Manfred Haferburg / 23.09.2019 / 06:05 / Foto: Boris Solovyev / 44 / Seite ausdrucken

Das AKW, das in die Kälte kam

Ich bin gerade im Kerkraftwerk Rostov am Don, als mich eine gute Nachricht erreicht. Nach einer Reise von 5.000 KIlometern durch arktische Gewässer hat die „Akademik Lomonossov“, das erste schwimmende Kernkraftwerk der Welt, im Hafen von Pevek festgemacht. Ab Dezember werden die beiden Eisbrecherreaktoren 70 Megawatt Strom für das Tschukotische Inselnetz liefern und den dortigen 100.000 Einwohnern das Überleben im Winter ermöglichen. 

Wäre ich nicht zufällig gerade in Russland gewesen, wo es ein großes Thema ist, hätte ich womöglich gar nichts davon mitbekommen. Um es gleich vorweg zu sagen: Greenpeace ist auch sehr dagegen. Sie haben die Akademik Lomonossov erst „schwimmendes Fukushima“ tituliert und ihr jetzt den Ehrennahmen „nukleare Titanic“ verliehen – wegen der Eisberge, durch die der KKW-Pram beim Transport sinken würde. 

Die Frage, wie denn die Bewohner von Tschukotien im Winter bei minus 50 Grad versorgt werden sollten – es handelt sich zum größten Teil um Tschuktschen, Tschuwanzen, Eskimos, Koriaken und Evenken, die fünf Eingeborenen-Stämme waren einst nomadisierende Ureinwohner, die mit ihren Rentierherden durch die Taiga zogen – wusste Greenpeace auch keine Antwort. Es gibt keine Straße dorthin. Es gibt keine Eisenbahnlinie dorthin. Es gibt keinen Flugplatz, der nächste ist 400 Kilometer „Piste“ entfernt. Die Temperatur im Winter beträgt minus 50 Grad Celsius. Der Wintertag dauert drei Stunden und der Winter dauert von Anfang Oktober bis Ende Juni. Sollten die Russen etwa die Kohle für ein fossiles Kraftwerk mit Antonows einfliegen? Oder eine 5.000 km lange Leitung für Öl oder Gas durch die Taiga ziehen?

Greenpeace „Experte“ Heinz Smital weiß es trotzdem besser:

Es wäre viel billiger, entlegene Regionen mit den für den Landstrich passenden Erneuerbaren Energien zu versorgen als mit solchen Millionenprojekten – die Akademik Lomonossov hat bis jetzt 500 Millionen Euro gekostet. Auch in Pevek könnte eine Kombination aus Sonnen-, Wind- und Wasserkraft ein schwimmendes Atomproblem ersetzen“.

Solarpaneele bei 2 Meter Schnee? Wasserkraft bei minus 50 Grad? Windenergie am Ende der Welt? Wie wirtschaftlich und zuverlässig solche Visionen sind, zeigt die deutsche Energiewende.

Derzeit wird das Tschukotische Gebiet von drei kleinen Kernreaktoren in Bilibino aus den 60iger Jahren versorgt. Die können im Jahre 2021 in den verdienten Ruhestand gehen. Ein modernes Kernkraftwerk ersetzt alte Kernreaktoren – was soll daran falsch sein? Auch Greenpeace könnte ruhig ein bisschen überlegen, bevor sie protestieren und tröten:

Jetzt wollen sie das schwimmende Kraftwerk über das Nordpolarmeer ziehen. Wir machen uns große Sorgen, zum Beispiel wegen der Gefahr durch die vielen Eisberge dort… Für das Ganze hat Russland allein nach offiziellen Angaben 46 Milliarden Rubel ausgegeben. Und es kann nicht mal selbst fahren."

Die Summe entspricht mehreren hundert Millionen Euro – wenn das KKW wirklich dafür gebaut wurde, ist es ein Schnäppchen.

Die Kraftwerksleitung im KKW Rostov war jedenfalls stolz und hocherfreut. Sie spendierten eine gigantische – Greta-Jünger müssen jetzt ganz stark sein – Buttercremetorte zur Feier des Tages. (Und das angesichts der Tatsache, dass ein Kilogramm Butter für fast 24 kg Kohlendioxyd verantwortlich sein soll, Fußabdruck und so...) Jedenfalls ist die Butterscham noch nicht bis Rostov am Don durchgedrungen. Mein zugegeben üppiges Stück Torte hatte so ein Atomgewicht – wäre es mir vom Teller gerutscht, wäre es sicherlich bis zum Erdmittelpunkt durchgefallen. Aber lecker war es doch. Und eine Erinnerung daran, dass Deutschland nicht unbedingt der Maßstab für den Rest der Welt ist.

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Leserpost

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Alexander Mazurek / 23.09.2019

Bei dem herrschenden Schwindel müssen wir dringend etwas gegen dessen Ursache, die Erdrotation tun. Wenn nicht hetzt, wann dann!

Wilfried Düring / 23.09.2019

Tschuktschen, Tschuwanzen, Eskimos, Koriaken und Evenken sind für Organisationen wie Greenpeace nicht interessant. OPFER müssen gebracht werden - für die Ideologie! Und solange es keine EIGENEN Opfer sind ... . Siehe hierzu auch den Kommantar von @ReimarOhström .

