D, Ss, 7. Sinfonie gehört - neben der 2, 3, 11.und 12. zu den schwächsten seiner 15 Sinfonien (was auch Chrennikow wusste. Bartok und Strawinsky - gewiss nicht um ihren Ruf bangend, und beide in D als “entartete Künstler” gebranntmarkt - kritisierten es als billig gemachtes Tableau. Bartok komponierte sogar eine bissige Parodie auf das Leharthema (“Konzert für Orchester”: IV: Intermezzo interrotto). Die “Fünfte” übrigens ist zwar die “Antwort eines Künstlers auf eine berechtigte Kritik” [an gewissen Szenen aus “Lady Macbeth” und der damit verbundenen allgemeinen Kritik am bürgerlichen “Formalismus”], sie ist aber in Wirklichkeit eine ätzende Parodie auf die platten Versatzstücke des “Sozialistischen Realismus” in den Kompositionen seiner Kollegen (u.a. Mjaskowski, Glière, Knipper). Dies lässt sich bis in die satztechnischen Details und dem triumphierenden “Über-Dur” (Wolgang Rihm) des Finales verfolgen. Man täte im deutschen Musikbetrieb sehr gut daran, reichlich Schostakowitsch zu spielen, etwa die - nach der 7. (Leningrad) - zweite “Kriegssinfonie”, die künstleisch wesentlich anspruchsvollere und geistig wesentlich profundere 8. Sinfonie c-Moll Op. 65. Für Kenner mit einem über das Expertentum der deutschen Musikfeuilletons weit hinausgehenden Auffassungsvermögen wäre die Sinfonie Nr. 14 Op. 135 zu empfehlen. Für beide Sinfonien gibt es Aufnahmen mit Gergejew. Historisches: 1916 erfolgte ein Aufruf zum Boykott von Komponisten der Mittelmächte, den Debussy und Saint Saens unterschrieben, nicht aber Ravel! Elgar wurde zur selben Zeit als “Hunnenknecht” beschimpft, weil er Strauss und Wagner aufführen wollte. Der Verlag Eugen Diedrichs in Jena musste fast Konkurs anmelden, weil die Werke Bergsons, die vor 1914 in D Bestseller gewesen waren, boykottiert wurden. Bergson selbst wurde aufs Übelste niedergemacht, so dass sich bedeutende Wissenschaftler (u. A. Wilhelm Wundt) - trotz erhebliche wissenschftlicher Differenzen -zum Eigreifen gezwungen sahen.
Ausgerechnet angesichts von Mariupol (Leningrad des 21.Jh.) wäre die Aufführung der 7. von Schostakowitsch gerade jetzt am besten geeignet. Die Vertreibung von Gergiew und Netrebko ist alerdings korrekt. Ihre Schuld ist nicht, dass sie Russen sind (die beiden sind übrigens KEINE ethnischen Russen!), sondern ihre eifrige Teilnahme in Propagandaveranstaltungen des Massenmörders. Sehr begabt sind sie schon - wie auch Leni Riefenstahl sehr begabt war.
Ich verstehe die Musiker des Münchner Orchesters nicht. Sie hätten auf das erste Zeichen von (OB) Reiter sofort erklären müssen, daß sie ohne Gergiev nicht spielen werden, solange dessen Vertrag gelte. Kein Dirigent hätte sich als Schufterle zum “Einspringen” hergeben dürfen. Wenn ein Dirigent das Stück nicht parat hat, dann zählt anscheinend die Arbeit der Musiker, die diese Sinfonie sehr wohl erarbeitet haben, nichts. Das ist “Führerprinzip”: ein Bürgermeister (noch kleiner als es Montgomery für das BVerfGericht festlegte) bestimmt, wer ein bis hierher durchaus bedeutendes Orchester leiten darf, und ein Dirigent bestimmt, ob die Musiker die exorbitante Arbeit der Einstudierung eines 90-Minuten-Werks, vergeblich - und letztlich auch umsonst - auf sich genommen haben. (Im Bereich der Wissenschaften geht es genauso totalitär zu, im Bereich der Literatur…). Die Demokratie war ein hübscher Traum, den immerhin reichlich siebzig Jahre träumen zu dürfen, mir vergönnt war.
@Harald Unger - Was stimmt bei Ihnen nicht? Ihre Moraltirade ist deplatziert. Und ja, ohne Putin würden Sie ewig leben und die Rente wäre schön verdoppelt worden.
Bringt doch für die russischen Lohnschreiber mal etwas über das gegenwärtige Rußland. Im übrigen muß man nur die “Mariupoler Sinfonie” ankündigen; das Leid dürfte das Gleiche sein wie damals in Leningrad.
@ H. Unger Platt, naiv und natürlich vollkommen falsch: “Putin hat das überwunden geglaubte, kriegsverbrecherische 20. Jahrhundert wieder auferstehen lassen.” Vor Putin war Weltfrieden?
Putin hat das überwunden geglaubte, kriegsverbrecherische 20. Jahrhundert wieder auferstehen lassen. Was bei uns, im Westen Europas, auf ebensolchen untoten, furchtbaren Boden trifft. Die Denunzierung und Verfolgung russischer Zivilisten zeigt, was mir persönlich seit der Vogelgrippe bewusst wurde. Als Bisherdeutsche in Parks anfingen, auf Vögel einzudreschen. Wir haben zwar das Jahr 2022, doch mental leben wir im Jahr 922. Den Rückfall in die Umnachtung und Barbarei unumkehrbar zu stellen, wird der Westen Europas von einer islamischen Invasion geflutet, die kein Beispiel in der Geschichte hat. ../2
Wie sich die Bilder gleichen. Hier: Schostakowitsch - 1933 ff. Heinrich Heine und andere. Übrigens, würde Heinrich Heine heute auch wieder auf der Schwarzen Liste stehen. Nur Diktaturen schreiben vor, was Kultur ist und was nicht. Nur Diktaturen und deren Anhang führen Listen von verbotenen Wörtern, Büchern, Musik, Frisuren und anderes. Wer jetzt immer noch nicht erkannt hat, dass wir in einer Diktatur leben, dem ist nicht mehr zu helfen. Hier darf man noch das Wort Faschismus in den Mund nehmen, in anderen alternativen Medien wird man dafür entfernt, vor allem in Zusammenhang mit den Asows in der Ukraine. Wer nicht benennt, was wir z.Z. erleben, der spricht mit der Sprache der Diktatoren.
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