrieben. ” Liest heute noch jemand Tucholsky außer mir?”  Ja, ich ! Und Kästner, der war bei uns zu Hause und hat mir sein Buch"Emil und die Detektive geschenkt, signiert. Meine fast 12 Jahre ältere, sehr ordentliche Schwester hat es an sich genommen, weil ich “zu schlumpig” war. Irgendwie ist es bei der Haushaltsauflösung in die “Rabusche” gekommen, sehr schade.

Roland Stolla-Besta / 12.08.2018

Ihre Hommage an Papa Hemingway hat mich sehr berührt. Seit ich 1971 erstmals eine Kurzgeschichte von ihm las („Das kurze glückliche Leben des Francis Macomber“), war es um mich geschehen. Seit meiner Grundschulklasse war ich süchtig nach Literatur, und Hemingway gehört für mich mit etlichen anderen in den Olymp der Literatur. Was der von Ihnen erwähnte Lehrer über Hch. Böll, den ich ehemals auch eifrig las, äußerte, ist auch heute meine Ansicht. Ihn heutzutage lesend (neulich versuchsweise wieder die „Katharina Blum“) empfinde ich ihn inhaltlich als geradezu spießig-miefig. Er hat sein verdientes Ende in deutschen Lesebüchern gefunden. Joachim Kahls „Elend des Christentums“ kenne ich leider (noch) nicht, dafür etliches von K-H. Deschner. Man stelle sich vor, jemand, etwa ein Thilo S., veröffentlichte heute ein Buch „Das Elend des Islam“ oder „Kriminalgeschichte des Islam“ - die Kacke wäre am Dampfen. Sofort in die rechte Ecke geschoben, als islamophob, rassistisch beschimpft, das zieht immer.

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