Wolfgang Richter / 23.09.2019

@ Hermann Lorenz—Psychotische Klimaexperten werden nicht nur gewählt, sondern auch mit reichlich Staatsknete und Spendengeldern Verblendeter und Gläubiger zu ihren Aktionen befähigt. So gab es heute eine Pressekonferenz mehrerer NGOen, Greenpeace, WWF u. Co, zum Klima-Abzock-Paket der Regierungsdarsteller. U. a. erklärte ein Michael Schäfer, genannt als KlimaChef ? des WWF, daß Deutschland inzwischen (dank des wunderbar funktionierenden Erneuerbaren Energiewunders / Anm. von mir) “Netto- Strom-Exporteur sei. Daher sei es kein Problem (für die Versorgungssicherheit im Lande / Anm. von mir) ,  sofort mehrere Kohlekraftwerke vom Netz zu nehmen / abzuschalten. Soviel zur gefühlten Realität derer, die vorgeben, berufen zu sein, die Regeln im Lande vorzugeben. Oder die dreist genug sind, zum Erhalt der Geldflüsse zu ihren Gunsten die Bürger nach Strich und Faden zu belügen.

Claire Müller / 23.09.2019

Coole Sache mit dem Web-Reader. Den ersten Artikel zur Akademik Lomonossov hatte ich schon begeistert gelesen. Vielen Dank für das Update.

Anders Dairie / 23.09.2019

Herr HAFERBURG wird es bestätigen,  RUSSLAND ist wie Nordamerika ein Kontinent mit über 100 Völkerschaften auf 13 Tsd. Kilometer Länge.  Wer nie dort war, geschweige länger,  begreift von allem kaum die Hälfte.  GREENPEACE hat keine Chance,  sie werden sich im Riesenraum totlaufen. Wie die Tataren, die Grande Armee oder die Wehrmacht. Und das waren bestimmt keine NGO-en.  Übrigens,  wer nie im KAWKAS war,  zwischen der KRIM und dem Kaspischen Meer,  hat einige der tausend Orte nicht gesehen,  die man im Leben kennenlernen sollte.  Russlands hoher Norden wäre mein Fall nicht.

Anders Dairie / 23.09.2019

ES ist leider so,  und das zeigt die Statistik unerbittlich.  dass der Staat RUSSLAND mittelfristig zerbrechen wird.  Es verliert jährlich rund 1 Mio. Bürger durch Tod,  unumkehrbar.  Von heute 140 Millionen Russen werden um 2050 weniger als 110 Millionen übrig sein.  Mit dieser   “Minimannschaft”  wird man das große Schiff gegen das wachsende Rotchina nicht über Wasser halten können,  Sibirien dürfte faktisch weg sein,  es sind Hundertausende Chinesen im Osten eingesickert. Sie beherrschen u.a. die Holzwirtschaft und den Grenzverkehr am USSURI.  Nachteilig für Russland ist,  dass Rotchina im Norden sehr viel Land an die Wüste GOBI verliert.  PEKING ist also gezwungen,  sich mit MOSKAU über die enorm weite Leere im super reichen Sibirien,  sagen wir mal,  “zu einigen”.

alma Ruth / 23.09.2019

Ja, D war einmal ein Maßstab, aber das ist so lange her…. vielleicht war es nur ein Traum. Leider ist es schon seit langem, sehr langem nicht der Fall. Allenfalls dafür, wie man Sachen nicht machen soll. — Was ich überhaupt nicht begreife: Wie kann eine Gesellschaft, eine Nation sich - freiwillig(?) - erlauben, daß die riesige Menge an Wissen, an Erfahrung die sich während der Jahrhunderte (wenn nicht Jahrtausenden) im Schoß dieser Nation entstanden und gesammelt wurde, einfach weggeworfen wird aufgrund von blödester Ideologien. Man läßt es zu und keiner steht auf, um unüberhörbar zu schreien, Gegen den Frevel, das man damit begeht.— Mir kommt es vor, als wollte diese Nation nicht mehr leben, Stimmt mein Eindruck, dann sage ich, es gibt viel schnellere Methoden zum nationalen Selbstmord. Ohne sich und die anderen mit dieser unerträg-lichen Hysterie zu nerven. Allerdings fände ich es schade, wenn es tatsächlich so wäre.—Denn ihr seid ein hoch begabtes Volk. Warum sollt ihr verschwinden? Das wäre für die ganze Welt ein riesiger Verlust. Trotz euer unverarbeiteten Vergangenheit. Das sage ich als Jüdin, als Überlebende. Und meine es ernst. Also, denkt nach und reißt euch zusammen. lg alma Ruth

Karla Kuhn / 23.09.2019

Mich wundert jetzt nicht mehr, daß die “künstliche Intelligenz” vorangetrieben werden soll. Klar, MANGELS menschlicher Intelligenz, die bei so manchem “Protagonisten” entweder abhanden gekommen ist oder gar nicht erst vorhanden war.

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